Duisburg. Für zugewanderte Kinder gibt es eine neue Möglichkeit, zur Schule zu gehen: Zwei Orte der Erstförderung sind in Duisburg gestartet.
Der Mangel an Schulplätzen in Duisburg hat im letzten Jahr bundesweit Schlagzeilen gemacht. Abhilfe schaffen jetzt zum Teil sogenannte „Orte der Erstförderung“: Hier werden seit wenigen Wochen 220 Kinder und Jugendliche unterrichtet. Binnen zwei Jahren sollen die zur Hälfte aus der Ukraine und zur Hälfte aus 20 anderen Nationen wie Brasilien, Bulgarien, Schweden oder dem Irak stammenden Schüler Deutsch lernen und dann an andere weiterführende Schulen vermittelt werden.
Die Orte der Erstförderung sind als Dependance des Landfermann-Gymnasiums an der ehemaligen Hauptschule Gneisenaustraße und als Zweigstelle der Karl-Lehr-Realschule an der Kranichschule in Wanheimerort eingerichtet worden. Jeweils ein Dutzend Lehrerinnen und Lehrer wurden von anderen Schulen abgeordnet, um hier zu unterrichten.
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Orte der Erstförderung für zugewanderte Kinder und Jugendliche
Wie besonders diese Lösung ist, zeigt die Gästeliste des Pressetermins: Die Bezirksregierung ist vertreten, die Bildungsdezernentin und der Schulamtsleiter, der Oberbürgermeister und Ratsmitglieder.
Für die Stadt Duisburg sei es wichtig, kreative Lösungen zu finden, damit Schüler schneller ihren Weg finden, sagte die Beigeordnete Astrid Neese. Hier könne man Erfahrungen sammeln, wie lange eine Erstförderung je nach Ausgangsvoraussetzung des Kindes dauern muss, hier könne man experimentieren.
Durch den Start an den Orten der Erstförderung hat sich statistisch die Situation in Duisburg verbessert: Nach Angaben von Stadtsprecherin Gabi Priem waren zum 18. April noch 217 Kinder der Jahrgänge 5-10 ohne Schulplatz. „Über alle Altersstufen hinweg befinden sich 294 Kinder im Beratungsprozess.“
Ausnahmesituation verlangt flexiblere Maßnahmen, sagt OB Sören Link
OB Sören Link betonte, dass man sich mit Blick auf den Mangel an Schul- und Kitaplätzen „von hehren Vorstellungen temporär verabschieden muss“. Die Flüchtlingszahlen würden absehbar weiter steigen. In so einer Ausnahmesituation sei er bereit, „auf gewisse Anforderungen zu verzichten“.
Es müsse einfacher möglich sein, Seiteneinsteiger zu verpflichten oder Menschen für bestimmte schulische Aufgaben zu qualifizieren. „Duisburg hat über 7000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen, das macht mich stolz“, so der OB.
Kinder bringen sehr unterschiedliches Vorwissen mit
Das Vorwissen der Kinder sei sehr unterschiedlich, die Bandbreite enorm: Manche Kinder haben das Abitur zum Ziel, andere müssten erst alphabetisiert werden, berichten die Lehrer rund um Ulrich Stein, den pädagogischen Leiter der Dependance in Neudorf. Grundsätzlich sei das neue Angebot eine Möglichkeit, behutsam in das deutsche Schulsystem einzusteigen.
Aktuell liege der Fokus darauf, als gemeinsame kommunikative Grundlage Deutsch zu lernen, so Stein. Das könne man schlecht fünf Stunden am Stück machen, es gebe allerdings wenig Abwechslung. „Wenn das Konzept komplett umgesetzt werden soll, müssten Lehrer für Mathe, Englisch, Natur- und Gesellschaftswissenschaften zur Verfügung stehen.“
Die abgeordneten Lehrer stehen zunächst nur bis zu den Sommerferien zur Verfügung, weitere Projektstellen sind ausgeschrieben. Gesucht wird etwa eine Psychologin oder ein Psychologe, um den jungen Menschen das Ankommen zu erleichtern, Traumata bewältigen zu helfen, sagt Christof Haering vom Landfermann. Bis dahin wird mit der schulpsychologischen Beratungsstelle kooperiert.
Gesamtschulen mit Seiteneinsteigerklassen „vollgemacht“
Im letzten Jahr war es nicht immer einfach zwischen Duisburg und Düsseldorf. Schon nach den Herbstferien sollte die Erstförderung starten, doch das scheiterte an einem Hickhack aus Zuständigkeiten und Genehmigungsverfahren. Thomas Hartmann, Direktor der Schulabteilung der Bezirksregierung erklärt, dass man sich beim pädagogischen Konzept erst habe „zurecht ruckeln müssen“.
Da man bereits die Gesamt- und Sekundarschulen mit Seiteneinsteigerklassen „so vollgemacht hat, dass nichts mehr ging“, habe geklärt werden müssen, wohin die Schüler der Erstförderung in zwei Jahren kommen, so Hartmann. Bei der Genehmigung der zweiten Dependance an der Kranichschule sei es dafür „richtig schnell gegangen, von hinten betrachtet hat es sich gelohnt“.
Für die 100 Kinder in Neudorf in jedem Fall. In den Vitrinen vergilben Klassenfotos der ehemaligen Hauptschule Gneisenaustraße, der Stundenplan von 2018 hängt noch aus. Aber erste neue Kunstwerke mischen sich unter die Reste aus alten Zeiten. Der WC-Trakt ist über alle Etagen mit Spanplatten abgedichtet, ein Toiletten-Container überbrückt die Bauarbeiten. Auch die Sporthalle ist noch nicht nutzbar.
Aber das Immobilienmanagement Duisburg (IMD) ist dran, die Baustelle in Arbeit. Weitere 24 Schulbauprojekte seien stadtweit geplant, sagt Schulamtsleiter Ralph Kalveram. In zwei Jahren werde sich die Situation bei den Schulplätzen entschärfen.
>>Schulstatistik
Laut Statistik des NRW-Schulministeriums sind in Duisburg 3630 Schülerinnen und Schüler in der Erstförderung, darunter 819 aus der Ukraine. Die Stadt ist damit im Regierungsbezirk Düsseldorf Spitzenreiter.
Insgesamt sind hier 25.233 Kinder und Jugendliche in der Erstförderung, darunter 10.287 aus der Ukraine.