Duisburg. Jeder sechste Arbeitsplatz in der Duisburger Verwaltung wird bis 2028 neu besetzt. Wie das gelingen soll, erklärt Dezernentin Kerstin Wittmeier.

An langen Wartezeiten beim Bürgerservice, im Straßenverkehrsamt und der Ausländerbehörde spürten die Duisburgerinnen und Duisburger die Folgen von Einstellungs- und Wiederbesetzungssperren in der Stadtverwaltung. Durch die Sanierung des Haushalts hat sich die Lage in vielen Ämtern entspannt. Was noch zu tun ist und wie die Verwaltung den anstehenden Generationswechsel meistern will, erklärt Kerstin Wittmeier, die Personaldezernentin der Stadt.

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Die Verwaltung steht vor einem Generationswechsel. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Kerstin Wittmeier: In einem Personalstrukturbericht von 2021 war Fluktuation ein wichtiges Thema. Bis 2028 verlassen uns 16 Prozent der rund 7000 Mitarbeitenden in der Kernverwaltung, also etwa 1120 Beschäftigte. Jeder sechste Arbeitsplatz muss neu besetzt werden – eine riesige Herausforderung. Gut ist, dass wir durch höhere Ausbildungs- und Einstellungszahlen die Altersstruktur schon verbessern konnten und dies auch weiter tun werden. Aktuell liegt das Durchschnittsalter bei 44 Jahren. Aber Fluktuation bleibt ein Thema – insbesondere mit Blick auf den Wissenstransfer.

„Wir können unseren Personalbedarf nicht über Ausbildung allein decken“

Reichen rund 280 Ausbildungsplätze pro Jahr, um die Abgänge zu kompensieren?

Nicht, wenn man den kompletten Personalbedarf über Ausbildung decken wollte. Aber das geht natürlich nicht, gerade bei Führungspositionen und besonderen fachlichen Anforderungen, die beispielsweise ein Studium erfordern. Nicht alle Anforderungsprofile werden durch unsere Ausbildungsberufe abgedeckt. Dafür schreiben wir extern aus. Die Mischung macht es.

Was hat sich seit ihrem Amtsantritt 2019 verändert?

Die Ausgangsbedingungen haben sich spürbar verbessert. Als ich kam, durften wir aufgrund der Haushaltslage nur jede dritte Stelle extern ausschreiben. Je länger das anhielt, desto mehr freie Stellen gab es. Das haben die Duisburger gespürt. Jetzt können wir alle Stellen extern ausschreiben. Die Lücke zwischen dem Bedarf in den Fachbereichen und den Auszubildenden, die wir verteilen, ist kleiner geworden.

Wie ist der Wanderungssaldo in Nachbarstädte?

Als ich anfing, konnten wir viele Auszubildende nicht halten, Beamte sind abgewandert, weil wir nicht befördern konnten und lange Wartezeiten die Regel waren. Zuletzt hatten wir so gut wie keine Abgänge mehr. Klar, es gibt immer mal auch persönliche Gründe zu wechseln, zum Beispiel, wenn die Möglichkeit besteht, wohnortsnäher eine Stelle zu bekommen. Strukturelle Defizite gibt es derzeit nicht.

In den Duisburger Kindertagesstätten fehlen Erzieherinnen und Erzieher. Im PIA-Modell (PraxisIntegrierte Ausbildung) wird die Ausbildungszeit im Gegensatz zur schulischen Ausbildung bezahlt, der Beruf soll so attraktiver werden. Das Bild entstand in der Kita Kibizmühlenstraße in Marxloh.
In den Duisburger Kindertagesstätten fehlen Erzieherinnen und Erzieher. Im PIA-Modell (PraxisIntegrierte Ausbildung) wird die Ausbildungszeit im Gegensatz zur schulischen Ausbildung bezahlt, der Beruf soll so attraktiver werden. Das Bild entstand in der Kita Kibizmühlenstraße in Marxloh. © FUNKE Foto Services | Morris Willner

„Den Beruf der Erzieherinnen und Erziehern muss die Politik attraktiver gestalten“

Das PIA-Modell ist der Versuch, mehr Erzieherinnen und Erzieher auszubilden. Reicht das aus, oder muss Duisburg noch mehr tun?

Wir haben als Stadt noch Luft nach oben. Aber wir bilden schon deutlich mehr aus und bieten frühzeitig die Übernahme an. Die große Lücke zwischen Bedarf auf dem Arbeitsmarkt und verfügbarem Personal stellt viele Kommunen vor große Herausforderungen. Die Lücken können wir nicht alleine schließen. Die Politik auf Bundes- und Landesebene ist gefragt, den für unsere Gesellschaft so wichtigen Beruf attraktiver zu gestalten.

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Spart oder kostet die Digitalisierung Personal?

Ich bin da sehr vorsichtig, Digitalisierung mit weniger Personal zu verbinden. Die Digitalisierung von Prozessen erfordert zunächst mehr Personal. Und absehbar wird ein Teil der Bürger nicht so technikaffin sein, dass sie nicht Hilfestellung bei den internetbasierten Prozessen brauchen. Beratung ist weiter erforderlich. Personalbau ist derzeit wirklich nicht unser Thema – im Gegenteil.

Nach langen Beschränkungen beim Personal braucht es Zeit, bis Aufstockungen wirksam werden. Wo sehen Sie die Verwaltung?

Wir sind ziemlich gut geworden. Im Bürgerservice gibt es mittlerweile einen Termin für den gleichen Tag. Die Lage im Straßenverkehrsamt hat sich entspannt. Junge Mitarbeitende setzen wir nach der Ausbildung vorrangig in den bürgerintensiven Bereichen ein, tunlichst dort, wo sie in der Ausbildung schon einmal waren, um die Einarbeitungszeit zu verkürzen. Extern eingestellte Mitarbeitende brauchen Zeit, um Routine zu entwickeln. Das ist überall so.

„Es liegt an uns, in der Ausländerbehörde gute Arbeitsbedingungen zu schaffen“

Das Ausländeramt ist seit Jahren eine Baustelle. Warum brauchen Lösungen dort so lange?

Es ist dort schwieriger, in kurzer Zeit in ruhiges Fahrwasser zu kommen. Das hat auch mit der anspruchsvollen Rechtsmaterie zu tun, die Einarbeitung braucht enorm lange. Rechtsvorschriften ändern sich häufig. Die Arbeit kann als belastend wahrgenommen werden, Sie entscheiden dort oft über Schicksale von Menschen. Das hält nicht jeder aus und verlässt das Amt wieder. Es liegt also an uns, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen.

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Diese Erkenntnis ist nicht neu.

Das stimmt. Die Belastung dort ist hoch. Deshalb verstehe ich auch, wenn man sich nach einiger Zeit im Ausländeramt verändern möchte. Jetzt haben wir deutlich personell nachgebessert, um den Druck bei unseren Mitarbeitenden rauszunehmen. Es hat so lange gedauert, weil wir wegen der Haushaltslage erst jetzt in der Lage waren, neue Stellen zu schaffen.

Kann das die hohe Fluktuation nachhaltig senken?

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Wir hoffen das. Es ist ja nicht so, dass dort niemand arbeiten möchte. Wir haben engagierte Mitarbeitende, die gerne und intensiv den Nachwuchs ausbilden. Die Stellen in der Ausländerbehörde sind bei vielen nach der Ausbildung durchaus gefragt. Bei den Abschlussprüfungen für den mittleren Dienst spreche ich mit allen persönlich. Da war bisher niemand dabei, der die Stadt verlässt, weil er gegen seinen Wunsch in einem nicht präferierten Bereich eingesetzt wird.

Mehr Beinfreiheit bei der Personalgewinnung erhofft sich IMD-Geschäftsführer Thomas Krützberg von der Umwandlung des städtischen Immobilien-Managements in eine Teildienststelle mit eigenem Personalrat. Auch die Personaldezernentin hält das für sinnvoll.
Mehr Beinfreiheit bei der Personalgewinnung erhofft sich IMD-Geschäftsführer Thomas Krützberg von der Umwandlung des städtischen Immobilien-Managements in eine Teildienststelle mit eigenem Personalrat. Auch die Personaldezernentin hält das für sinnvoll. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

„Die Umwandlung des IMD in eine Teildienststelle halte ich für sinnvoll“

Auch das IMD tut sich schwer mit Personalgewinnung. Jetzt soll es „Teildienststelle“ werden. Was soll das bringen?

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Seine Stellen schreibt das IMD schon seit längerer Zeit in Eigenregie aus. Wir sind nur noch für die personalvertretungsrechtliche Beteiligung des Personalrates zuständig, ein überflüssiger zusätzlicher Verwaltungsweg. Er würde mit einer Teildienststelle IMD mit eigenem Personalrat entfallen. Deshalb halte ich das für sinnvoll.

Fürchten Sie interne Wanderungen zum IMD, weil dort künftig besser bezahlt wird?

Ich glaube nicht, dass es beim IMD das Interesse an Abwerbungen aus anderen Stadtverwaltungsbereichen gibt. Außerdem gelten beim IMD die gleichen rechtlichen Vorgaben. Für die Zulagenzahlung läuft im Bereich der Verkehrsplanung gerade ein Pilotversuch. Eine Ungleichbehandlung sollte und wird es nicht geben.

Um Bau-Fachkräfte konkurrieren Sie mit der freien Wirtschaft. Erleichtert die Baukrise die Suche?

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Beim Lohn kann der öffentliche Dienst nicht in jeder Sparte mit der freien Wirtschaft mithalten. Aber es gibt andere Vorteile, die für uns sprechen: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das Recht auf mobile Arbeit, das wir für Bereiche festgeschrieben haben, wo es geht. Damit punkten wir. In Einstellungsgesprächen fragen junge Menschen gezielt danach.

>> KRANKENSTAND BLEIBT AUF HOHEM NIVEAU

  • Die Krankenstandsquote bei den Beschäftigten der Duisburger Verwaltung bleibt auf hohem Niveau, im vergangenen Jahr lag sie bei 11,27 Prozent. Zum Vergleich: Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ermittelte für ihre Versicherten im Jahr 2022 einen Wert von 5,62 Prozent, etwa 1,3 Prozent mehr als in den Vorjahren. Der Rekordwert seit der Jahrtausendwende wird auf den starken Anstieg der Atemwegserkrankungen zurückgeführt.
  • „In der Corona-Hochphase, als viel mobil gearbeitet wurde, ist die Quote leicht gesunken, lag aber immer noch deutlich über der freien Wirtschaft“, berichtet die Personaldezernentin. Die Auswertung habe ergeben: „„Es hat auch mit der körperlichen Belastung im Job zu tun und, wie in der freien Wirtschaft auch, mit der Bezahlung. Je niedriger das Einkommen, desto höher der Krankenstand.“

>> ZUR PERSON: KERSTIN WITTMEIER

  • Die gebürtige Flensburgerin ist seit Mai 2019 Dezernentin für Personal, Qualifizierung, Organisation, Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin der Stadt Duisburg.
  • Die studierte Sozialwissenschaftlerin (Uni Göttingen) startete beim Land NRW in die höhere Verwaltungslaufbahn, leitete dann die Aus- und Fortbildung bei der Bezirksregierung Arnsberg und ab 1997 die Verwaltung der Wasserschutzpolizei – ihre erste berufliche Station in Duisburg.
  • Als Hauptdezernentin steuerte sie danach die Bezirksregierung Düsseldorf und den Aufbau der Hafensicherheitsbehörde NRW, ehe sie 2008 die Abteilungsleitung für Zentrale Aufgaben beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) im Duisburger Innenhafen übernahm.
  • Vor ihrem Amtsantritt im Duisburger Rathaus war die 57-Jährige Polizeipräsidentin in Oberhausen (ab 2010) und in Bochum (ab 2015). Kerstin Wittmeier ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt im Duisburger Süden.