Duisburg. Der Hauptbahnhof ist ein Duisburger Kriminalitätsschwerpunkt mit schlechtem Ruf. Die Bundespolizei hat darauf reagiert – und sieht erste Erfolge.
Es sind Gewalttaten wie die der jungen Bahnhofsschläger, die große Aufmerksamkeit erhalten und das Bild vieler Menschen vom Duisburger Hauptbahnhof prägen: Sieben Jugendliche sollen zwei Reisende am 29. Dezember 2021 geschlagen, getreten und bespuckt haben; am 13. Dezember 2022 prügelten wohl vier andere junge Männer einen 32-Jährigen an der Bahnsteigkante krankenhausreif. Die Bundespolizei fahndet weiter öffentlich nach fünf der elf Verdächtigen (zum Bericht). Ein besorgniserregender Trend zum Tatort Hauptbahnhof lasse sich daraus aber nicht ableiten, erklärt die Bundespolizei. Ihre Kriminalitätsstatistik spreche sogar für das Gegenteil.
2018 hatte die Bundespolizei im Duisburger Hauptbahnhof 1470 Straftaten registriert – das waren damals bereits etwa 200 weniger als fünf Jahre zuvor. Nach 2018 seien es jährlich nochmals deutlich weniger Delikte gewesen, berichtet Dajana Burmann, Pressesprecherin der für Duisburg zuständigen Bundespolizeiinspektion Düsseldorf. Demnach seien 2019 (im letzten Jahr ohne Corona), 2020 und 2021 jeweils 1000 Straftaten erfasst worden. Und „für 2022 können wir dieselbe Tendenz bekanntgeben“, bilanziert Burmann.
Duisburger Hauptbahnhof: Laut Bundespolizei alle fünf Tage eine Gewalttat
Nicht ganz so eindeutig ist die Entwicklung bei den Gewaltdelikten im Hauptbahnhof: 2018 hatte die Bundespolizei etwa 100 erfasst, in den Kalenderjahren seither waren es mal weniger, mal mehr, jeweils zwischen 85 und 115. Diese Statistik verzerre jedoch das tatsächliche Ausmaß der Gewalt, meint Burmann, da diese „einfache Sachverhalte in Bezug auf den Fußballfan-Reiseverkehr“ enthalte. Sie verweist auf mehrere Verfahren gegen gewaltbereite „Fußballfans mit mehreren Tatverdächtigen. Dabei kam es zu einer Vielzahl von Straftaten.“
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Tatsächlich gebe es im Alltag also seltener Gewalt gegen Reisende im Duisburger Hauptbahnhof als aus der Kriminalitätsstatistik hervorgeht. „Insgesamt betrachtet, liegt die Anzahl der aufgenommenen Gewaltdelikte im Duisburger Hauptbahnhof in den vergangenen Jahren im Durchschnitt bei einer Gewalttat innerhalb von fünf Kalendertagen“, so die Sprecherin. Sie meint mit Verweis auf täglich mehr als 100.000 Passagiere im Bahnhof: „Im Verhältnis gesehen, ist eine Gewaltstraftat bei über 100.000 Reisenden in fünf Tagen sehr gering.“
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Starker Rückgang bei Diebstählen
Eindeutig rückläufig sei die Zahl der Diebstahlsdelikte im Hauptbahnhof: Im Jahr 2018 seien rund 490 angezeigt worden. „2021 waren es hingegen nur etwa 180“, berichtet Dajana Burmann. „Dies ergibt einen Rückgang von 64 Prozent.“
Diese Entwicklung ist nach Auffassung der für Nordrhein-Westfalen zuständigen Bundespolizeidirektion St. Augustin eine unmittelbare Folge von Polizeiarbeit: „Die Bundespolizei setzt in gesamt NRW sehr erfolgreich eine Fahndungs- und Ermittlungsgruppe Taschendiebstahl ein. Diese Beamten nehmen täglich zwei Taschendiebe fest. Und davon profitiert auch der Duisburger Hauptbahnhof.“
Bundespolizei: Deutlich mehr Personal in Duisburg
Den Rückgang der Gesamtstraftaten ab 2019 erklärt die Behörde zwar damit, dass wegen der Corona-Beschränkungen 2020 und 2021 viel weniger Menschen im Bahnhof unterwegs waren. Gleichwohl gebe es einen anderen wichtigen Einfluss: „Das Revier Duisburg hat in den vergangenen Jahren einen großen Personalzuwachs erfahren dürfen“, erläutert Sprecherin Burmann. „Das machte sich auch im Rahmen der Gefahrenabwehr bemerkbar.“ Die inzwischen verstärkte Präsenz der Uniformierten solle das Sicherheitsgefühl der Passantinnen und Passanten erhöhen.
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Zur tatsächlichen Personalausstattung macht die Bundespolizeisprecherin auch auf Nachfrage keine Angaben. Es seien inzwischen aber so viele Bundespolizistinnen und -polizisten im Einsatz wie vor Ort benötigt würden. Noch 2020 hatten zwei Beamten unserer Redaktion von Personalknappheit berichtet. Eine Dauerbestreifung war damals nicht mehr möglich.
Die Lageauswertung der Bundespolizei ergebe zurzeit auch keinen Anlass für besondere Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Hauptbahnhof. Aktuell sei darum beispielsweise die Einrichtung einer (befristeten) Waffenverbotszone nicht geplant.
>> BUNDESPOLIZEIGESETZ REGELT BEFUGNISSE
- Der Zuständigkeitsbereich der Landespolizei, hier also: der Polizei Duisburg reicht bis auf den Bahnhofsvorplatz, während die Bundespolizei nur auf dem Gebiet der Bahnanlagen des Bundes tätig sein darf.
- Die Bundespolizei handelt nicht nach dem Polizeigesetz NRW. Ihre Befugnisse regelt das Bundespolizeigesetz (BPolG). Bundespolizisten können demnach (§23, Nr. 4) lageunabhängige Kontrollen durchführen und „verlangen, dass Berechtigungsscheine, Bescheinigungen, Nachweise oder sonstige Urkunden zur Prüfung ausgehändigt werden, wenn der Betroffene auf Grund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diese Urkunden mitzuführen.“
- Bei den registrierten Straftaten im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei handelt es sich um Verdachtsfälle von Straftaten, die bei der Bundespolizei beziehungsweise durch diese angezeigt wurden. Wie die jeweiligen Strafverfahren enden, berücksichtigen diese Jahreszählungen nicht.