Duisburg. Das Schwarzer-Peter-Spiel nach dem Messerangriff in Marxloh wirkt wie eine Amtsstuben-Parodie. Das wirft beängstigende Fragen auf. Ein Kommentar.

Der Mordanschlag auf zwei Kinder in Marxloh wäre zu verhindern gewesen. Keinen anderen Schluss lassen die Berichte aus den Ministerien zu. Daraus ergibt sich auch die beängstigende Frage: Können Beamtinnen und Beamten verschiedener Strafverfolgungs- und Justizbehörden sich nicht mal, wenn’s eilig ist und gefährlich wird, auf kurzem Dienstweg verständigen?

Vom 8. Januar bis zum 29. Februar hat es gedauert, bis gegen den polizeibekannten Gewalttäter, eine „Risikoperson“, nach der öffentlichen Ankündigung eines Mordes ein Dursuchungsbeschluss ausgestellt wurde. Schuld daran will offiziell niemand gewesen sein. Polizei Straubing, Staatsanwaltschaft Regensburg, Staatsanwaltschaft Duisburg und Amtsgericht Duisburg spielen Schwarzer Peter.

Bürokratismus vor Messer-Attacke in Duisburg- Marxloh: Wie in einer Amtsstuben-Parodie

Die meisten Menschen ohne Erfahrung in deutschen Strafverfolgungs- und Justizbehörden dürften sich in eine altertümliche Parallelwelt oder eine Amtsstuben-Parodie versetzt fühlen, wenn sie die Erklärungsversuche und Schuldzuweisungen lesen.

Philipp Wahl kommentiert den Bürokratismus der Strafverfolgungs- und Justizbehörden im Fall des Gefährders von Marxloh.
Philipp Wahl kommentiert den Bürokratismus der Strafverfolgungs- und Justizbehörden im Fall des Gefährders von Marxloh. © funkegrafik nrw | Marc Büttner

Gestritten wird über den Hinweis „EILT SEHR“ rechts oben auf der „Abgabeverfügung“ aus Bayern. Und über das „Deckblatt zur Übersendung“ und über Verzögerungen durch ein „unzutreffend erfasstes Aktenzeichen des Amtsgerichts“. Es wäre amüsant, hätten der Bürokratismus und das Kommunikationsdesaster nicht solch fatale Folgen gehabt.

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So aber ist es nicht zu fassen. Bei aller Dankbarkeit für die Gewaltenteilung in unserem Land, bei allem Respekt für ordentliche Verfahren und Dienstwege und im Wissen um die Arbeitsbelastung von Ermittlern und Richtern – es ist trotzdem nicht zu verstehen!

Wenn am Ende doch alle Beteiligten der Ansicht waren, dass in Marxloh eine Zeitbombe tickt, warum gab es dann an den entscheidenden Stellen keinen direkten Austausch – kein Gespräch, kein Telefonat und keine E-Mail?

Ebenfalls nicht nachvollziehbar: Warum weiß die Polizei in Bayern nichts davon, wenn die Polizei in NRW einen Mann als „Person mit Risikopotenzial“ einstuft? Warum erfährt die Polizei in Duisburg nicht von den Kollegen in Bayern, dass dieser Gefährder öffentlich einen Mord ankündigt? Liegt es nur an den bekannten Defiziten bei Digitalisierung und Vernetzung oder haben hier zu viele Staatsdiener auf einmal gepennt?

Antworten sind von der Dienstaufsicht wohl leider nicht zu erwarten.