Duisburg. Duisburgs älteste Tanzschule feiert im März runden Geburtstag. Ein Rückblick auf vier Generationen Paulerberg und 120 Jahre Liebe zum Tanz.
Die alte Dame wird 120. Ein stolzes Alter, wenn man bedenkt, dass sie zwei Weltkriege und eine Pandemie überstanden hat. Wenn Julia Paulerberg über die „alte Dame“ spricht, meint sie ihre Tanzschule in Duisburg-Mitte, die sie gemeinsam mit ihrem Bruder Nico in vierter Generation betreibt. Wir haben mit den Geschwistern und ihrer Mutter Jutta Paulerberg über 120 Jahre Tanz- und Schulgeschichte gesprochen.
Älteste Duisburger Tanzschule ist ein Familienbetrieb
Wenn man Jutta Paulerberg nach ihrer liebsten Erinnerung aus dem großen Saal fragt, funkeln ihre Augen. Die großen Bälle, daran denkt sie besonders gern zurück. „Da drüben standen die 10erTische“, gestikuliert sie in Richtung Spiegel. „Und hier wurde getanzt.“ Unter der stilechten Zylinderrasterdecke. „Oktoberfest, Karneval, Ostern, der Saal war immer brechend voll.“ Nur an Silvester nicht. „Wir haben oft sieben Tage die Woche geöffnet“, gibt Tochter Julia zu bedenken. „Irgendwann braucht man auch mal Zeit für die Familie.“
Die 41-Jährige hat zwei Kinder. Die fünfte Generation der Paulerbergs tanzt auch schon, aber nicht, weil es so von ihr erwartet wird. „Sie können frei wählen, ob sie Ballett tanzen oder lieber Fußball spielen wollen“, betont ihre Mutter. Das sei bei ihr und ihrem Bruder auch schon so gewesen. Letzterer ist nicht etwa Tanzlehrer, sondern hat Marketing studiert und übernimmt die Verwaltung der Tanzschule. Seine Schwester leitet zusammen mit ihrem Team das Tanzgeschehen und die Tanzlehrer-Ausbildung.
Dass die Geschwister ins Familiengeschäft einstiegen, war genauso wenig vorherbestimmt wie Julia Paulerbergs Karriere als Tanzlehrerin. Sie entdeckte ihre Leidenschaft für Ballett und Tanztheater früh, wusste aber vor und während ihrer Ausbildung zur Tanzlehrerin in Bonn nicht so recht, ob sie überhaupt nach Duisburg zurückkehrt. 2005 ergriff sie dann doch die „riesige Chance“, ins Familiengeschäft einzusteigen. Vier Jahre später übernahmen sie und ihr Bruder die Leitung von Vater Harald Paulerberg. „Wir hatten großen Respekt davor, in die Fußstapfen unserer Eltern zu treten.“
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Tanzschule Paulerberg erlebte „goldene Tanzjahrzehnte“
Jutta Paulerberg, geborene Kimpel, lernte mit 16 in der Tanzschule ihre ersten Schritte und dabei auch ihren späteren Ehemann Harald kennen. Schon ihre Eltern und ihre Tante tanzten bei Paulerberg. „Ich bin als Einzelkind groß geworden und hier war immer was los, das hat mir gefallen.“ Jutta Paulerberg ließ sich in den Sechzigern in Hamburg zur Tanzlehrerin ausbilden, tanzte später mit ihrem Mann sehr erfolgreich Turnier.
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Harald Paulerberg, inzwischen verstorben, wurde Tanzsport-Trainer, Wertungsrichter und Vizepräsident im Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband (ADTV). „Er war fachlich eine Koryphäe, hat 150 Tanzlehrerinnen und Tanzlehrer ausgebildet.“ Die Tanzschule war sein Lebensinhalt, wie Julia Paulerberg es ausdrückt. Ehefrau Jutta führte dort schon in den 80er-Jahren das Kindertanzen ein und den Flamenco. „Kreativer Tanz hat mir schon immer Spaß gemacht“, sagt sie.
Es waren „goldene Tanzjahrzehnte“, die das Paar in seiner Tanzschule erleben durfte: „An manchen Tagen standen die Leute bis zur Mülheimer Straße Schlange.“ Früher war die Tanzschule eben noch Treffpunkt. Hier lernte man sich kennen, hatte als Jugendlicher die ersten Berührungspunkte mit dem anderen Geschlecht. Auch wenn es damals mitunter noch strenger zuging als heute.
Diese Kurse bietet Duisburgs älteste Tanzschule
Ein paar Jahrzehnte später wollen die Gäste in der Tanzschule vor allem eine gute Zeit haben. „Sie sind gestresst vom Alltag und der Arbeit, suchen Entspannung“, weiß Tanzlehrerin Julia Paulerberg. Wo der Vater früher streng korrigierte, wird heute viel gelacht, es geht um Leichtigkeit, um Spaß. Das spiegelt sich auch im Kursangebot wider: Neben Standard- und Lateintanz wird bei Paulerberg mittlerweile auch Zumba, Ballett und Hip-Hop oder Streetdance getanzt.
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„Tanzen kann ein Ventil sein“, beschreibt es Julia Paulerberg. Zumindest das hat sich über die Jahre nicht geändert. Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Tanzschule Paulerberg wieder öffnen konnte, schneiderte man sich Kleider aus Gardinen und bezahlte mit Kohlebriketts oder Nylonstrümpfen, um Rock 'n' Roll zu tanzen. „Die Leute haben sich den Krieg abgeschüttelt.“
Tanzschule Paulerberg überwindet Pandemie
So war es auch nach der Pandemie. Wenn Julia Paulerberg erzählt, wie sie im zweiten Lockdown auf unbestimmte Zeit die Tür der Tanzschule hinter sich abschloss, kommen ihr noch immer die Tränen. „Seine Leidenschaft, in meinem Fall das Unterrichten, nicht mehr ausüben zu dürfen – das war sehr schwer.“ Tanzen macht Menschen glücklich, gerade in der Pandemie hätten die Leute das gebraucht. Also drehten Paulerbergs Videos, boten Live-Streams an. „Aber nach ein paar Monaten verging auch langsam die Lust, im Wohnzimmer zu tanzen“, erinnert sich Nico Paulerberg.
Kündigungen blieben nicht aus, viele Kunden spendeten aber auch und blieben ihnen treu. „Wir haben Gäste, die seit Generationen hier tanzen, Paare, die sich hier kennengelernt haben – es ist sehr familiär.“ Als pandemiemäßig endlich gelockert wurde, kamen diese Gäste zurück und viele Corona-Auflagen dazu. „Wir mussten uns überlegen, wie wir Kurse mit Abstand anbieten.“ Eine Lösung: Rock’n’Roll für Paare. Im großen Saal klebten sie Kästchen aufs Parkett. Die Kurse waren ausgebucht, man schüttelte sich das Virus ab.
Duisburger Tanzschule feiert im März Geburtstag
Noch eine Sache, die sich nie ändert: In der Tanzschule gibt es „alle Hände voll zu tun“. Ohne ein super Team wäre das nicht zu schaffen, betont Nico Paulerberg. Keiner hat hier nur eine Aufgabe: Er selbst ist mal Marketing-Beauftragter, Kundendienstler, Personaler oder Handwerker; seine Schwester und die anderen Tanzlehrer betätigen sich ganz nach Bedarf als Kinder-Pädagogen, Moderatoren, Dekorateure und mehr. „Es ist der schönste Beruf der Welt, aber er ist auch sehr herausfordernd“, lacht sie. Ihre Mutter Jutta findet: „Diese Vielseitigkeit macht es aus.“
So hat jede Generation ihre Aufgaben. Die der vierten war es bislang, die Tanzschule durch die Pandemie zu bringen und sie zu modernisieren. „Als wir 2005 eingestiegen sind, steckte die Schule noch in den 90ern“, erzählt Nico Paulerberg. Vor drei Jahren habend die Geschwister die Tanzbar im Erdgeschoss erneuert. Früher herrschte dort „Whiskey-Bar-Flair“ mit Erdtönen und Teppichmustern an den Wänden. „Das hatte viel Charme, war sehr gemütlich, aber eben irgendwann überholt.“
Die Bedürfnisse der Kundschaft haben sich geändert: Statt Schnaps gehen in der Bar heute Latte macchiatos über den Tresen. Dazu passen blauer Samt und goldene Akzente einfach besser. Für die nächsten zwei, 20, vielleicht sogar 120 Jahre gibt es aber noch genug zu tun. Die Technik macht Nico Paulerberg manchmal Sorgen, auch das Dach gehört mal wieder gemacht. Als Nächstes steht aber erstmal die Geburtstagsfete an, am 18. März – auch im großen Saal.
>> Tanzschule Paulerberg in Duisburg
Die Tanzschule wurde 1903 durch Ernst und Marie Paulerberg gegründet, damals an der ehemaligen Mülheimer Straße/Ecke Grabenstraße. Die zweite Generation, Hans und Hedwig Paulerberg, übernahm 1932. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Tanzschule beim letzten Angriff auf Duisburg zerbombt.
Der Unterricht musste in Gaststätten stattfinden, bevor Paulerbergs ihre Schule wieder aufbauen und sie 1953 wiedereröffnen konnten. Mit Harald Paulerberg trat 1965 die dritte Generation ins Familiengeschäft ein. Es folgten viele Turniererfolge und der Ausbau des großen Saals 1976. 2009 übernahmen die Geschwister Nico und Julia Paulerberg in vierter Generation die Tanzschule.
Am 14. Oktober feiert die Tanzschule Paulerberg ihr 120-jähriges Bestehen außerdem mit einer großen Gala in der Duisburger Mercatorhalle. Alle Infos, auch zum Kursprogramm, finden Interessierte unter www.tanzschule-paulerberg.de.