Duisburg. Die Stadt treibt die Pläne für eine urbane Seilbahn voran. Diese Vorteile und günstigen Gelegenheiten erhöhen die Wahrscheinlichkeit für den Bau.

In deutschen Städten gibt es fast so viele erträumte und gescheiterte Seilbahn-Projekte wie Sessellifte in den Alpen. Deutschland hat bis heute nicht eine Seilbahn, die als Verkehrsmittel Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist. Und nun wollen ausgerechnet die Stadtentwickler in Duisburg mit einer urbanen Seilbahn hoch hinaus. Eine von der Stadttochter Gebag FE beauftragte Konzeptstudie bescheinigt die „grundsätzliche Machbarkeit“ einer Seilbahn-Linie vom Hauptbahnhof über die künftigen Duisburger Dünen und das Technologie-Quartier Wedau (Uni-Campus) bis ins neue Wohngebiet 6-Seen-Wedau (wir berichteten). Aber wie realistisch ist es, dass die Duisburger Seilbahn gebaut wird?

Es gibt bei genauerer Betrachtung tatsächlich einige Vorteile, Gelegenheiten und Rahmenbedingungen, die eine Umsetzung – zurzeit – möglich erscheinen lassen:

Seilbahn in Duisburg: Wie sieht der Zeitplan aus? Was ist zu entscheiden?

Im Herbst wurden die Ergebnisse der Konzeptstudie den politischen Gremien vorgestellt (wir berichteten), Stadtspitze und -konzern wollen das Projekt nun schnell vorantreiben. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe mit etwa 20 Mitarbeitenden der Gebag, der Stadt und der DVV beziehungsweise DVG hat sich formiert und wird laut Gebag-Sprecherin Lisa Melchior „von externen Experten aus den Bereichen Projektsteuerung/-planung sowie Verkehrs- und Mobilitätsplanung“ unterstützt.

Der Auftrag an die AG: „Eine Vorlage für den Rat bis September“, sagt Stadtentwicklungs- und Mobilitätsdezernent Martin Linne. Die politischen Entscheidungsträger sollen dann auf der Grundlage einer ersten Nutzen-Kosten-Untersuchung entscheiden, ob die Stadt den Seilbahn-Bau konkret verfolgt.

Die urbane Seilbahn würde an Stadion (oben links) und Sportpark vorbei über den Barbarasee (rechts) ins Technologiequartier Wedau (Uni-Campus, Vordergrund) schweben – und dann weiter nach Wedau.
Die urbane Seilbahn würde an Stadion (oben links) und Sportpark vorbei über den Barbarasee (rechts) ins Technologiequartier Wedau (Uni-Campus, Vordergrund) schweben – und dann weiter nach Wedau. © Gebag | CKSA/Morean

Dazu müsste die Verwaltung Gespräche mit dem Bundesverkehrsministerium führen und einen aufwendigen Antrag für eine „Standardisierte Bewertung“ erarbeiten. Diese Methode ist die Entscheidungsgrundlage für Finanzhilfe des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (siehe unten). Und ohne die Förderung durch Berlin wäre die Duisburger Seilbahn undenkbar.

Diese Punkte sprechen aus Sicht des Verkehrsdezernenten Linne dafür, dass die Duisburger Seilbahn Chancen hat, als Modellprojekt gefördert und tatsächlich gebaut zu werden:

Die Duisburger Seilbahn wäre Bestandteil des ÖPNV:

In den kommenden Jahren müssen riesige neue Wohn- und Arbeitsquartiere sowie ein Ingenieur-Campus mit bis zu 15.000 Studierenden ins zu verbessernde DVG-Netz eingebunden, an den Hauptbahnhof sowie die Innenstadt angeschlossen werden (siehe Karte). Linne: „Die Fahrgäste der Seilbahn könnten am Hauptbahnhof oder im Süden, am künftigen S-Bahn-Halt 6-Seen-Wedau einsteigen und einfach mit dem Deutschlandticket mitfahren.“

Ein erster Entwurf: So könnten Trasse, Anlage und Kabinen aussehen.
Ein erster Entwurf: So könnten Trasse, Anlage und Kabinen aussehen. © Gebag | CKSA/Morean

Eine Seilbahn ist schnell(er) gebaut:

Eine Seilbahn wäre viel schneller gebaut als eine Straßenbahn-Trasse oder gar eine U-Bahn-Verbindung. Die Dauer des Planfeststellungsverfahrens schätzt der Beigeordnete auf zwei bis drei Jahre, die reine Bauzeit auf ein bis zwei Jahre. Mit dem Bau der 5,3 Kilometer langen Strecke könne man „in fünf Jahren durch sein, wenn man das will“.

Die Seilbahn wäre viel günstiger als eine Bahn:

Die Seilbahn wäre auch die mit Abstand günstigste Variante, Dünen, Technologie-Quartier, 6-Seen-Wedau und Ratinger Weststrecke an den innerstädtischen ÖPNV anzuschließen. Die Erweiterung des DVG-Schienennetzes hinaus zum Campus „wäre extrem aufwendig“, so Linne, allein schon wegen der Brückenbauwerke. Die Seilbahn-Kabinen dagegen könnten die Bahnstrecke im Süden des Güterbahnhofsgeländes in 20 Meter Höhe vergleichsweise einfach kreuzen. Die Kosten für den Seilbahn-Bau schätzt Linne aktuell auf „nur“ 120 bis 130 Millionen Euro – und die Stadt selbst müsste wegen der Förderung nur einen Bruchteil davon berappen (siehe unten).

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Die Seilbahn fliegt über dem Straßenverkehr und benötigt keine Fahrer:

Die Seilbahn belastet nicht den Straßenverkehr – anders als Busse. Um Bushaltestellen am Technologie-Quartier ausreichend zu bedienen, brauche man „schätzungsweise 30 bis 40 zusätzliche Busfahrerinnen und -fahrer“, so Linne. „Es ist heute schon schwer, Fahrpersonal zu bekommen.“ Bei 15.000 Studierenden auf dem Ingenieur-Campus müssten zu Stoßzeiten etliche Busse verkehren – „die den Stadtverkehr belasten und im Stau stehen“, argumentiert Linne.

Ihm schwebt eine Seilbahnstation „Barbarasee“ in der Nähe von Jugendherberge und Stadion vor: „Studierende und Lehrende könnten die im Sportpark unter der Woche ungenutzten Parkplätze nutzen und in die Seilbahn umsteigen. Dadurch benötigt man am Ingenieurcampus im TQ Wedau weniger Parkhausneubauten: Das ist ein wirtschaftlicher Vorteil.“

In den Großkabinen des zurzeit in Duisburg favorisierten Seilbahnmodells könnten laut Linne zehn Sitzplätze installiert werden.
In den Großkabinen des zurzeit in Duisburg favorisierten Seilbahnmodells könnten laut Linne zehn Sitzplätze installiert werden. © Gebag | CKSA/Moren

Auf der Duisburger Trasse droht kaum Ärger mit Anwohnern:

Die Trasse, die seilbahntechnisch und städtebaulich gut geeignet sein soll, führt kaum über Privatgrundstücke. „Wir überfliegen kein klassisches Wohngebiet“, verdeutlicht Linne. Am Widerstand von Anwohnern waren in anderen Städten Seilbahn-Projekte gescheitert, etwa in Wuppertal. Die Duisburger Linie dagegen verlaufe im Wesentlichen auf Flächen der Gebag FE und der Stadt. Wer in die Dünen oder an die Seen zieht, weiß, dass es eine Seilbahn gibt … oder geben wird.

Betriebsaufwand als Vorteil – und möglicher Knackpunkt:

Martin Linne betrachtet auch den Betriebsaufwand einer Seilbahn als Vorteil. Die Anzahl der Mitarbeiter sei gering, System und Technik seien „völlig standardisierte Produkte“, die seit Jahren durch die vielen Anlagen in Gebirgen und in südamerikanischen Großstädten weit entwickelt und robust seien. Ein möglicher Knackpunkt: „Können die Gesamtkosten über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage gesenkt werden?“

Erkennt im Seilbahn-Bau eine Chance für Duisburg, den ÖPNV der Stadt und die Neubaugebiete: Martin Linne, Stadtentwicklungs- und Mobilitätsdezernent
Erkennt im Seilbahn-Bau eine Chance für Duisburg, den ÖPNV der Stadt und die Neubaugebiete: Martin Linne, Stadtentwicklungs- und Mobilitätsdezernent © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Der Bund zahlt den größten Batzen für eine sinnvolle Seilbahn:

Am Ende entscheidend: Das Bundesverkehrsministerium fördert neuerdings den Bau von Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr als Baustein „nachhaltiger Mobilität“. Diese seien klimafreundlich, preiswert, zuverlässig. „Unser Wunsch ist es, urbane Seilbahnen als normales Verkehrsmittel zu etablieren“, erklärte Bundesminister Volker Wissing (FDP) im Oktober 2022 bei der Vorstellung eines Leitfadens für Kommunen, Verkehrsunternehmen und Verbünde. Der Bund unterstützt Seilbahnvorhaben nun mit Finanzspritzen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG).

Die Grundlage für eine anteilige Bundesförderung: der Nachweis der Wirtschaftlichkeit nach dem GVFG. Ist Duisburgs urbane Seilbahn volkswirtschaftlich sinnvoll (siehe Infobox), könnte diese „zu 80 bis 90 Prozent gefördert werden“, hofft Dezernent Martin Linne.

>> SEILBAHN-BEWERTUNG: BETRIEBS- UND VOLKSWIRTSCHAFTLICH SINNVOLL?

Das Bundesverkehrsministerium erklärt in seinem Leitfaden „Urbane Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr“: Die Förderfähigkeit urbaner Seilbahnen erfolge durch die „Standardisierte Bewertung“ wie bei anderen Verkehrssystemen. Auch bei Seilbahnen sollen betriebs- und volkswirtschaftliche Nutzen und Kosten gegenübergestellt werden. Es gehe zusammenfassend um Kriterien in diesen Bereichen:

• „Nutzen für die Fahrgäste (z.B. verringerte Reisezeiten, verbesserte Erschließung, erhöhtes Angebot)

Finanzielle Auswirkungen auf die Aufgabenträger (Infrastrukturkosten, Betriebskosten, Fahrgelderlöse)

Nutzen für die Allgemeinheit (z.B. Reduktion von Unfällen und Emissionen, Eingrenzung der Flächeninanspruchnahme, Senkung des Primärenergieverbrauchs).“

Eine andere Perspektive auf Technologiequartier, Regattabahn, Barbarasee und die Seilbahn.
Eine andere Perspektive auf Technologiequartier, Regattabahn, Barbarasee und die Seilbahn. © Gebag | CKSA/Morean

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