Duisburg. Die Schule steht in der Kritik, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Eltern und Schüler schwärmen von ihr: Das ist die Duisburger Waldorfschule.
Die Ganztags-Waldorfschule in Hüttenheim ist die einzige Privatschule ihrer Art in Duisburg. Auf dem Gelände steht ein verschachteltes Ensemble aus Pavillons, maximal zweigeschossigen Bauten und vielerlei Spiel- und Tobeflächen. Ein Junge saust in seinem Rolli eine Rampe hinunter und mitten rein in die Pause auf dem Schulhof. Seine Freunde rennen gut gelaunt hinterher.
Auf den Schulhöfen – getrennt für die Kleinen bis Klasse 5 und für die Größeren bis Klasse 11 – wird Fußball und Basketball gespielt, ein paar Mädchen laufen mit Wasserpistolen herum. Die Kinder verteilen sich großflächig auf dem Gelände, das auch Platz hat für einen Garten mit Kräuterspirale und Hochbeeten, in denen die ersten Erdbeeren gepflanzt wurden, einem Tiergehege für Ziegen und Hühner. Es ist sehr verwinkelt mit vielen Nischen. „Mein Sohn liebt das“, sagt Alexander Stief aus dem Vorstand des Fördervereins.
Ganztags-Waldorfschule Duisburg hat denkmalgeschützte Gebäude
Die Gebäude aus den 50er Jahren stehen unter Denkmalschutz, vieles wirkt sehr alt. Von innen steckt dafür um so mehr Liebe darin: Individuell sind die Klassen gestaltet, mit himmelblauen, zartrosa oder gelben Wänden und altersgemäßer Deko.
Unsere Berichterstattung über die Ganztags-Waldorfschule Duisburg
- Durchsuchung in Waldorfschule: Staatsanwaltschaft ermittelt
- Prüfbericht der Waldorfschulen beschreibt groteske Zustände
- Waldorf-Streit: Eltern kämpfen um guten Ruf „ihrer“ Schule
In der ersten Klasse gibt es nur Bänke und Sitzkissen, keine Tische oder Stühle, dafür viel Platz für Bewegung. In der zweiten Klasse ist es österlich geschmückt, die Bankreihen und die Tornister daneben sehen schon mehr nach Schule aus. In Körben können die Kinder ihre persönlichen Sachen horten.
Einige Klassen sind während der Pause abgeschlossen, in Klasse 11 chillen die Schüler auf einer großen Lounge-Couch. Hier stehen in wenigen Wochen die zentralen Abschlussprüfungen an, die Aufregung scheint je nach Temperament unterschiedlich ausgeprägt. Der Pausengong klingt wie ein knarziges Brummen und ruft alle zurück in ihren Unterricht.
Privatschule erhebt Elternbeiträge
Als Privatschule wird die Waldorfschule von einem Träger- und einem Förderverein organisiert, sie erhebt Elternbeiträge: Zwischen vier und sieben Prozent des Einkommens sind das, sagt Alexander Stief. Im Schnitt liege der Beitrag zwischen 150 und 230 Euro. Der Eigenbeitrag solle aber niemanden ausschließen, „wir haben Platz für alle Kinder“, betont er. Auch Familien im Sozialhilfebezug sollen Wege geebnet werden.
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Stief sagt, dass sein Sohn Aaron vom ersten Moment begeistert gewesen sei. Er rede immer nur von „meiner Schule“. Verlockend seien neben dem Gelände die kleinen Klassen, in denen zehn bis maximal 20 Kinder unterrichtet werden, das individuelle Lerntempo. Auch die Eltern werden eingebunden, müssen regelmäßig zum Streichen, Bauen, Räumen kommen.
Noten ab Klasse 9, erster Abschluss in Klasse 11
Die Waldorfpädagogik sieht Noten erst ab Klasse 9 vor, erklärt Stief, vorher könne auch keiner sitzen bleiben. Waldorfschüler machen erst in Klasse 11 ihren mittleren Abschluss, weil sie in der Mittelstufe stark projektorientiert arbeiten, Theaterstücke organisieren und Praktika in Unternehmen machen, erzählt Stief, das koste ein zusätzliches Jahr. Er schrieb über das Waldorfsystem seine Abschlussarbeit an der Uni, arbeitet heute als Sozialarbeiter in Essen.
Der Unterricht hat viele künstlerische Schwerpunkte, darunter das auf Bewegung und Tanz ausgelegte Fach Eurythmie. Durch die Aufteilung in Epochen sollen die Kinder ganzheitlicher an bestimmten Themen arbeiten können. Waldorfschulen setzen auf eine enge und langfristige Bindung zwischen Klassenlehrern und Kindern. Erst in der Oberstufe wechseln die Fachlehrer beim Epochen-Unterricht (weitere Informationen: www.waldorfschule.de).
>> GRUNDSÄTZLICHE KRITIK AN WALDORSCHULEN
- Um an einer Waldorfschule unterrichten zu können, muss man nicht zwingend ein klassisches Studium absolviert haben. Das Lehrpersonal ist deshalb nicht immer fachlich qualifiziert, wird von manchen Wissenschaftlern kritisiert.
- Da die Lehrpläne individuell sind, ist ein Wechsel an eine Regelschule oft schwierig. Außerdem führen sie mitunter dazu, dass das Wissen der Kinder in einigen Bereichen sehr tief ist, in anderen dafür kaum vorhanden.
- Unter Pädagogen wird ferner kritisiert, dass der fehlende Lehrerwechsel für einzelne Kinder zum Problem werden kann, wenn sie mit dieser Lehrperson nicht zurecht kommen.
- Anhänger der Waldorfpädagogik betonen, dass die Erfolge bei den Zentralen Abschlussprüfungen die Kritik widerlegen würden.