Duisburg. Die Bahn ist pünktlich im Duisburger Hauptbahnhof: Der neue Bahnsteig soll am 1. Juli eröffnen. Das ist der Fahrplan für die nächsten Bauphasen.
„Wow!“, entfuhr es Sören Link. „Das macht schon echt was her.“ Der Oberbürgermeister war am Freitag gerade auf dem seit August 2022 gesperrten Bahnsteig 6 des Duisburger Hauptbahnhofs angekommen und schaute nach oben. Auf der Großbaustelle ist die erste von elf „Wellen“ des neuen Gleishallendachs in bis zu 16 Metern Höhe nahezu fertig. Die Bahn ist sehr pünktlich und planmäßig unterwegs in dieser ersten Bauphase: Ab dem 1. Juli sollen Fahrgäste auf dem neuen Bahnsteig ein- und aussteigen. Das hat die Deutsche Bahn am Freitag bei einem Baustellen-Rundgang bekräftigt. Zu diesem hatte die DB auf Wunsch der Aufgabenträger eingeladen.
Und so war die Baustelle, auf der zurzeit bis zu 50 Arbeiter mit anpacken, plötzlich ein großer Bahnhof: Gabriele Matz (Vorstandssprecherin des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr), Udo Sieverding (Abteilungsleiter „Mobilität der Zukunft“ im NRW-Verkehrsministerium), OB Sören Link und etliche Medienvertreter wurden empfangen von Werner Lübberink (DB-Chef in Nordrhein-Westfalen), Stephan Boleslawsky (Regionalbereichsleiter der DB Station & Service AG) und vom „Hausherrn“, von Bahnhofschef Klaus Oberheim. Das Sagen aber hatte eine andere: Anke Goldbaum, Projektleiterin der Bahn bei der Modernisierung der Gleishalle. Die Architektin erklärte den Gästen die Baustelle und die nächsten Schritte.
Deutsche Bahn macht in Duisburg die Welle: Erster neuer Bahnsteig eröffnet am 1. Juli
Seit August erneuert die Bahn die wahrscheinlich (noch) marodeste Großgleishalle Deutschlands, die im laufenden Betrieb nach und nach bis 2028 (siehe Infobox unten) der „schönste Bahnhof Deutschlands“ (Sören Link 2022) werden soll. Allein für die Sanierung dieses ersten Bahnsteigs hatten die beteiligten Firmen in beachtlichem Tempo 5000 Tonnen Schutt und 250 Tonnen Stahl abgerissen, zurückgebaut und mit Bauzügen abtransportiert. „90 Prozent der Logistik laufen über die Schiene“, erklärt Goldbaum.
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Das Trapezblech des neuen, 150 Meter langen und 16 Meter breiten Dachstreifens verdeckt bereits den Blick in den Himmel. Diese erste Welle (sie hat genau genommen zwei Wellenkämme) ruht auf 16 Stützen, die im Bahnsteig verankert sind, nicht mehr im Gleisbett. Von oben wird nur durch die Seiten, durch die Fischbauchbinder, Licht in die Gleishalle fallen – zudem durch die gläsernen Fassaden der Halle.
Das Fassadenskelett am Ostausgang ist inzwischen eingerüstet, die Glaswand aber wird aus statischen Gründen erst Mitte 2024 eingebaut (wir berichteten). Das neue Gleisbett hier, ganz am Rand der Gleishalle, ist auch fertig, die Schienen liegen schon darin.
Auch Regionalzüge halten schon am neuen Bahnsteig
Bis zur Inbetriebnahme des Bahnsteigs 6 (Gleise 12/13) am 1. Juli gibt es aber noch allerhand zu tun:
- Der 400 Meter lange Bahnsteig muss verfüllt und auf 4500 Quadratmetern gepflastert werden.
- Die komplette Oberleitung für die Gleise 12 und 13 wird neu gebaut. „Das sind 43 Kilometer Fahrdraht“, verdeutlicht Anke Goldbaum.
- Die „Essener Dächer“ links und rechts der Gleishalle, die ebenfalls saniert werden, sind zu montieren und einzudecken.
- Auch die Ausrüstung des Bahnsteigs steht noch auf dem Programm: Installiert werden eine stromsparende LED-Beleuchtung, neue Beschallung, Fahrgastanzeigen, Sitzbänke und Vitrinen, Hinweisschilder.
Wenn all das vollbracht ist, kehren ICE und IC an den neuen Bahnsteig zurück. Aber auch Regionalzüge wie der RE 1 werden hier künftig wegen der Bauarbeiten ab und an Halt machen.
Nächster Bahnsteig soll im Sommer 2024 fertig sein
Mit der Öffnung von Bahnsteig 6 beginnt die zweite Bauphase, für die der benachbarte Bahnsteig 5 (Gleise 10/11) gesperrt wird: Auch dieser wird auf 400 Metern komplett erneuert und neu überdacht. Das Bauen „unter dem rollenden Rad“ und in „Insellage“ verschärft sich dabei nochmals, weil auf beiden Seiten der Baustelle Züge verkehren werden. Geplante Fertigstellung dieses Bahnsteigs: im Sommer 2024.
Von April bis Juni 2024 (dritte Bauphase) werden dann die Gleise zwischen den beiden neuen Wellensträngen mit einer etwas kleineren „Zwischenwelle“ überdacht – mit Welle Nummer drei sozusagen. Ja, genau: Nicht nur die Bahnsteige, auch die Gleisanlagen sind künftig überdacht. Noch ein Unterschied zur alten Gleishalle. Die 40 beziehungsweise 50 Meter hohen Kräne auf Bahnsteig 5 müssen erst 2024 weiter Richtung Westen versetzt werden.
Briefmarke zeigt Duisburger Welle
Beeindruckt vom Tempo auf dem Bau und den ersten Ansichten der ersten Welle sagte Udo Sieverding aus dem Ministerium: „Das wird wirklich eine tolle Visitenkarte für die Stadt.“ Und OB Sören Link glaubt: „Das hier macht auch was mit den Duisburgerinnen und Duisburgern.“
Die hatten lange auf die bahnbrechende Modernisierung gewartet – und würden sich wohl auch über Exemplare der besonderen Briefmarken freuen, die Bahnhofschef Klaus Oberheim Sören Link schenkte:
Diese zeigen das künftige Wahrzeichen der Stadt – die Duisburger Welle, wie sie einmal fertig aussehen soll. Bei der Post gibt’s diese Marken noch nicht zu kaufen.
>> MINDESTENS 260 MILLIONEN EURO BAUKOSTEN
- Die Denkmalbehörde hatte die marode Gleishalle, errichtet von 1931 bis 1934, bereits 2011 als nicht mehr standsicher eingestuft.
- Die Bahn hatte 2022 erst im dritten Anlauf seit 2012 Baufirmen gefunden, die die Gleishalle erneuern wollten. Sie hatte vor der dritten Ausschreibung die komplexe Ausführungsplanung selbst übernommen und dann sieben Baulose ausgeschrieben.
- Beteiligt sind fünf Hauptfirmen. Die wohl größten auf der Dauerbaustelle: SEH Engineering aus Hannover ist für den Stahlbau verantwortlich. Gleis- und Tiefbau übernehmen Töchter des französischen Konzerns Eiffage.
- Mit Bund und Land NRW investiert das Staatsunternehmen mindestens 260 Millionen Euro in die Gleishalle. Diese wird somit mehr als doppelt so teuer wie ursprünglich geplant. Allerdings dürfte es weitere Kostensteigerungen geben.
>> KOMPLIZIERTE DAUERBAUSTELLE DUISBURG HBF
- Abriss und Neubau der sechs Bahnsteige und der jeweiligen Dächer darüber erfolgen während des laufenden Verkehrs etappenweise: Bahnsteig für Bahnsteig von Ost nach West, von Gleis 13 bis 1 – bis 2028. Vorbild ist der Umbau des Dortmunder Hauptbahnhofs.
- Der langjährige Etappenbau ist nahezu alternativlos. Weiter greifende Sperrungen hätten in Duisburg – Knotenpunkt zwischen Rheinland, Ruhrgebiet und Niederrhein – zu große Verkehrsbehinderungen zur Folge gehabt.
- Auf der Baustelle oder im Umfeld ist kein Platz für Lastwagenkolonnen, Materiallager und Schutthalden. Darum pendeln Logistikzüge zwischen Duisburg und Oberhausen, wo ein Umschlagplatz liegt.