Duisburg. Weil sie seit Monaten Wasser abpumpen müssen, können viele Duisburger ihre Häuser nur stundenweise verlassen. Eine Mitschuld geben sie der Stadt.
Die Kellerstufen sind abgeklebt, die Verkleidung von den Wänden gerissen, die Türen sind raus, die Räume leer – bis auf das Wasser, das den Boden des gesamten Hauses bedeckt. Alle zwei bis drei Stunden ertönen Pumpgeräusche aus dem Untergeschoss des Einfamilienhauses in Duisburg-Rahm – und das seit Anfang Januar.
Und genauso sieht es in mehreren Häusern auf der Straße Am Rahmer Bach aus. „Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt mal eine Nacht in Ruhe durchgeschlafen habe“, sagt Marc Björn Wolter. „Je nachdem wie hoch das Grundwasser gerade steht, müssen wir eng getaktet das Wasser aus unseren Kellern pumpen. Wir saufen hier ab.“
Grundwasser im Duisburger Süden seit Monaten gleichbleibend auf Höchststand
Angefangen hat alles mit den starken und anhaltenden Regenfällen rund um den Jahreswechsel. „Da hatten wir noch gedacht, dass das Wasser ja nicht lange bleiben würde, auch wenn natürlich schon einiges kaputtgegangen war“, erzählen die Rahmer. Aber das Wasser blieb und stieg sogar noch weiter an. Die Keller sind seitdem nicht mehr zu nutzen. 50.000 Euro kostet die Trockenlegung samt Sanierung.
Nach den ersten schlimmen Wochen haben sich die betroffenen Familien immer mehr mit der Problematik beschäftigt. „Wir sind schon echte Profis, was die Grundwasserstände der letzten 60 Jahre betrifft“, erzählt Familie Hagedorn. „Wir wissen ganz genau, ab welchem Pegel wieder neues Wasser in unsere Keller drückt.“
An den langen Wochenenden mal mit der Familie wegfahren? Keine Chance. „Wir können unser Haus doch im Grunde nur noch ein paar Stunden am Stück verlassen. Und dann auch nur, weil ich eine App habe, mit der ich die Pumpen steuern kann“, sagt die Duisburgerin.
Auf einer Internetseite der Stadt Düsseldorf verfolgen die Rahmer nahezu stündlich den aktuellen Grundwasserpegel. „Der wird an der Rahmer Straße in Angermund, nur ein paar hundert Meter entfernt von uns, gemessen“, sagt Marc Björn Wolter.
Der durchschnittliche Wert liegt bei 30,89 Metern. Rahm liegt auf einer Höhe von 34,73 Metern. „Sobald der Pegel 32,90 Meter übersteigt, sind unsere Keller voll“, sagt Wolter. Erschreckend sei bei dem Blick auf die Grundwasserstände: „Es gibt immer mal wieder Ausschläge nach oben, aber der Pegel ist in der Vergangenheit auch immer wieder sofort gesunken. Aber seit Januar 2024 liegt der Grundwasserstand hier konstant über 32,45 Metern. Also 1,75 Meter höher als durchschnittlich. Das gab es noch nie.“
Als die Rahmer dann durch unsere Berichte erfahren haben, dass die Stadt Duisburg seit März Millionen Liter Wasser in den Dickelsbach leitet, konnten es die Bewohner nicht fassen. „Das ist Vorsatz“, sind sie sich sicher. „Die lassen uns sehenden Auges absaufen.“
„Man muss sich nur mal die Mengen vorstellen“, sagen die Hagedorns. „Die Stadt hat über einen Zeitraum von 100 Tagen täglich die Wassermassen aus zwei 25-Meter-Becken mit einer Tiefe von zwei und einer Breite von 20 Metern in den Dickelsbach gepumpt. Und zwar vorsätzlich. Das ist ein Skandal“, sind sich alle einig.
Stadt Duisburg leitet Millionen Liter Wasser in den Dickelsbach: Anwohner sehen Vorsatz
Ähnlich sieht es in Duisburg-Wedau aus. Brigitte Meyer denkt an alles andere als an eine schöne Bescherung, wenn sie sich an die Zeit direkt nach Weihnachten erinnert. „Plötzlich stand bei uns der ganze Keller mindestens 20 Zentimeter unter Wasser“, erzählt die Wedauerin. „Der Keller ist Wohnraum, das Schlafzimmer meiner Enkelin und das Kinderzimmer meiner Urenkel befinden sich dort. Alle Möbel sind hinüber.“ Und nicht nur das. Seitdem das Wasser sich im Souterrain breit gemacht hat, wohnt ihre Enkelin mit den beiden Kindern im Wohnzimmer.
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Auch Familie Meyer hat sich auf die Suche nach dem Grund für derartige Wassermengen gemacht. Aber erst, als sie den Bereich rund um das Haus ausgeschachtet hatten, wurden sie fündig. „Das Grundwasser steht so hoch, dass das Wasser durch unsere Wände dringt“, sagt Brigitte Meyer. „Trotz wasserfester Bodenplatte.“ Und das Grundwasser sinke auch nicht ausreichend. „Sanierungsarbeiten sind so nicht möglich.“
Brigitte Meyer, die zusammen mit ihrem Mann im Obergeschoss des Mehrgenerationenhauses wohnt, ist sich sicher: Nicht allein die starken Regenfälle zu Beginn des Jahres, auch die zusätzlichen Wassermassen, die aus der Baugrube für das neue Südbad dauerhaft in den Dickelsbach geleitet werden, sind schuld für den gestiegenen Grundwasserpegel und somit für das Wasser in ihrem Keller.
Dass die Stadt eine derartige Überschwemmung des gesamten Gebiets einfach so hinnehmen kann, es sogar noch gesagt werde, dass die Überschwemmungen keinerlei Folgen hätten, ist für die Duisburgerin nicht nachzuvollziehen. „Vielleicht keine Folgen für manche Bäume, aber sicher für unsere Häuser!“ Wenn man sich den renaturierten Bereich vom Dickelsbach in Wedau anschaut, „sieht man doch deutlich, dass sich das Wasser überall in die Breite verteilt und kaum weiter abfließt geschweige denn versickert. Wasser sucht sich seinen Weg – direkt in unsere Häuser.“
Rheinhochwasser und Niederschläge sind laut Stadt Duisburg Gründe für den Grundwasserstand
- Anhand der Wasserstandsmessungen des Rheins (Pegel Ruhrort) lässt sich der sprunghafte Anstieg im Dickelsbach erkennen und erklären. Das derzeitige Rheinhochwasser hat Einfluss auf große Teile Duisburgs. Die Grundwasserstände und auch die Gewässer stehen im Einflussbereich des Rheinwasserstands.
- Dauer, Intensität und Häufigkeit der Niederschläge sind entscheidend für einen kurzfristigen Anstieg. Auch hier sind nach Auswertung der Niederschlagsdaten deutliche Abhängigkeiten zu erkennen.
- Aufgrund wiederkehrender Niederschläge und der Bodenverhältnisse kann das oberflächennahe Wasser teilweise oft nicht versickern.
- Die Wirtschaftsbetriebe erklären: Die hohen Grundwasserstände sind aktuell nicht nur in Duisburg zu verzeichnen. Auch aus vielen weiteren Städten in unserer Umgebung und in der gesamten Bundesrepublik werden vergleichbare Fälle gemeldet und festgestellt.
- Durch die langanhaltenden Niederschläge seit November gibt es aktuell eine außergewöhnliche Situation, die es gemäß Aufzeichnungen des Landes NRW seit den 60er Jahren so nicht mehr gegeben haben soll. 2023 war in Teilen von NRW sogar eines der nassesten Jahre seit 1931 und insbesondere der anhaltende Dauerregen an Weihnachten und Neujahr hatte in zahlreichen Regionen zur Folge, dass es zu nassen Kellern aufgrund hoher Grundwasserstände gekommen ist.