Duisburg. Mit einem sportmotorischen Test werden bald alle Kinder zweiter Klassen an Grundschulen in Duisburg getestet. Wie das geht und wozu es gut ist.
Sie sollen sechs Minuten am Stück laufen, aus dem Stand springen und mit den Fingern bis an die Füße kommen bei durchgedrückten Beinen: Mit roten Wangen und Wettkampfgeist machen die Kinder der Klasse 2c der Grundschule Marienstraße den sportmotorischen Test des Stadtsportbundes Duisburg.
Sie sind damit Teil eines Probelaufs an sechs Grundschulen mit 350 Kindern im Bezirk Homberg/Ruhrort/ Baerl. Hier wird getestet, was im kommenden Jahr an allen über 70 Grundschulen mit rund 180 Klassen zwischen den Herbst- und Winterferien in ganz Duisburg stattfinden soll: „Du bewegt Talente“ heißt das Konzept.
Sportmotorische Tests prüfen Kraft, Geschicklichkeit und Ausdauer von Zweitklässlern
Es wurde in Düsseldorf entwickelt und kommt dort als „InCheck’d“ seit vielen Jahren an alle Schulen. An diesem Vormittag machen Übungsleiter in kleinen Gruppen acht verschiedene Tests zu Kraft, Geschicklichkeit und Ausdauer in der Homberger Turnhalle. Dabei wird der Zehn-Meter-Spurt mit einem Lichtschrankensystem gemessen – wie bei den Profis.
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Aus dem Stand sollen sie springen, viele schaffen kaum einen Meter. Beim Hindernislauf müssen sie eine Glocke erklingen lassen, dann unter einer Bank durchkrabbeln, oben drüber klettern und wieder zurücklaufen. Beim Medizinball-Weitstoß kommt es auf Kraft an, ebenso bei den Sit-ups. Zum Test gehört, dass die Kinder gemessen und gewogen werden.
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An den Grundschulen früh Talente entdecken
Das Ganze ist nicht zu verwechseln mit den Tests, die im Dezember in den vierten Klassen laufen, wenn es darum geht, an einer NRW-Sportschule zugelassen zu werden. Talente will zwar auch der Test bei den Zweitklässlern entdecken, es geht aber auch darum, weniger bewegungsfreudige Kinder zum Sport zu motivieren.
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Die Stadt Duisburg hat im Pakt für den Sport 2020 mit dem Stadtsportbund festgehalten, dass der Probelauf mit 20.000 und der jährliche Test mit 150.000 Euro finanziert wird.
Die Investition könnte sich lohnen, denn ein Drittel ihrer Klasse hält Lisa Batz für nicht besonders fit. Die Bewegungsabläufe beim Rennen oder beim Hampelmann seien bei einigen der Sieben- und Achtjährigen nicht besonders rund, sagt die Klassenlehrerin: „Der Corona-Jahrgang hat sehr gelitten.“ Viele könnten zudem schlecht zuhören und die fehlende Zeit im Kindergarten führe dazu, „dass sich viele nicht zurücknehmen können, sofort Antworten wollen“.
Das sieht – und hört – man sofort im Hallen-Getümmel. Auch Sprachbarrieren sind offensichtlich. Manch einer orientiert sich an den anderen Kindern, um mitmachen zu können.
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Die einen Kinder laufen in Markenturnschuhen, andere barfuß in Jeans
So unterschiedlich die Leistungen der Kinder, so unterschiedlich ist die Ausstattung: Die einen sprinten in teuren Markenturnschuhen durch die Halle, andere in Jeans und barfuß. Mitmachen dürfen alle, „die Kinder können ja nichts dafür“, betont Lauterbach.
Gemessen an den Einzugsbereichen der ausgewählten Grundschulen erwartet Lauterbach in Homberg eine ähnliche Mischung wie später in ganz Duisburg.
„Man sieht schnell, welche Kinder viel draußen unterwegs sind, mit dem Rad fahren oder im Verein sind“, sagt Lauterbach. Stubenhocker sind auch schnell ausgemacht. Der kleine Flitzer, der beim Rundenlauf über die Matten springt, sei womöglich beim Turnen gut aufgehoben. Das leicht übergewichtige Mädchen, dass nur mühsam ihre Runden trottet, könne man womöglich für Hockey als Mannschaftssport gewinnen. Jene mit ordentlich Kraft in Rumpf und Armen würde Lauterbach gern beim Rudern oder Kanu sehen, die Schnellen im Leichtathletikverband, „wir sind ja eine Laufstadt“. Dem Fußball wolle er nichts wegnehmen, schiebt er schnell hinterher, aber „manche werden in anderen Sportarten bessere Ergebnisse erzielen“.
Viele Kinder sind bewegungsunerfahren, aber bewegungsfreudig
Der Experte für den Leistungssport rechnet nach der Auswertung mit einem Dreiklang: Kinder mit Bewegungsdefiziten, die ein Sportförderangebot brauchen. Dann jene, die von daheim schon viele Bewegungsanreize haben und denen die Profis Sportarten empfehlen, in denen sie erfolgreich sein könnten. Und schließlich die Talente, die als Nachwuchs gesucht werden.
Übungsleiterin Magdalene Rompe-Franzen hat den Hummelhaufen zusammen mit ihren Kollegen gut im Griff. Die ehemalige Konrektorin der Grundschule Lauenburger Allee ist Rentnerin und bei solchen Aktionen gern dabei. Sie beobachtet, dass im Vergleich zu den Kindern, die sie vor zehn Jahren unterrichtete, die Schüler heute weniger bewegungserfahren seien. „Aber auch die, bei denen man es optisch nicht erwartet, sind bewegungsfreudig“. Die Angebote im Offenen Ganztag würden manches ausgleichen, glaubt die Lehrerin. Aber der Besuch von Vereinen sei für viele Eltern eine große Hürde.
Bei den Eltern hakt es auch bei diesem Probelauf. Längst nicht alle füllen die Formulare für den Test aus, weshalb die Ergebnisse dieser Kinder nicht ausgewertet werden dürfen. Das deckt sich zum Teil mit jenen, die ihre Kinder barfuß und in Jeans zum Sport schicken. „Wir können das nicht verbindlich machen“, sagt Lauterbach. Er hofft, dass es sich herumspricht und im nächsten Jahr mehr Eltern die Chance nutzen, die Übungen ihres Kindes auswerten zu lassen. „Sonst ist es zumindest eine spannende Sportstunde für die Kinder“.
>>ÜBUNGSLEITER GESUCHT
- Der Stadtsportbund sucht schon jetzt sportbegeisterte Menschen, die die sportmotorischen Tests im kommenden Jahr als Übungsleiter begleiten wollen. Gezahlt werde eine kleine Aufwandsentschädigung.
- Parallel wurde Kontakt zur Universität Duisburg-Essen aufgenommen, um Studierende aus dem Sportbereich zum Mitmachen zu bewegen.
- Weil nach Corona zwar Sporttreibende zurück in die Vereine kamen, aber weniger Übungsleiter, sei viel verloren gegangen, bedauert Lauterbach. Im kommenden Jahr soll es deshalb eine große Qualifizierungsoffensive geben, um die Lücken zu füllen.