Duisburg. Für die Waldorfschule in Duisburg prüft die Bezirksregierung nach Entzug der Genehmigung jetzt trotz Klage eine „sofortige Vollziehung“.

Sogar die Polizei stand vor der Tür, als die Ganztags-Waldorfschule Duisburg mit Sicherheitskräften ihre Mitgliederversammlung abhielt. Wie berichtet, hat die Bezirksregierung der Schule zum Ende des Schuljahres die Genehmigung entzogen, seither liegen die Nerven blank. Die Sichtweisen auf die Ereignisse und Entscheidungen sind allerdings höchst unterschiedlich.

Alexander Stief aus dem Vorstand berichtet auf Nachfrage, dass die Versammlung von einem starken Gefühl der Solidarität und Unterstützung gekennzeichnet gewesen sei. „Es wurde deutlich, dass die Elternschaft geschlossen hinter den Entscheidungen und dem Kurs der Schule steht“, so der Vater eines Zweitklässlers. Einstimmig habe man entschieden, die Berufung gegen das Urteil zur Schulschließung „voll und ganz zu unterstützen. Dieser Beschluss unterstreicht den festen Willen der Elternschaft, für den Fortbestand der Waldorfschule zu kämpfen“, schreibt Stief.

Viele Eltern hätten aber auch Angst vor einer möglichen Schließung. Die Waldorfschule habe „eine herausragende Bedeutung für Duisburg, insbesondere in der aktuellen, überforderten und überfüllten Bildungslandschaft, in der Kinder oft nicht ganzheitlich gesehen werden“.

Im Interview Ende März erklärte Alexander Stief, die Waldorfschule in Duisburg sei für seinen Sohn ein „safe space
Im Interview Ende März erklärte Alexander Stief, die Waldorfschule in Duisburg sei für seinen Sohn ein „safe space". Die Bezirksregierung Düsseldorf empfiehlt allerdings allen Eltern, einen neuen Schulplatz für ihre Kinder zu suchen. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Waldorfschule Duisburg: Eltern kennen Gründe für Schließungspläne nicht

Ganz so friedlich und einig scheint die Versammlung aber nicht gewesen zu sein. Ein Mitglied, das zuvor Kritik geübt hatte an den Vorgängen in der Schule, wurde „mit Jubel und Applaus“ aus dem Verein gewählt, wie einige Eltern schockiert berichten. Ihre Namen wollen sie nicht nennen, weil sie Nachteile für ihre Kinder fürchten.

Sie bedauern, die Schließungspläne aus der Presse erfahren zu haben und immer noch nicht im Detail zu wissen, warum die Bezirksregierung die Schule schließen will. Die Mitgliederversammlung sei dazu nicht genutzt worden. Angeblich gehe es lediglich um zwei fehlende Lehrkräfte, für die derzeit offensiv geworben wird.

Bezirksregierung: Waldorfschule fehlen Lehrer in Mathe, Bio, Deutsch und anderen Bereichen

Dem widerspricht die Bezirksregierung, das Kollegium sei deutlich unvollständiger: „Nach der letzten Übersicht des Schulträgers werden z.B. für die Jahrgangsstufen 1-8 lediglich zwei Lehrkräfte mit abgeschlossener waldorfspezifischer Klassenlehrerausbildung und einer unbefristeten Unterrichtsgenehmigung eingesetzt.“

In Biologie sei eine qualifizierte Lehrkraft benannt, die aber nur fünf Unterrichtsstunden erteilen soll. So sieht es auch in Mathematik aus, zudem ist die Lehrkraft der Bezirksregierung unbekannt, betont eine Sprecherin. Im Fach Deutsch werde nur eine Lehrkraft genannt, die aktuell über keine unbefristete Unterrichtsgenehmigung verfüge. „Auch in anderen Bereichen fehlt es an hinreichenden qualifizierten Lehrkräften“, macht die Sprecherin deutlich.

„Den Eltern wird dringend empfohlen, für das kommende Schuljahr einen Schulplatz an einer anderen Schule zu suchen.“ Das Schulamt und die Bezirksregierung würden dazu ihre Unterstützung anbieten.

Bezirksregierung prüft die sofortige Aufhebung der Genehmigung

Die Sprecherin der Bezirksregierung bestätigt, dass der Trägerverein der Waldorfschule gegen die Aufhebung der Genehmigung geklagt hat. Theoretisch habe diese Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Praktisch werde aber eine Anordnung zur sofortigen Aufhebung der Betriebsgenehmigung geprüft, wozu der Schulträger befragt werde.

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Das sei dem Schulträger zum Zeitpunkt der Mitgliederversammlung in der Vorwoche bereits bekannt gewesen, sagt die Düsseldorfer Sprecherin.

„Wenn die Bezirksregierung nach der Anhörung die sofortige Vollziehung anordnet, hat die Klage des Schulträgers gegen den Aufhebungsbescheid keine aufschiebende Wirkung mehr.“ Die Schule wäre also auch dann zum 31.07.2023 Geschichte, wenn das gerichtliche Hauptsacheverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist.

Rechtlich gebe es für den Trägerverein dann nur noch eine Möglichkeit: Bei Gericht könne er beantragen, dass zumindest die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederhergestellt wird. In solchen Fällen erfolge eine zügige Entscheidung der Gerichte, so die Sprecherin.

Bildungsdezernentin: Stadt Duisburg prüft Folgenutzung der Schulgebäude

Bildungsdezernentin Astrid Neese bedauert die Situation der Eltern und Schüler „außerordentlich. Auch wenn es sich nicht um eine Schule in städtischer Verantwortung handelt, werden wir nun zusammen mit der Schulaufsicht der Bezirksregierung, die die Schüler zuzuweisen hat, nach Lösungen suchen“. Durch Flucht und Migration sind allerdings die Schulplätze in Duisburg nach wie vor ein knappes Gut, betont die Beigeordnete.

Als Eigentümerin des Gebäudes der Waldorfschule werde die Stadt Duisburg eine Folgenutzung als Schulraum anstreben und kommt damit ihrer Verpflichtung, Schulraum zu schaffen, nach.

Laut Pressestelle der Stadt Duisburg geht es um 150 Schülerinnen und Schüler mit einer Wohnadresse in Duisburg quer durch alle Jahrgangsstufen, von Klasse 1 bis 11.

Das sagt der Bund der Freien Waldorfschulen:

Die Kommunikation mit der Schule sei „sehr spärlich“, sagt Nele Auschra vom Bund der Freien Waldorfschulen. Dieser ist vor anderthalb Jahren schon mal vor Gericht gezogen, um die Duisburger Waldorfschule aus dem Bund auszuschließen. Das endete mit einem Kompromiss (wir berichteten). Geplant war jetzt ein neues Verfahren, das liegt aktuell aber auf Eis, sagt Sprecherin Nele Auschra: Während des laufenden Verfahrens zum Genehmigungsentzug wolle man kein neuerliches Ausschlussverfahren auslösen. Nach Abschluss werde man neu entscheiden.

Die umliegenden Waldorfschulen seien informiert und um Unterstützung gebeten worden, weil dem Bund die Beschulung der Schülerinnen und Schüler „sehr am Herzen liegt“, so Auschra. „Es ist im Interesse des Bundes der Freien Waldorfschulen, dass an gut organisierten Schulen gut ausgebildete Lehrkräfte unterrichten. Hierfür stellen wir jede mögliche Unterstützung zur Verfügung. Diese muss jedoch aktiv angenommen werden.“