Duisburg. Karrieren aus Marxloh: Mit Deutsch-Rap gelingt Majoe und Silva der große Musik-Erfolg. Ein Gespräch über dicke Autos, Geld und Schießereien.
Ihre Hits haben bei Youtube und Spotify mehr Abrufe als Fettes Brot oder die Fantastischen Vier, außerhalb ihrer Fan-Blase sind sie allerdings keine Superstars: Majoe und Silva, die beiden Deutsch-Rapper aus Duisburg. Sie wohnen in Marxloh und leben den Traum vieler jugendlicher Fans: Ruhm und Geld, dicke Autos und Markenklamotten.
Majoes Top-Hit „Ewigkeit“ wurde allein beim Streamingdienst Spotify bereits 31,5 Millionen mal abgerufen – genau so oft wie „Hier kommt Alex“ von den Toten Hosen. Seit 2012 ist er im Geschäft, veröffentlichte unter anderem eine Trilogie, die von „Breiter als der Türsteher“ bis „Breiter als drei Türsteher“ reichte.
Mit Majoes Unterstützung landete Silvas erste Single „Jumper“ direkt in den Charts
Mit breit tätowierter Brust ist er jetzt auch unter die Produzenten gegangen. Im September 2021 gründete Majoe mit Tim Kowalski das Label Ghetto-Superstars. Vorerst einziges Ziel: Newcomer Silva anzuschieben, „weil absehbar war, dass er durch die Decke geht“, sagt Majoe. Dessen Reichweite und Kontakte halfen: Silvas erste Single „Jumper“ kam im April heraus, landete direkt in den Charts, sammelte ansehnliche 19,6 Millionen Abrufe ein – und Universal sprang als Majorlabel auf.
Das Marxloher Label arbeitet derweil weiter an Silvas Karriere. „Er muss so gut sein, dass man aus ihm einen Cartoon oder eine Spielfigur machen kann“, erklären sie das Ziel. Ihnen geht es nicht um Musik allein, sondern um das Gesamtpaket.
Am Elly lernte Silva Klavier, Majoe an der Leibniz-Gesamtschule Schlagzeug
Die beiden Musiker kennen sich seit 15 Jahren, Majoe hat seine Schullaufbahn auf der Leibniz-Gesamtschule abgeschlossen. In einer AG lernte er ein bisschen Schlagzeug spielen. Silva kann ein bisschen Klavier, gelernt in einer AG am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium, wo er kurz vor dem Abitur rausgeschmissen wurde. „Ich hab zu viel Quatsch gemacht“.
Bei den Stadtwerken Oberhausen begann der 24-Jährige eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker. Als erste Auftritte mit der Ausbildung kollidierten, musste er sich entscheiden. „Ich hab mich für meinen Traum entschieden, sechs Monate später die Single gedropped und schon am ersten Tag 100.000 Aufrufe bei Youtube gehabt“, erzählt er stolz.
Dass er zuvor mit Szenegrößen wie Farid Bang gearbeitet hat und mit Majoe während des Lockdowns ein ganzes Album herausgebracht hat – wenn auch von der Kritik verrissen –, lenkte zusätzliche Aufmerksamkeit auf den Rapper.
Majoe: Silva begeistert seine Fans „überkrass“
Wenn Majoe von seinem Schützling spricht, reihen sich die Superlative aneinander: „Überkrass“ seien die Reaktionen der Fans, Silva bewege sich vor der Kamera wie ein Naturtalent, schwärmt der 33-Jährige. Eine geplante Clubtour warfen sie kurzerhand über den Haufen. Rar machen lautet die Devise – ihr Talent sehen sie schon jetzt eher auf der großen Festivalbühne, Training brauche er nicht, sagt Majoe siegessicher.
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Im Studio arbeiten sie gemeinsam an neuem Material, begreifen sich dabei als „Sprachartisten“, die wissen, wie sich das Soundbett um ihre Worte legen soll. Erst der Beat, dann der Text, dann der Rest. „Wie Dirigenten“ würden sie arbeiten, nur ohne Noten: Manche Melodien summen sie sich vor, schicken sie per Sprachnachricht zum Produzenten, Profimusiker, wie zuletzt eine Violinistin, bringen das dann zum Klingen.
Neuer Song mit Silva und LX von „187 Straßenbande“
Am 11. November kommt ein neuer Song heraus, den LX von der Gangsta-Rappertruppe 187 Straßenbande aus Hamburg zusammen mit Silva aufgenommen hat. „Wer von euch“ heißt er und wird schon seit Tagen auf den Social-Media-Kanälen beworben. „Wir haben mit 150 Leuten auf dem Nettoparkplatz in Marxloh das Video gedreht“, erzählt Silva begeistert. Und ergänzt sofort, dass da auch die Polizei einverstanden gewesen sei: „Wir sind keine Unruhestifter und für die Kids war der Dreh das Highlight des Jahres!“
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Jugendfrei war es vermutlich nicht. Neben allen Silva-Songs steht der Warnhinweise „E“ für „explicit“ - es geht in den slang-gefärbten Texten um Sex und Drogen, Waffen und Macht, Machoattitüden und Barack-Obama-Vergleiche. Im Video zu Jumper hantiert Silva mit Waffen, singt dazu „bang, bang, bang“, deutet an, Geldscheine zu zählen und kokettiert mit seinem „nordafrikanischen Täterprofil“. 2,6 Millionen Aufrufe hat der Clip Anfang November bei Youtube.
Sorgen nach der Schießerei in Hamborn
Eine echte Schießerei fand wenige Monate zuvor auf dem Hamborner Altmarkt statt. 200 Meter entfernt von dem Restaurant, in dem jetzt das Interview stattfindet, sind über 100 Männer aus verfeindeten Gangs aufeinander losgegangen, dutzende Schüsse fielen. Wie echt sind da die Songtexte? Dazu möchten Majoe und Silva am liebsten gar nichts sagen, ihre Glitzerwelt nicht an der harten Realität messen lassen. „Ich habe mit Gangs nichts zu tun“, betont Silva, „ich bin nicht Teil einer Gruppierung.“ Auch wenn er in „Silva ist da“ davon singt: „Meine Gang lebt und die Gang stirbt für die Gang (Gang, Gang).“
Er sorge sich um seine Mutter, seine Familie, die häufiger am Hamborner Altmarkt sei und denen er eine friedliche Umgebung wünscht, erklärt der Nachwuchsstar. Und er sorgte sich nach der Schießerei um die Inhaber der Restaurants, die seine Freunde seien und deren Gäste verscheucht werden könnten. Zum Glück habe sich in Hamborn nichts geändert, nur die ersten Tage sei es ruhiger gewesen. Business as usual also.
„Reichtum ist für mich Zufriedenheit, Sicherheit.“
Auch politisch will Silva sich nicht auf dünnes Eis begeben. Eine türkische Flagge könnte seine kurdischen Fans verprellen. Positiv sei allerdings angekommen, dass er als gebürtiger Marokkaner in einem Video eine Algerien-Flagge hochhielt. „Wir halten zusammen, wir gehören zusammen“, betont Silva. Viele seiner Fans seien „Nafris“. Er meint Nordafrikaner, die Polizei kürzt damit nordafrikanische Intensivtäter ab.
Auch international sei da noch was drin, glauben die Marxloher Stars. „Sogar in Marrakesch bin ich schon erkannt worden“, erzählt Silva. Und wie wichtig ist ihm Geld? „Reichtum ist für mich Zufriedenheit, Sicherheit.“ Dass ihm das Posieren als arrogant ausgelegt werden könnte, nimmt er achselzuckend hin. Viel wichtiger sei ihm die Reaktion seiner Fans, die es „krass“ finden, wie er protzt, „vor ein paar Jahren hatte ich halt nichts“.
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Majoe postet ebenfalls Videos mit Statussymbolen, zeigt sich mit Goldschmuck. Damit sei er „nicht voll der Proll“. In den Augen seiner Fans habe er es verdient, „ich hole ja auch eine Goldene Schallplatte aus dem Kofferraum“, erklärt er zu einem Autokauf-Video. Nach Jahren im Geschäft sei die Magie der dicken Autos aber weg, „es sind mittlerweile Fortbewegungsmittel“.
Seine eigene Musikkarriere laufe weiter, betont Majoe, auch wenn das Musiklabel viel Zeit und Arbeit koste. „Ich wollte jemandem, der aus dem gleichen Viertel kommt wie ich, die Chance geben, das gleiche zu erreichen“, erklärt er. „Träume und Visionen sollen wahr werden.“
Ihr Traum: Live in Duisburg auftreten
In Duisburg sind übrigens beide noch nicht live aufgetreten, „das wär mal schön“, sinniert Majoe. Bis dahin träumt er von einer Kampfsportschule im Duisburger Norden, um Talenten eine Chance zu geben. Während sein Tattoostudio in Krefeld ein Business ist, bei dem er auch selbst schon mal zur Nadel greift, wäre die Schule eine Charity-Aktion. Bis dahin trainiert er ehrenamtlich eine Bambini-Mannschaft in Oberhausen.
Sport mache er immer schon, „das hat mich von vielen schlechten Sachen abgehalten“, ist er sicher. Auch jetzt will er den jungen Fans mit auf den Weg geben, lieber Eiweißshakes zu trinken als Drogen zu nehmen. Silva will seine kleinen Brüder, 12 und 14 Jahre alt, auch lieber im Gym als auf der Straße sehen. Von der Zigarette können allerdings beide nicht lassen.
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„Der Norden ist der sicherste Ort Duisburgs, die Stadtmitte ist viel gefährlicher“, findet Silva. Marxloh sei mehr als nur ein sozialer Brennpunkt, als der er in den Medien erscheine. „Hier gibt es viele, die arbeiten und Steuern zahlen.“
Und warum heißt das Label dann Ghetto-Superstars? „Ghetto ist nichts gefährliches, nichts schlechtes“, findet Silva. Ihre Kindheit im Norden Duisburgs sei gut gewesen, „die Lunchbox war jeden Tag voll, uns ging es gut“, erinnert sich Majoe, „aber andere hatten nichts“. Die beiden wollen Vorbilder sein, „jeder kann es schaffen, rauszukommen, man muss nur fest dran glauben“.