Duisburg. An den Waldorfschulen in den Nachbarstädten häufen sich jetzt die Anfragen. So geht es nach dem Aus für die Waldorfschule in Duisburg weiter.

Atemlos und wütend, fassungslos und traurig, die Anrufe und Mails von Eltern der Waldorfschule Duisburg sind hochemotional. Über unsere Redaktion erfuhren sie vom Aus der Schule, vom Entzug der Betriebsgenehmigung durch die Bezirksregierung.

Erst nach der Veröffentlichung informierten die Vorstände von Träger- und Förderverein die „Mitglieder*innen der Waldorfschule“ am Freitag um 21.17 Uhr darüber, dass die Genehmigung entzogen wurde. Es sei erklärtes Ziel, alle „bestmöglich zu informieren“, „Unannehmlichkeiten“ würden sie bedauern.

Vorstände der Waldorfschule Duisburg kündigen Berufung an

Gegen das Urteil habe man Berufung eingelegt, um Fristen einhalten zu können. Details wolle man auf einer Mitgliederversammlung am 10. Mai erläutern. Die vier Unterzeichnenden seien zuversichtlich, „dass wir die Auflagen erfüllen und die Schule erfolgreich weiterführen können“. Mit dem Schreiben wolle man „ein Gefühl der Zuversicht und Sicherheit vermitteln“, schreiben die Vorstände, darunter die Geschäftsführerin Christine Kramer und ihr ebenfalls an der Schule unterrichtender Sohn Benjamin Kramer.

Gegen die beiden ermittelt die Staatsanwaltschaft Duisburg seit dem vergangenen Sommer, unter anderem wegen des Verdachts der Veruntreuung von Geldern. Und tut es auch immer noch, wie eine Sprecherin auf Nachfrage erklärte. Wie berichtet, wurde bei einer Razzia in der Schule und in privaten Wohnungen umfangreiches Datenmaterial gesichert.

Viele Eltern sauer über die späte Kommunikation der Waldorfschule

Eine Mutter schreibt, dieses Vorgehen sei „Wahnsinn! Wir sind zahlende Mitglieder und kriegen als letzte mit, was los ist.“ Ein Vater beklagt, dass er schon länger eine schlechte Kommunikation erlebe und der Schule nun endgültig den Rücken kehren wolle. Eine Familie sagt, sie sei regelrecht erleichtert, weil jetzt für sie klar sei, wohin die Reise geht: an eine andere Schule.

[Duisburg-Newsletter gratis abonnieren + Seiten für Duisburg: Blaulicht-Artikel + MSV + Stadtteile: Nord I Süd I West + Themenseiten: Wohnen & Immobilien I Gastronomie I Zoo]

Das Schulamt Duisburg lässt über die Bezirksregierung ausrichten, dass man die Eltern von Schülern der Primarstufe auf Wunsch unterstützen werde, eine neue Schule zu suchen, die nach den Sommerferien besucht werden könne. Eine Sprecherin der Bezirksregierung erklärt, dass sich die Eltern aller Schülerinnen und Schüler an die untere bzw. obere Schulaufsicht wenden können, um die weitere Schullaufbahn der Kinder sicherzustellen.

Welche Schulen die Eltern wählen bzw. welche Schulen entsprechende Plätze anbieten können, werde aktuell geklärt. Die Bezirksregierung geht von 180 Schülern aus, die umverteilt werden müssen.

Noch bis zu den Sommerferien können die verbliebenen Kinder der Waldorfschule Duisburg lernen und auf dem Schulhof kicken. Dann läuft die Genehmigung aus.
Noch bis zu den Sommerferien können die verbliebenen Kinder der Waldorfschule Duisburg lernen und auf dem Schulhof kicken. Dann läuft die Genehmigung aus. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Lehrer ohne ausreichende Qualifikation

An der Waldorfschule gebe es weder genug Lehrkräfte mit einer Lehramtsbefähigung oder einer Unterrichtsgenehmigung noch Klassenlehrer mit einer Unterrichtsgenehmigung für waldorfspezifische Fächer, heißt es aus Düsseldorf. Die vorhandenen Lehrkräfte haben einen Arbeitsvertrag mit dem Schulträger, also dem aus Eltern, Lehrern und der Geschäftsführerin bestehenden Trägerverein.

Sie stehen nicht in einem Dienstverhältnis zum Land NRW, betont die Sprecherin der Bezirksregierung. Falls das Personal nicht an einer anderen Ersatzschule weiterbeschäftigt werden könne, werde geprüft, ob eine „zumutbare Unterbringung auf freien Stellen an öffentlichen Schulen“ möglich ist, sofern entsprechende Qualifikationen vorliegen. Dies ergibt sich aus Paragraf 111 zu den „Folgelasten aufgelöster Schulen“.

Waldorfschulen in Moers und Mülheim offen für Kinder aus Duisburg

An der Waldorfschule Moers wurden im Laufe des Jahres bereits eine Handvoll Schüler aus Duisburg aufgenommen, sagt ein Sprecher. Als einzügige Schule habe man aber nicht unbegrenzt Kapazitäten. Während die Waldorfschule Dinslaken sich nicht äußern möchte, erklärt sich Britta Dressel-Vogel von der Waldorfschule Mülheim „solidarisch mit den Eltern und Schülern“. Es kämen derzeit „sehr viele“ Anfragen. Die zweizügige Schule werde in den Gremien besprechen, wie viele Aufnahmen möglich seien. „In den Klassen über die Grenzen zu gehen, tut niemandem gut.“

Auch interessant

Ähnlich äußert sich Fabian Theiß, der Leiter der Globus-Gesamtschule. Auch hier seien bereits eine Handvoll Schüler aufgenommen worden, seine Kapazitäten seien damit erschöpft. Vom Alter her könnten die Schüler teilweise auch für ein Berufskolleg in Frage kommen. Wenn die umliegenden Waldorfschulen nicht einspringen, liege der Schwerpunkt wohl bei den Gesamt- und Sekundarschulen.

Sonderpädagogischer Förderbedarf der Inklusionskinder ist offen

Ein großes Problem stellt sich den Eltern von inklusiven Kindern, die auf eine Schule des Gemeinsamen Lernens oder eine Förderschule wechseln müssen. Schulformsprecher Torsten Marienfeld betont, dass „die Schulaufsicht entscheiden muss, in welchem der überlasteten Systeme sie die Kinder unterbringen will“. Das sei aber jetzt schon zu eng gestrickt.

Die Bezirksregierung weiß nicht, wie viele Schülerinnen und Schüler überhaupt Inklusionskinder sind und welcher Bedarf an sonderpädagogischer Förderung besteht. Das werde aktuell erhoben, berichtet die Sprecherin: „Die Rechtsvertretung des Schulträgers hat dazu trotz Aufforderung bisher keine Informationen übermittelt.“ Auch auf Anfragen dieser Redaktion zur aktuellen Situation reagierte die Geschäftsführerin der Waldorfschule nicht.

>>ABSCHLÜSSE FÜR DIE JAHRGANGSSTUFE 11

  • Die Bezirksregierung erklärt zwar, dass nicht genug Lehrkräfte im ausreichenden Umfang qualifiziert sind.
  • Die Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen könnten in diesem Schuljahr aber Abschlüsse nach den für Waldorfschulen üblichen Voraussetzungen erwerben. Details regelt das Schulgesetz.
  • Nach Klasse 10 oder 11 können Jugendliche an Waldorfschulen einen dem Hauptschulabschluss gleichwertigen Abschluss erwerben, nach Klasse 11 außerdem auch die Fachoberschulreife.