Duisburg. Zehn Jahre nach der Loveparade-Katastrophe bekam Hanhui Huang endlich Schmerzensgeld. Aber nicht alles. Warum er jetzt seinen Anwalt verklagt.
Kurz nach dem 13. Jahrestag der Loveparade-Katastrophe muss sich erneut ein Gericht mit einer Anklage aus dem Kontext befassen. Hanhui Huang, dessen Frau Jian Liu bei der Techno-Parade in Duisburg ums Leben kam, verklagt seinen ehemaligen Rechtsanwalt*, weil dieser nicht alle Schmerzensgelder an ihn weitergeleitet haben soll.
Der Rechtsanwalt hatte für Huang und seinen Sohn Zhenyu Schadensersatz-Ansprüche geltend gemacht: Zum einen beim Haftpflichtversicherer des Veranstalters Lopavent, der Axa-Versicherung, und zum anderen beim Hilfsfonds des Landes NRW. Rund 200.000 Euro flossen daraufhin im November 2020 treuhänderisch auf das Fremdgeldkonto des Anwalts. In China kamen aber nur rund 155.000 Euro an.
Nach Loveparade: Anwalt behält Teil des Schmerzensgeldes ein
Der beklagte Anwalt begründet das damit, dass ihm weitere Kosten entstanden seien: Er habe von Huang und seinem Sohn ein neues Mandat bekommen, um weiteren Schadensersatz in Millionenhöhe einzuklagen. Er habe die beiden zwar auf „fragliche Erfolgsaussichten“ hingewiesen, dann aber eine Klageschrift verfasst. Somit seien seine Honorarforderungen noch offen.
In einem Brief, der der Redaktion vorliegt, erklärte der beklagte Anwalt der Familie Huang jedoch, dass man das Angebot der Axa-Versicherung annehmen solle und einen Teil der Summe darauf verwenden könne, „weitere Ansprüche gegen das Land NRW, als Dienstherr der Polizei, geltend zu machen und zu prüfen, ob gegebenenfalls Ansprüche gegen einen Rentenversicherer und die Firma Huawei Deutschland bestehen.“ Huangs Frau war bei Huawei in Düsseldorf beschäftigt.
Keine Rechnungen, keine Klageschrift
Huang betont, dass ihm weder eine Klageschrift vorliegt noch Honorarrechnungen. Deshalb fordert er die restlichen knapp 45.000 Euro seit über einem Jahr vergebens ein. Die Stiftung Duisburg 24.07.2010, die die Opfer und Hinterbliebenen der Loveparade-Katastrophe unterstützt, hat für eine Klage Rechtsanwalt Dirk Grotstollen gewinnen können. Der Ruhrorter betont, dass er vor der Einreichung der Klage noch explizit beim Kollegen nachgefragt habe, ob er nicht doch Belege nachreichen könne, um einen Prozess zu verhindern.
„Ich verklage ja ungern Kollegen“, sagt Grotstollen, er sei auch der letzte, der sagt, dass ein Anwalt sein Geld nicht bekommen soll, „aber dafür gibt es Spielregeln“. Der Beklagte habe bis heute nichts vorgelegt. Im Übrigen seien die ersten Honorarkosten des Anwalts parallel zu der Schadensersatzzahlung von der Axa direkt beglichen worden.
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„Ich bedauere, das Mandat angenommen zu haben“
Die Parteien treffen sich also in der kommenden Woche vor dem Landgericht in Wuppertal. Grotstollen bedauert es, dass die Hinterbliebenen nach so vielen Jahren noch solche Prozesse führen müssen. Huang selbst reist für die Gedenkfeier am 13. Jahrestag und den Prozess an. Er findet, dass Anwälte sich „an berufsethische Grundsätze halten“ müssten, weil sie ihren Klienten sonst „großen Schaden“ zufügen würden.
Der Beklagte fühlt sich auf Nachfrage allerdings im Recht. Würde er das restliche Geld nach China überweisen, wäre es weg und er könnte seine Forderungen nicht mehr geltend machen. Sollte er wider Erwarten nach dem Prozess zahlen müssen, werde er in die nächste Instanz gehen. „Ich bedauere, das Mandat angenommen zu haben. Es ist rufschädigend und kostet mich richtig Geld.“
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Kein anwaltliches Pfandrecht
Eine rechtliche Grundlage für das Festhalten von Geldern gibt es so nicht: Es gibt kein Pfandrecht für Anwälte. Summen, die sie für ihre Mandanten erstreiten, müssen auf einem gesonderten Konto lagern und zeitnah weitergeleitet werden.
*Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nennen wir den Namen des Beklagten vor Prozessbeginn nicht.
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>>DER LOVEPARADE-PROZESS
- 2014, vier Jahre nach der Katastrophe, wurde Klage erhoben gegen zunächst zehn Beschuldigte, darunter Mitarbeiter der Stadt Duisburg und des Veranstalters Lopavent.
- Der Mammutprozess begann 2017, wegen des erwarteten großen öffentlichen Interesses tagte das Landgericht Düsseldorf in einer Messehalle. Nach über 180 Verhandlungstagen wurde das Verfahren kurz vor der Verjährung eingestellt.