Duisburg/Oberhausen/Mülheim/Mönchengladbach. Im Rocker-Prozess in Duisburg ist ein erstes Urteil gefallen. Die Fünfte Große Strafkammer sprach einen der sechs angeklagten Hells Angels frei.

15 Monate lang saß Kadir Y. seit seiner Festnahme in Untersuchungshaft. Auf freiem Fuß ist der 35-jährige Mülheimer schon seit dem vorvergangenen Freitag. Da war er auf Antrag der Staatsanwaltschaft aus der Haft entlassen worden. Am vergangenen Freitag sprach die Fünfte Große Strafkammer des Landgerichts Duisburgs Y. dann endgültig vom Vorwurf des versuchten Mordes in zwei Fällen frei - es war das erste Urteil im seit dem Sommer des vergangenen Jahres laufenden Prozess gegen sechs mutmaßliche frühere Mitglieder der Hells Angels. Der Freispruch für Y. bezieht sich allerdings nicht auf den Tatkomplex um die Ermordung und anschließende Zerteilung der Leiche des Duisburgers Kai M. im Januar 2014, sondern auf die Attacke auf ein früher führendes Mitglied der Bandidos und dessen Freundin im November 2013.

Mehrere Hells Angels hatten damals den Ford des Bandidos an einer Ampel in Oberhausen-Alstaden eingekeilt. Aus dem vorderen Fahrzeug soll der bis heute flüchtige und ebenfalls aus Mülheim kommende Mustafa H. gesprungen sein und sechs Mal auf den 25-jährigen Fahrer geschossen haben. Vier Schüsse trafen den Bandido und sorgten für teils lebensgefährliche Verletzungen. Laut Anklage sollte Y. einen Mercedes der A-Klasse gesteuert und von hinten das Auto des Pärchens blockiert haben. H. soll dann in den Pkw des Mülheimer gestiegen und beide zusammen geflohen sein. Der Wagen sei ihm zuzuordnen, außerdem sei sein Handy zur Tatzeit in einer Funkzelle am Tatort eingeloggt gewesen, das hatte die Polizei herausgefunden. Im Zuge der Beweisaufnahme im Landgericht habe sich das aber relativiert, so Sprecher Henning Bierhaus, der dringende Tatverdacht habe sich schließlich abgeschwächt: In der Funkzelle waren auch die Handys weiterer Hells Angels eingeloggt. Kein Wunder, sie hatten in der Nähe des Tatorts mehrere Stammtreffpunkte. Auch hatten mehrere der Rocker regelmäßig am Steuer des Mercedes’ gesessen. Möglich wurde der Freispruch, weil das Verfahren gegen Y. von dem gegen die übrigen Angeklagten abgetrennt worden war.

podcast-image

Angeklagter wird nach Freispruch für Untersuchungshaft entschädigt

Y. wird nun mit einem Pauschalsatz für jeden Tag der Untersuchungshaft und für die Durchsuchung seiner Wohnung entschädigt. Zwei sicher gestellte Handys und zwei USB-Sticks dürfte er ebenfalls zurückerhalten. Mit dem Mord an Kai M. hatte er nichts zu tun, das war schon vor dem Start des Prozesses klar. Die Verhandlung wegen dieser Tat läuft weiter. „Aber das Verfahren wird durch die Abtrennung verkürzt“, sagt Bierhaus. Die Kammer hat aktuell noch Verhandlungstage bis zum Sommer angesetzt.

Im Rocker-Prozess am Landgericht sind die Sicherheitsvorkehrungen inzwischen entschärft worden
Im Rocker-Prozess am Landgericht sind die Sicherheitsvorkehrungen inzwischen entschärft worden © FUNKE Foto Services (Archiv) | Lars Fröhlich

Zur Aufklärung beigetragen hat Kadir Y. im Prozess nichts: Laut Bierhaus hat er durchgehend geschwiegen. Nichts mehr sagen will aktuell mal wieder auch der Kronzeuge - zumindest, was direkte Fragen der Verteidigung betrifft. Die soll nun einen Katalog vorlegen, der dann vom Gericht vorgelesen werden und dann von I. beantwortet werden könnte. Abzuwarten bleibt, ob sich die Verteidiger darauf einlassen. Der nächste Termin am kommenden Mittwoch wurde erstmal aufgehoben. Nach dem Freispruch für Y. sitzen nun nur noch zwei der verbliebenen fünf Angeklagten in Untersuchungshaft. Der, der den Leichnam von Kai M. zerteilt haben soll, und der, der dem ebenfalls weiter flüchtigen Ramin Y. in Mönchengladbach die Waffe für die tödlichen Schüsse auf Kai M. gereicht haben und bei der Attacke auf den Bandido im vorderen Wagen der Hells Angels gesessen haben soll.