Duisburg. Mit über 6 Millionen Euro könnten in Duisburg Hilfsbedürftige in Krisenzeiten unterstützt werden. Warum der Großteil zurückgezahlt werden muss.

Stell Dir vor, du könntest in Duisburg über 6,5 Millionen Euro für Hilfebedürftige einsetzen, scheiterst aber – wie in vielen anderen Städten – an den Fristen und Bedingungen des Landes NRW. Genau das passiert in diesen Wochen und der Frust bei den Trägern ist groß.

Mit einem 150 Millionen Euro schweren Stärkungspakt will das Land NRW „Gemeinsam gegen Armut“ angehen. Steigende Kosten bei Energie und Lebensmitteln bringe immer mehr Menschen in Not, erhöhe spürbar die Nachfrage bei kommunalen sozialen Infrastrukturen und mache diese Finanzspritze dringend erforderlich, schreibt das Sozial-Ministerium auf seiner Webseite.

Stärkungspakt NRW: Duisburg muss wohl 80 Prozent zurückgeben

Im Duisburger Sozial-Ausschuss erklärte Dezernentin Astrid Neese jetzt aber, dass trotz Werbung „eine Riesen-Summe Geld übrig bleibt“ von den exakt 6.588.205 Euro, die der Stadt zustehen und Anfang des Jahres überwiesen wurden. Stand jetzt müssen 80 Prozent, über 5,2 Millionen Euro, zurück ans Land fließen. Denn bislang liegen erst 31 Anträge vor, die zusammen 1,355 Millionen Euro umfassen, davon seien 711.000 Euro „ausgabebereit“, sagt Sozialamtsleiter Michael Fechner.

Sozialdezernentin Astrid Neese hofft, noch weitere Gelder aus dem Stärkungspakt in Duisburg nutzen zu können.
Sozialdezernentin Astrid Neese hofft, noch weitere Gelder aus dem Stärkungspakt in Duisburg nutzen zu können. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Seit dem 1. Januar stehen die Mittel bereit, bis zum 30. September müssten die Gelder verbindlich verplant oder gar verausgabt sein, so Neese. Dass das Ministerium auch den 30. Juni als Stichtag mit angedacht hat, erwähnt sie gar nicht erst. Nicht verplante Mittel sind „unaufgefordert bis spätestens 13. Oktober zurückzuzahlen“, schreibt Düsseldorf vor, inklusive fünf Prozent Zinsen. Um zumindest einen Teil dieser Gelder nutzen und Unterstützungsbedürftigen zukommen lassen zu können, lasse sich in der Kürze der Zeit nur auf bestehende Systeme setzen, so sei man sich auch beim Städtetag einig gewesen, sagt Neese. „An uns soll es nicht liegen.“

Beantragungsaufwand lastet auf Trägern

Das bedeutet, dass die Beantragungsarbeit an den Trägern von Suchtberatungseinrichtungen, Erwerbslosenzentren, Seniorentreffs, Kleiderkammern, Tafeln oder Begegnungsstellen hängen bleibt. Diese hätten aber kein zusätzliches Personal, um den Aufwand zu stemmen, bedauert die Beigeordnete.

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Mit den Trägern sei man in Kontakt, um bei der Antragstellung zu helfen oder um Gelder an Berechtigte weiterzuleiten. Das Dilemma sei gerade bei den Einzelfallhilfen, dass die Unterstützung nicht dazu führen dürfe, dass die Personen in Konflikt mit anderen Förderungen kommen. „Wir wollen nicht kriminalisieren“, sagt Neese, „das Geld muss legal in Anspruch genommen werden können“. Fechner ergänzt, dass Doppelförderungen explizit ausgeschlossen seien.

AG der Wohlfahrtsverbände: „Das Geld wird gebraucht“

Dirk Tänzler vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und zugleich Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, machte im Ausschuss deutlich: „Die Absicht ist sicher gut, das Geld wird gebraucht, aber unter diesen Rahmenbedingungen ist das kaum möglich.“ Viele Träger würden mit dem Geld gern arbeiten, man habe auch gemeinsam nach Lösungen gesucht, aber ohne positives Ergebnis. Gesucht werde jetzt nach Lücken im Regelsystem, um Maßnahmen fördern zu können, die etwa das Bürgergeld nicht abdeckt.

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Ihn ärgert, dass das Geld nicht nachhaltiger eingesetzt werden kann: „Der Verein Solidarität der Vielen zum Beispiel will künftig einen Foodtruck durch Hochfeld fahren lassen. Das ist doch eine Superidee. Aber am 31. Dezember macht er wieder dicht?“, fragt Tänzler. „Das ist doch Aktionismus! Projektitis!“ Das Geld könne besser in die Systeme gegeben werden.

Die Projektidee zum Foodtruck liegt derzeit zur Bewilligung vor, sagt Lena Wiese vom Verein, der schon länger vor Ort eine Armen- und Kinderküche anbieten will. So bald wie möglich und so lange wie möglich. Die Personal- und Materialkosten kann die Solidarität der Vielen aber nicht allein stemmen. Abgesehen davon: Die kurze Laufzeit wäre auch für Hochfeld bedauerlich, „gerade im Winter ist die Not doch noch größer“, so Wiese.

Dirk Tänzler, Geschäftsführer von Der Paritätische, würde die Landesmittel aus dem Stärkungspakt NRW gern nachhaltiger einsetzen.
Dirk Tänzler, Geschäftsführer von Der Paritätische, würde die Landesmittel aus dem Stärkungspakt NRW gern nachhaltiger einsetzen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Auch die Vorsitzende des Sozialhilfeausschusses, Andrea Demming-Rosenberg, bedauert, dass hier die Nachhaltigkeit fehlt: „Ich verstehe, dass die Träger zurückhaltend reagieren, wenn sie bis zum 31.9. alles fertig haben sollen und am 31.12. die Klappe schon wieder fällt.“ Denn gefördert werden ausschließlich jene Ausgaben, die 2023 anfallen.

„Das ist kein gutes Förderprogramm“, ergänzt Udo Horwat vom Diakoniewerk, „es ist zu eng gefasst, zu kurzfristig.“ Man sollte das Geld zurückschicken, um es vernünftig einsetzen zu können. Als Beispiel in diesen Krisenzeiten nennt er die „unterfinanzierte Schuldnerberatung“, die stärker nachgefragt werde und unterstützt werden müsse.

>>DER STÄRKUNGSPAKT NRW

  • Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW hat für 2023 ein 150 Millionen Euro schweres Stärkungspakt verabschiedet. Er soll die Folgen des russischen Angriffskrieges auf Energie- und Lebensmittelpreise abfedern.
  • Mit dem Geld sollen Überschuldung, Energiesperren und Wohnungsverlust vermieden werden.
  • Unterstütz werden können Einrichtungen der sozialen Infrastruktur. Über kommunale Verfügungsfonds oder Härtefallregelungen können Bürgerinnen und Bürger aber auch direkt unterstützt werden.
  • Das Ministerium informiert über Details auf seiner Webseite: www.mags.nrw/staerkungspakt-nrw
  • Das Amt für Soziales und Wohnen der Stadt Duisburg informiert ebenfalls im Internet: hwww.duisburg.de/allgemein/fachbereiche/staerkungspakt-nrw.php