Duisburg. .
Facharbeitermangel auf der einen, qualifizierte Menschen ohne Job auf der anderen Seite: Das ist längst Realität auf dem Arbeitsmarkt. Die Duisburger Arge trat jetzt die Flucht nach vorne an – und ließ Papierschwalben durch das Forum fliegen.
Sie brauchen einen Betriebswirt? Einen Mediengestalter oder eine Fremdsprachensekretärin? Wie wäre es mit Manuel-Bernardo Neves oder Torsten John? Im Forum warfen sie ihre Bewerberprofil gemeinsam mit elf weiteren gut ausgebildeten Altersgenossen symbolisch mittels Papierschwalben von der Empore. Facharbeitermangel auf der einen Seite, qualifizierte Menschen ohne Job um oder über 50 auf der anderen. Und doch geht es nicht zusammen.
Arge-Geschäftsführer Norbert Maul: „Wir haben 500 Duisburger Arbeitgeber angeschrieben, um sie auf das Potenzial der Menschen über 50 aufmerksam zu machen. Arbeitslosigkeit ist heute längst kein Makel mehr. Es ist nur schwierig, wieder in den Markt zu kommen.“ Das Alter sollte kein Kriterium sein, eine Bewerbung sofort beiseite zu legen, so Maul. OB Adolf Sauerland, Vorsitzender der Arge-Trägerversammlung: „Wir haben eine ähnliche Aktion auch schon zum Konjunkturpaket II gemacht. Damals kam der Eine oder Andere auch in den ersten Arbeitsmarkt.“
Wegfall von 20 Millionen Euro
Norbert Maul unterstreicht, dass Duisburg selbst für den Fall, dass alle entsprechend qualifizierten Bewerber einen passenden Arbeitsplatz hätten, weiter auf den zweiten oder dritten Arbeitsmarkt angewiesen wäre. Angesprochen auf die aktuelle Diskussion über Sinn und Unsinn von Gemeinwohlarbeit sagte Norbert Maul, dass man in Duisburg bei der Einführung bereits mit Vertretern von IHK, DGB und Handwerk festgelegt habe, wo und unter welchen Umständen Ein-Euro-Jobber eingesetzt werden. „Es gab nur einen Beschwerdefall, den wir auch sofort überprüft haben.“
Der Arge-Geschäftsführer glaubt auch nicht daran, dass für den Fall der Abschaffung irgendwelche Aufträge der Stadt an Betriebe gehen würden. „Nicht von einer Kommune mit Nothaushalt.“
Er fürchte vielmehr den Wegfall von 20 Millionen Euro für die Gemeinwohlarbeit im nächsten Jahr (wir berichteten): „Wir werden schon im ersten Quartal Diskussionen bekommen, warum wir nur noch so wenig Ein-Euro-Jobber haben“, prophezeit Norbert Maul. Dabei habe sich für Ein-Euro-Jobber durchaus später ein fester Arbeitsplatz in anderen Bereichen eines Unternehmens - zum Beispiel bei der DVG - ergeben. „Während im Bund die Integrationszahl zwischen drei und acht Prozent pendelt lag sie in Duisburg bei rund 15 Prozent.“
Gemeinwohlarbeit
Die Reduzierung der Gemeinwohlarbeit auf etwa 1000 Stellen werde auch Auswirkungen auf die Kaufkraft haben, erklärt der Arge-Chef: „260 Euro zusätzlich ist ,richtiges Geld’. Nimmt man alles zusammen, werden der Stadt 500 000 Euro an Kaufkraft verloren gehen.“ Die Kritik des Bundesrechnungshofes sei nur dann berechtigt, wenn es tatsächlich Verdrängung und wirklich keine Qualifizierung gäbe.
Stefan Piel, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, sieht den Einsatz der 1-Euro-Jobber kritisch: „Auch hier im Stadtgebiet kommt es vor, dass diese Arbeitskräfte in Bereichen eingesetzt werden, in denen sie zur Konkurrenz für die Privatwirtschaft wurden, beispielsweise zur Restaurierung maroder sanitärer Anlagen bei Sportvereinen. Unter Leitung eines Meisters haben diese dann die Arbeiten vorgenommen. Gleiches gilt für den Garten- und Landschaftsbau. In diesem Fall nehmen 1-Euro-Jobber tatsächlich Arbeitsplätze weg. Trotzdem sind wir natürlich dafür, dass sie Gemeinwohlarbeit machen. Aber so werden auch normale Arbeitsplätze vernichtet.Aber das Leben ist kein Wunschkonzert, man muss Kompromisse eingehen. Vielleicht wäre die Bundeswehr oder der Zivildienst ein Einsatzfeld.“