Duisburg. Im Tierheim Duisburg leben zurzeit drei Kangal-Rüden. Die Rasse gilt als schwer vermittelbar. Eine Expertin erklärt, wer sie sich zutrauen kann.

Sie sind stattlich, selbstständig und ziemlich respekteinflößend: Kangals zählen nicht umsonst zu den Hütehunden. In Duisburg sind derzeit 173 von ihnen gemeldet; laut Stadt eine Hunderasse von vielen. Landen sie jedoch im Tierheim, müssen Kangals oft länger auf ein neues Zuhause warten als andere Rassen. Warum ist das so und wer kann es sich zutrauen, einen Kangal zu adoptieren? Wir haben bei einer Duisburger Hundetrainerin nachgefragt.

Duisburger Hundeschule berät Halter vor der Anschaffung

„In unser Training kommen sehr häufig Menschen mit Hunden aus dem Tierschutz – das finde ich eine super Entwicklung“, erzählt Andrea Palzer-Mack. Sie ist seit fast 20 Jahren Hundetrainerin und leitet die Martin Rütter DOGS Hundeschule Moers/Duisburg. Oft, so die 56-Jährige, kämen Interessenten auch schon vor der Anschaffung eines Hundes zur Rasse-Beratung. Die ist bei der Hundeschule kostenlos, denn: „Es ist enorm wichtig, dass Mensch und Tier zusammenpassen – da kann man von vorn herein viel abwenden.“

Wie andere Herdenschützer gelten auch die Kangals im Duisburger Tierheimen als schwer vermittelbar. Sie bleiben oft lange in der Einrichtung.
Wie andere Herdenschützer gelten auch die Kangals im Duisburger Tierheimen als schwer vermittelbar. Sie bleiben oft lange in der Einrichtung. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Wie würde eine solche Beratung beim Kangal ablaufen? „Ich würde zum Beispiel fragen, ob der Mensch ein Zuhause mit viel Platz hat, das eingezäunt ist.“ Als Herdenschutzhunde seien Kangals zur Selbstständigkeit gezüchtet worden und von Natur aus territorial, so die Hundetrainerin. In den menschenarmen Gebieten ihrer Heimat Türkei lassen Schäfer ihre Herden teils tagelang in der Obhut der Hunde. Die Welpen werden in der Herde aufgezogen und nehmen die Ziegen oder Schafe als ihre Familie wahr, die es zu verteidigen gilt.

„Kangals sind nur bedingt familientauglich“

Wenn ein Kangal unter Menschen oder gar in Familien gehalten werden soll, lautet das Stichwort Sozialisation. Die endet bei Hunden mit dem vierten Lebensmonat, so Palzer-Mack. „Was der Kangal bis dahin kennengelernt hat, akzeptiert er.“ Kommt er aber nach ein paar Jahren ins Tierheim oder in eine neue Familie und trifft dort beispielsweise zum ersten Mal auf spielende oder gar schreiende Kinder, drohen Probleme: „Entweder der Hund korrigiert die Kinder auf seine Weise oder er bricht zusammen.“ Und das könne bei den großen Vierbeinern schnell gefährlich werden.

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Eine weitere Frage bei der Beratung lautet deshalb, ob Kinder im Haus sind, denn so ein Kangal sei generell „nur bedingt familientauglich“, wie die Hundetrainerin es ausdrückt. Der Herdenschützer ist kein sportlicher Hund, der zwei, drei Stunden unterwegs sein will oder gerne neben dem Fahrrad herläuft. Auch auf sinnloses Spielen habe er nur wenig Lust. Und während er die eigenen Kinder und Familienmitglieder liebe und respektiere, könne das bei Besuchern schon ganz anders aussehen. „Da braucht es beim Halter viel Hundeverstand und ein gesundes Maß an Konsequenz.“

Expertin: Kangals gehören nicht in die Stadt

Wer also kann sich einen Kangal zutrauen? „Hundeerfahrene Menschen, die von sich überzeugt sind und sich durchsetzen können – aber bitte nicht mit der Brechstange.“ Unsicherheit sei gefährlich, aber auch Härte ist beim Kangal nicht angesagt. „Man muss da wirklich vorsichtig sein“, betont Andrea Palzer-Mack. „Der Kangal ist sensibel, aber er lässt sich auch nicht gerne reinreden – Herdenschutzhunde sind wirklich nicht ohne.“

2007 eröffnete Andrea Palzer-Mack (links) ihre Hundeschule Duisburg/Moers. Gemeinsam mit ihren Team, darunter Trainerin Tina Lagerweij (rechts), bietet sie Einzel- und Gruppentraining, Vorträge und mehr rund um das Thema Hund an.
2007 eröffnete Andrea Palzer-Mack (links) ihre Hundeschule Duisburg/Moers. Gemeinsam mit ihren Team, darunter Trainerin Tina Lagerweij (rechts), bietet sie Einzel- und Gruppentraining, Vorträge und mehr rund um das Thema Hund an. © FUNKE Foto Services | Karl Banski

Dass manche Menschen Kangals in der Großstadt halten, ist für Andrea Palzer-Mack ein Unding. Sie würde sich wünschen, dass die Herdenschützer überhaupt nicht mehr in städtisches Gebiet abgegeben werden dürften. Auf einen Bauernhof, vielleicht. „Aber ich kann diese Hunde nicht in einer Wohnung halten.“ Und selbst bei einem Haus mit Garten müsse man sich bewusst machen: „Da sind nur ein paar Häuser weiter andere Hunde, für den Kangal sind das Eindringlinge.“ Er versehe nicht, warum er so eng mit ihnen zusammenleben muss. Ausnahmen gebe es immer, dennoch findet die Hundetrainerin: „Kangals gehören nicht hierher.“

Tierheim Duisburg: Drei Kangals warten auf neues Zuhause

Im Tierheim Duisburg warten seit vergangenem Jahr drei Vertreter der Rasse auf ein liebevolles Zuhause. Leider hakt es bei der Vermittlung immer an den üblichen Stellen, wie Mitarbeiterin Anna Koltermann erklärt: „Eine große Hürde sind die Haltungsbedingungen – ein Grundstück bewachen, das geht nicht in einer Etagenwohnung mit Balkon.“ Außerdem hätten Menschen, die einen Wachhund suchen, erfahrungsgemäß wenig Interesse, sich mit dem Hund zu beschäftigen.

Chopper ist der jüngste Kangal-Rüde im Tierheim Duisburg. „Wenn man ihn richtig fordert und fördert, hat Chopper das Potenzial ein loyaler Begleiter zu werden“, heißt es vom Team.
Chopper ist der jüngste Kangal-Rüde im Tierheim Duisburg. „Wenn man ihn richtig fordert und fördert, hat Chopper das Potenzial ein loyaler Begleiter zu werden“, heißt es vom Team. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Ein Beispiel ist Chopper, der jüngste unter den drei Kangals in der Einrichtung. Der aufgeschlossene, lebensfreudige Rüde hat in seinem ehemaligen Zuhause kaum Struktur oder Training erfahren. Denn was viele verkennen, so Koltermann: Auch ein Kangal braucht Erziehung und Zuwendung. Leider hätten diejenigen, die sie ihnen geben wollen, oft nicht genug Platz zu Hause.

Kangals gelten als oft Statussymbol

Und leider beobachte auch das Tierheim-Team immer wieder, dass Menschen sich Kangals als Statussymbole anschaffen. „Mit ihrer Größe machen die Hunde natürlich was her, aber die Leute legen sie sich zu, ohne sich mit der Rasse auseinanderzusetzen.“ So stellten sich viele die Haltung der Hunde buchstäblich leichter vor. Ihnen sei zum Beispiel nicht klar, dass sie ihrem Kangal mit seinen 70 Kilo auch körperlich gewachsen sein müssen.

Vor allem, wenn die rassetypische Sturheit einsetzt, wie es manchmal bei Dunan der Fall ist. Der stämmige Rüde wurde aus schlechten Bedingungen gerettet. Dem Team gegenüber zeige er sich trotz allem freundlich und unkompliziert, auch, weil er anderen Hunden neutral bis desinteressiert gegenüberstehe.

Levi zeigt sich Menschen gegenüber stets freundlich, auch andere Hunde hat er gern, was unter Kangals nicht selbstverständlich ist. Er ist seit November 2022 im Tierheim Duisburg zu Gast.
Levi zeigt sich Menschen gegenüber stets freundlich, auch andere Hunde hat er gern, was unter Kangals nicht selbstverständlich ist. Er ist seit November 2022 im Tierheim Duisburg zu Gast. © Tierschutzzentrum Duisburg e.V. | Tierschutzzentrum Duisburg e.V.

Ganz anders Fundhund Levi, der keine Gelegenheit auslässt, mit seinen Artgenossen herumzutollen. Auch er scheint in der Vergangenheit viel sich selbst überlassen worden zu sein und orientiert sich wenig am Menschen. Nichtsdestotrotz gilt der Rüde als charmant und aufgeschlossen. Ganz rassetypisch lebt er am liebsten draußen und macht sein eigenes Ding, wie Anna Koltermann es beschreibt. „Das erfordert eben auch einen bestimmten Typ Hundehalter, der damit zufrieden ist, dass sein Hund einen eigenen Kopf hat.“

Tierheim Duisburg hat auch andere Herdenschützer im Angebot

Ein weiterer Faktor, der dem Tierheim die Vermittlung erschwert: Die Tierarztkosten, die sich teilweise an der Größe des Hundes orientieren, können beim Kangal entsprechend hoch ausfallen. Daher achtet das Team bei Interessenten nicht nur auf Rasserfahrung und Haltungsbedingungen, auch die finanzielle Sicherheit muss gegeben sein.

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Kangals sind aber längst nicht die einzige schwer vermittelbare Rasse im Tierheim Duisburg. Auch andere Herdenschutzhunde blieben oft lange: „Wer einen solchen Hund sucht, kann gerne herkommen, wir haben noch so einige im Angebot.“

>> Martin Rütter DOGS Hundeschule Duisburg/Moers

  • Die Hundeschule Duisburg/Moers gehört zur Dachmarke Martin Rütter DOGS. Alle Trainer sind nach den Methoden des bekannten Duisburger Hundetrainers ausgebildet. Andrea Palzer-Mack nahm 2005 im ersten Ausbildungsgang teil und eröffnete 2007 ihre Hundeschule.
  • Alle Informationen zu Kursangebot, Preisen und Trainern finden Interessierte unter www.martinruetter.com/moers-duisburg.
  • Wer sich für einen der Kangals im Duisburger Tierheim interessiert, findet alles Weitere unter www.tierheimduisburg.de.