Duisburg. Dieter Lieske hat sein Amt als 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Duisburg abgegeben. Diese Zukunftsaufgaben sieht er für die Gewerkschaft.

Der Rückzug kam anderthalb Jahre vor dem Ende seiner Amtszeit, aber für Dieter Lieske war es der richtige Moment. Nach fast zehn Jahren als 1. Bevollmächtigter der IG Metall Duisburg/Dinslaken hat er die Regie über den Bezirk abgegeben. 37 Jahre stand er in Duisburg im Dienst der Gewerkschaft. „Eine spannende Zeit mit mehr Arbeitskämpfen als Tarifrunden“, sagt der 64-Jährige.

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„Du hast eine 35-Stunden-Woche, der Rest ist Ehrenamt“, sagt der Bissingheimer über Gewerkschaftsarbeit. Erst als Gewerkschaftssekretär und erst recht als Geschäftsführer des Bezirks: „Man sieht in Duisburg oft nur die Großbetriebe, aber in den kleinen und mittelständischen Unternehmen laufen die Gespräche mit den Betriebsräten nach deren Feierabend.“

„Wenn man es gern macht, spürt man die Belastung nicht“

Kampf um Standorte: Dieter Lieske im September 2017 vor dem Grobblech-Werk von TKS in Hüttenheim.
Kampf um Standorte: Dieter Lieske im September 2017 vor dem Grobblech-Werk von TKS in Hüttenheim. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Die IG Metall müsse in Duisburg „Teil der Stadtgesellschaft sein“, findet Lieske. Deshalb kandidierte er 2004 für den Stadtrat, wo er seither die SPD vertritt. Er habe, sagt er über diese Zeit, „viel über Menschen und Politik gelernt.“ Mit den parteiinternen Ränkespielen fremdelt er deshalb bis heute.

Dazu kamen aber: Mandate in Aufsichtsgremien der DVG und Unternehmen, in Sozialversicherungen und Krankenkassen. Wer bei Wikipedia unter „Multifunktionär“ nachschlägt, könnte sein Bild finden. „Ich bin ein politischer Mensch“, sagt er über sich, „wenn man’s gern macht, spürt man die Belastung nicht. Ohne den Rückhalt der Familie geht das nicht, aber ich hatte das Gefühl, dass ich es gut gebacken kriege.“

Kampf um Krupp Rheinhausen und TSTG Schienentechnik

Aber dass die Rastlosigkeit „nicht in den Klamotten steckenbleibt“, erfuhr er Anfang des Jahres. Die Warnsignale seines Körpers hat er als Gelbe Karte gedeutet und tritt jetzt kürzer. Mit Arbeit für den Landesvorstand klingt die berufliche Karriere noch bis zu seinem Abschied im nächsten Frühjahr aus, die Mühen des Alltagsgeschäfts stemmt jetzt sein Nachfolger Karsten Kaus.

Mit prominentem Gast: Dieter Lieske (l.) mit Willi Segerath (r.), dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden von Thyssenkrupp, und dem damaligen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bei dessen Besuch in Duisburg im August 2017.
Mit prominentem Gast: Dieter Lieske (l.) mit Willi Segerath (r.), dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden von Thyssenkrupp, und dem damaligen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bei dessen Besuch in Duisburg im August 2017. © FUNKE Foto Services | Stephan Eickershoff

Das Engagement für die Sozialpolitik mag auch aus den Erfahrungen rühren, die Dieter Lieske geprägt haben. Beim Besuch 1987 bei den britischen Bergarbeitern erfuhr er, was die Abwicklung einer ganzen Branche auf die harte Tour mit Menschen und ganzen Regionen macht. Zwei Jahre zuvor hatte ihn Peter Gasse aus Wesel zur IG Metall nach Duisburg geholt. Wenig später begann der Kampf um Krupp Rheinhausen. „160 Tage fast ohne Schlaf, das war ein einschneidendes Erlebnis“, sagt er. Der 23. Februar 1988, als „1000 Feuer an der Ruhr“ brannten, war sein 30. Geburtstag. In Erinnerung bleibt auch das Ringen um hunderte Jobs bei der TSTG Schienentechnik: „Die Leute kannte ich alle persönlich.“

IG Metall Duisburg/Dinslaken: In 40 Jahren zwei Drittel weniger Mitglieder

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Während der Bergbau als Teil der Montanindustrie seit zehn Jahren Geschichte ist, lebt der Stahl als deutsche Schlüsselindustrie und Ursprung langer Wertschöpfungsketten. Dieter Lieske als Begleiter ihres Niedergangs zu schildern, wäre falsch. Die Hütten produzieren heute mehr als bei seinem Dienstantritt in Duisburg vor 37 Jahren – aber mit einem Drittel der Mitarbeitenden. „Als ich anfing, waren es 65.000 Beschäftigte, heute sind es 19.000.“ Dass die IG Metall weiter 35.000 Mitglieder zählt, ist auch 11.000 Rentnern und Vorruheständlern gedankt. „Wir haben eine hohe Bindekraft.“

„Wir haben an Substanz verloren“, sagt Dieter Lieske nach zehn Jahren als erster Bevollmächtigter. Eine schwierige Zeit für die Branche. „Wir haben allein etwa 60 Haus- und Sanierungstarifverträge verhandelt, die Dauerkrise bei Thyssenkrupp hat die gesamte Zeit überlagert.“ Er hat, wenn er es für geboten hielt, mit deutlichen Worten öffentlich klare Kante gezeigt. Ein Lautsprecher war er als 1. Bevollmächtigter nie. Wer immer schreit, wird bald überhört – er hat lieber im Hintergrund das Gewicht seines Amtes für die Interessen der Beschäftigten genutzt.

„Wir haben das hemmungslose Wirtschaften lange mitgemacht“

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Die Transformation zu einer klimaneutralen Produktion sei ohne Alternative, sagt er heute: „Es ist der letzte Schuss für die Stahlindustrie, und der muss sitzen.“ Am späten Sinneswandel sei auch seine Gewerkschaft nicht schuldlos, findet Lieske: „Wir haben das hemmungslose Wirtschaften lange mitgemacht.“

Die Frage, wie wir künftig leben und wirtschaften wollen, stelle sich nicht nur den Großen der Branche. „Das geht runter bis ins Handwerk, in alle energieintensiven Betriebe.“ Der Wandel werde zu Druck auf die Beschäftigten führen, die IG Metall müsse das als ihren Auftrag erkennen. „Als Gewerkschaftssekretär habe ich 40 Firmen betreut, in 35 war ich der Betriebsratsvorsitzende. Da müssen wir wieder hin.“

ZUR PERSON: DIETER LIESKE

  • Der gebürtige Lippstädter ist in Recklinghausen aufgewachsen und begann seine gewerkschaftliche Laufbahn in der Ausbildung als Groß- und Einzelhandelskaufmann in einem Kfz-Betrieb. „Da war ich als Einziger organisiert.“
  • Nach Ehrenämtern in der gewerkschaftlichen Jugendarbeit entschied er sich 1981 gegen ein Studium von VWL/Politik und für das Angebot des DGB, hauptamtlich als Organisationssekretär einzusteigen. Nach viereinhalb Jahren in Wesel holte ihn Peter Gasse, damals Jugendsekretär, zur IG Metall nach Duisburg. „Dann haben wir einen, der Gitarre spielen kann, sagte er“, erinnert sich Dieter Lieske.
  • Die Arbeit mit Handwerksbetrieben, der Aufbau von Betriebsräten und Jugendvertretungen waren seine Aufgaben, ab 2008 fungierte der Bissingheimer als Kassierer des Bezirks, ehe er 2013 als Nachfolger von Jürgen Dzudzek zum 1. Bevollmächtigten gewählt wurde.