Duisburg. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat in Duisburg mit Clan-Ermittlern gesprochen. Welche Hürden den Kampf gegen die Großfamilien erschweren.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sucht beim Thema Clan-Kriminalität derzeit häufig den Weg an die Öffentlichkeit: Nach eigenem Bekunden möchte sie den Druck auf die organisierte Kriminalität noch einmal erhöhen, wenn nötig auch Vorgaben ändern. Erfahrungen aus dem Alltag holte sie sich nun in Duisburg.
Die Polizeiwache Hamborn an der August-Thyssen-Straße im Norden der Stadt: Hinter den Backsteinmauern des historischen Gebäudes sitzt die Polizeiinspektion 1 Nord – und auch ein Kommissariat, in dem Experten im Kampf gegen die organisierte Kriminalität ermitteln.
Die direkte Umgebung ist an diesem Freitagnachmittag ruhig. Es herrscht wenig Verkehr, die Anwohner kümmern sich um ihre gut gepflegten Balkone. Doch der Duisburger Norden kann auch anders: Nur gut 900 Meter Fußweg von der Polizeiwache entfernt standen sich im Mai 2022 bei der Schießerei auf dem Hamborner Altmarkt Mitglieder der Hells Angels und des türkisch-libanesischen Saado-Demir-Clans gegenüber. Es soll ein Streit um eine Schutzgeldzahlung für ein Lokal im Umfeld des Altmarkts eskaliert sein. Die Kriminalitätsbelastung in den umliegenden Stadtteilen ist hoch.
Faeser zur Videobeobachtung in Marxloh: „Eine sinnvolle Maßnahme“
Über 70 kriminelle Clans beobachtet die Polizei in Duisburg. Viele von ihnen sind hier im Stadtnorden zuhause. Mächtige Familienbosse leben hier. Ihre „Soldaten“ sind längst nicht nur im Drogenhandel tätig. Geschäftszweige sind auch Investitionen in Immobilien und Gewerbe.
Nancy Faeser und ihr Parlamentarischer Staatssekretär, der Duisburger Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir, wollten bei ihrer Tour durch die Region unbedingt in diesem Arbeitsumfeld Halt machen. In der Polizeiwache, die baulich keinesfalls auf dem neusten Stand ist. In der die Besprechungszimmer eng und eher schmucklos sind. In der die Ermittler aber wichtige Erkenntnisse zu den kriminellen Machenschaften sammeln.
Faeser lässt sich herumführen, schaut sich die Bildschirme an, auf die denen die Videobeobachtung vom Pollmankreuz in Marxloh übertragen wird. 19 Kameras fangen dort aus mehreren Blickwinkeln das Geschehen ein. „Es ist eine sinnvolle Maßnahme, um die Kriminalität an Hot-Spots einzudämmen. Die Einsatzkräfte können schneller agieren“, sagt Faeser.
Duisburgs Polizeipräsident Alexander Dierselhuis pflichtet ihr bei, die Zahl der Straftaten in dem Bereich sei seit der Einführung 2017 dauerhaft gesunken. Er sagt aber auch: „Die Videobeobachtung ist personalintensiv.“ Denn die Polizei muss laut Landespolizeigesetz sicherstellen, dass sie im Fall der Fälle unverzüglich eingreifen kann. Drei Videobeobachter arbeiten in der Hamborner Wache.
Bundesinnenministerin sammelt Hinweise zur Bekämpfung von Clan-Kriminalität
Im Gespräch zwischen den Polizisten und der Innenministerin wird schnell deutlich, dass es auch Gesetze sind, die den Beamten beim Kampf gegen die Clans die Arbeit erschweren. Ein Beispiel: Grundbuch-Einsicht dürfen sie nur in Nordrhein-Westfalen bekommen. Sie können also nicht so einfach herausfinden, ob Personen auch noch Objekte in anderen Bundesländern besitzen. „Das muss ich mit dem Justizminister besprechen. Das ist ein wichtiger Punkt“, kommentiert Faeser.
Viele solcher Hinweise notiert sie sich in ihrer Kladde, möchte sie in Berlin in den zuständigen Ministerien platzieren. Was den Austausch mit der Duisburger Polizei für die Bundesinnenministerin auch reizvoll macht: Mit Alexander Dierselhuis leitet ein anerkannter Experte im Kampf gegen die organisierte Kriminalität die Behörde. Bundesweit ist der Sicherheitsexperte als Referent gefragt. Für die SPD-Politikerin ist er also ein spannender Ansprechpartner, denn es fällt auf, dass sie in diesen Tagen möglichst viel Input über Clankriminalität, Geldautomatensprenger und Menschenhändler sammeln möchte.
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Sollen diese Informationen sie im Wahlkampf um den hessischen Landtag nach vorne bringen? „Vieles könnte man sicherlich auch in Frankfurt anwenden“, sagt die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten zum Abschluss des 45-minütigen Besuchs. Dann steigt sie wieder in ihre schwarze Dienstlimousine und fährt weiter.
>>Die Wurzeln der Familie Faeser liegen auch in Duisburg
- Die Nacht vor ihren dienstlichen Terminen verbrachte Nancy Faeser bereits in Duisburg. Was viele nicht wissen: Zahlreiche Verwandte der Bundesinnenministerin leben in der Stadt
- Ihr Vater, Horst Faeser, wuchs in Duisburg auf und arbeitete hier auch als Kommunalbeamter. In den 1960er-Jahren zog er dann nach Hessen. Nancy Faeser wurde 1970 in Bad Soden am Taunus geboren.