Duisburg. Zum 13. mal erinnert Duisburg an die Opfer der Loveparade-Katastrophe. Warum der Gedenktag für Hinterbliebene und Traumatisierte so wichtig ist.

Die Eltern von Jan-Willem sind da, die Mutter von Christian, die Mutter von Giulia, der Mann von Jian Liu. Sie kommen aus Italien und China, den Niederlanden und Spanien, aus Münster und Duisburg. Sie sind da, obwohl auch der 13. Gedenktag für die Opfer der Loveparade-Katastrophe wieder Schmerz und Tränen bedeuten werden.

Sie sind aber auch da, weil sie hier unter Leidensgenossen sind. Zusammengewachsen in 13 Jahren der gemeinsamen Trauer, den Gedenktag in Duisburg gemeinsam begehend. So empfinden es Hermien und Wim van Helsdingen, die Eltern von Jan-Willem. „Ich will hier nicht hin, aber was soll ich an diesem Tag sonst tun?“, fragt die Mutter.

Gemeinsam mit den anderen kaufen sie an diesem Tag Blumen, gehen in die Andacht in der Salvatorkirche und lassen sich von einem Sonderbus zur Gedenkstätte fahren. Hier lassen sie sich herzen von den ehrenamtlich engagierten Duisburgern, die sie schon so lange begleiten, die zu Freunden wurden in dieser dunklen Zeit.

Loveparade-Gedenken in Duisburg: Gemeinsam ist man „weniger allein“

Für die 21 Todesopfer, für die über 600 Verletzten und Traumatisierten steht der Verkehr, das öffentliche Leben am Karl-Lehr-Tunnel still. Um 17 Uhr geht jeder einzelne Glockenschlag durch Mark und Bein. Für das niederländische Paar ist es der wichtigste Moment. Sie stehen da, Arm in Arm, an der Stelle, wo ihr Sohn starb, halten sich aneinander fest, finden Halt an dem, was ihnen geblieben ist.

Auch Gabi Müller, die ihren Sohn verlor, fühlt sich an der Rampe, gemeinsam mit den anderen Hinterbliebenen, „nicht so allein“. Christian sei zwar „real nicht mehr da, aber immer an meiner Seite“, sagt sie.

Immer im Juni komme die Wut langsam in ihr hoch, dass es keine Verantwortlichen gibt, niemand im Prozess verurteilt wurde. Ihr tut gut, dass sie mit anderen darüber reden kann. Hermien und Wim indes „haben gelernt, damit umzugehen, dass keiner verantwortlich gemacht wurde“.

Lehren aus der Katastrophe: Großereignisse besser planen

Wichtiger sei ihnen, dass Deutschland durch die Katastrophe gelernt habe, Großereignisse anders zu planen. Festivals mit tödlichem Ausgang in Spanien oder Südkorea hätten gezeigt, dass schlecht koordinierte Menschenmengen auch weiterhin zu „schrecklichem Leid führen können“. Der Gedenktag sei daher auch wichtig, um jene jungen Menschen, die heute auf Festivals gehen, an die Gefahren zu erinnern. „2010 waren sie ja noch viel zu klein“, sagt Hermien van Helsdingen.

Wohl nur Beteiligte und Betroffene, Ältere eben, werden an diesem Montag zusammengezuckt haben, als sie in den Berichten über das Parookaville-Festival von Rampen vor der Hauptbühne lesen, auf denen sich das Publikum staute, es zum Gedränge kam. In Duisburg war das damals der Anfang vom Ende.

Anja Lerch hat die Gedenkfeier für die Opfer der Loveparade-Katastrophe bewegend mitgestaltet, unter anderem mit einer Interpretation von „Amazing Grace“.
Anja Lerch hat die Gedenkfeier für die Opfer der Loveparade-Katastrophe bewegend mitgestaltet, unter anderem mit einer Interpretation von „Amazing Grace“. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Mit der Gedenkstätte übernimmt die Stadt Duisburg Verantwortung

In seiner Ansprache betonte Dr. Jürgen Thiesbonenkamp, ehemaliger Leiter der Kindernothilfe und im Beirat der Stiftung Duisburg 24.7.2010, dass die Gedenkstätte an der Rampe ein Ort ist, „an dem die Stadt Duisburg zeigt, dass sie bereit ist, Verantwortung zu übernehmen für die Folgen der Katastrophe“. Ein Ort auch, den man aushalten müsse.

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Die Vandalismusschäden der letzten Zeit zeigen, dass das nicht jeder kann. „Es ist wichtig, dass wir ein Auge darauf haben und die stille Würde des Ortes wiederherstellen“, betont Thiesbonenkamp. „Dieser Ort gehört zu Duisburg, er steht dafür, dass Trauer und Schmerz heilen können.“ Von diesem Abend erhofft er sich, dass die Betroffenen „von stillem Gedenken ermutigt nach Hause fahren werden“. Und sich alle im nächsten Jahr wieder sehen: zum 14. Gedenktag am 24.7.2024, um 17 Uhr, zum Schlag der Glocken.

Dr. Jürgen Thiesbonenkamp legt an der Gedenkstätte Blumen für die Opfer der Loveparade-Katastrophe nieder.
Dr. Jürgen Thiesbonenkamp legt an der Gedenkstätte Blumen für die Opfer der Loveparade-Katastrophe nieder. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

>>DIE LOVEPARADE-KATASTROPHE

  • Bei der Loveparade am 24. Juli 2010 kam es im Tunnel an der Karl-Lehr-Straße zu einer Massenpanik. 21 junge Menschen aus sieben Ländern starben, über 600 wurden verletzt, traumatisiert.
  • Die Katastrophe hatte viele Auswirkungen. So wurde der damalige Oberbürgermeister Adolf Sauerland per Bürgerentscheid abgewählt. Veranstaltungen in Deutschland unterliegen seither deutlich höheren Sicherheitsanforderungen.
  • Ein Prozess gegen zehn Angeklagte begann nach Querelen um ein Gutachten mit deutlicher Verzögerung erst 2017 und endete 2020 ohne Urteil – kurz vor der Verjährung.