Duisburg. Im Konflikt um Menschenaffen im Zoo Duisburg hat Peta ein umstrittenes Video veröffentlicht. Wie Zoo und Tierschützer auf die Bilder reagieren.

Die Tierrechtsorganisation Peta hat im April Strafanzeige gegen den Zoo Duisburg erstattet (wie berichtet). Der Vorwurf: Bei Menschenaffen werde gegen Haltungsvorgaben verstoßen. Im Konflikt legen die Aktivisten jetzt nach: So habe man der Staatsanwaltschaft Duisburg Videoaufnahmen vorgelegt, die ein Leid der Primaten und Verhaltensstörungen bei den Orang-Utans untermauern sollen.

Die Bewegtbilder zeigen, wie ein Orang-Utan im Zoo Duisburg mehrmals Nahrung hochwürgt und das Erbrochene im Anschluss wieder aufnimmt. Laut den Aktivisten soll die Aufnahme im Oktober entstanden sein. Ein ähnliches Video gab es auch schon 2019 aus dem Duisburger Affenhaus.

Das Verhalten wird in der Literatur als „R/R“ (Regurgitation und Reingestion) bezeichnet und ist laut dem Deutschen Tierschutzbund für Primaten in Gefangenschaft schon häufiger beschrieben worden. Nicht nur bei Orang-Utans, sondern auch bei Gorillas und Schimpansen.

Tierschutzbund spricht von „offenkundigen Problemen“

Noch seien nicht alle Hintergründe für das Phänomen bekannt. Jedoch: „Es ist eindeutig, dass es ein abnormales Verhalten darstellt“, erklärt der Tierschutzbund. Die Tierschützer sehen das Verhalten als einen weiteren Beleg an, warum bei der Haltung von Menschenaffen in Zoos „offenkundig Probleme vorliegen“.

Laut dem Zoo Duisburg werde seit vielen Jahren an R/R geforscht, noch sei die Ursache nicht abschließend bekannt. „Hat ein Menschenaffe einmal mit diesem Verhalten begonnen, lässt sich dieses schwierig wieder abstellen“, erklärt der Zoo Duisburg. Eine Optimierung von Haltungs- und Fütterungsbedingungen führe aber nicht zwingend zu einem Ablegen des Verhaltens, erklärt der Zoo Duisburg, sodass dies „keinen direkten Indikator für das Wohlbefinden des Tieres“ darstelle. Das Verhalten sei zudem ausschließlich bei der Gabe von besonders schmackhaftem Fütter zu beobachten. „Wohl, um es nochmal fressen zu können“, argumentiert der Zoo.

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Dr. Colin Goldner, Leiter des „Great Ape Project“, einer Initiative, die sich für Orang-Utans, Gorillas und andere Primaten einsetzt, widerspricht dem Zoo. Das mehrmalige Erbrechen und Wiederaufnehmen von Speisebrei sei bei Menschenaffen in freier Wildbahn etwa noch nicht beobachtet worden, sagt Goldner. Vielmehr sei das Verhalten Ausdruck einer „psychischen Störung“, eines „Leidensdrucks“.

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Zoo Duisburg: Ist das Gehege für Orang-Utans zu klein?

Ein Stressfaktor sei bei Orang-Utans, die in freier Wildbahn in den Bäumen tropischer Regenwälder leben, die im Zoo typische Haltung im Familienverbund – ganz entgegen ihrer vorwiegend einzelgängerischen Lebensweise in der Natur. So bekräftigt auch der Deutsche Tierschutzbund, dass die Berücksichtigung der bei Menschenaffen komplexen Sozialstruktur im Zoo schwierig sei.

Ein weiterer Stressfaktor ist laut Goldner die „räumliche Beengtheit“, die auch von Peta aufgegriffen wird. Laut der Tierrechtsorganisation sollen die im Säugetiergutachten formulierten Mindestanforderungen für Gehege der Menschenaffen „teils eklatant“ unterschritten werden, wenngleich die formulierten Vorgaben im Säugetiergutachten nicht gesetzlich bindend sind.

Primatenhaltung im Zoo Duisburg soll sich verbessern

Einen Nachholbedarf sieht der Tierpark dennoch: „Eine Modernisierung des Äquatoriums ist Teil unseres Masterplans. Durch die Vergrößerung der Anlagen soll die Primatenhaltung verbessert werden“, teilt der Zoo Duisburg mit. Einen konkreten Zeitplan nennen die Verantwortlichen bislang nicht. Klar ist: Um zukunftsfähig zu bleiben, sieht sich der Zoo aber zunehmend mit höheren Erwartungen der Besucher konfrontiert, die Tiere in einer nachgebildeten, natürlichen Landschaft erleben wollen.

Ein Archivbild aus dem Jahr 2014 zeigt einen Orang-Utan im Äquatorium des Duisburger Zoos.
Ein Archivbild aus dem Jahr 2014 zeigt einen Orang-Utan im Äquatorium des Duisburger Zoos. © WAZ-Fotopool | MILBRET, Udo

Handlungsbedarf für das Äquatorium und die dort lebenden Primaten sieht auch Colin Goldner, der laut eigenen Angaben sämtliche Zoohaltungen von Menschenaffen in Deutschland besucht hat. In 34 zoologischen Gärten werden noch große Menschenaffen gehalten, sagt der Psychologe, der sich seit 20 Jahren mit Primaten beschäftigt. Mit dem 1962 errichteten Affenhaus sei der Tierpark am Kaiserberg hinsichtlich der Haltungsbedingungen das „Schlusslicht“.

Das sagt die Staatsanwaltschaft zum Ermittlungsverfahren

Auf Nachfrage der Redaktion bestätigt die Staatsanwaltschaft, dass Peta im April Strafanzeige gegen die leitenden Verantwortlichen des Zoo Duisburg erstattet hat. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde das Veterinäramt der Stadt Duisburg zur Stellungnahme aufgefordert. Zum Inhalt könne ein Sprecher der Staatsanwaltschaft zum aktuellen Zeitpunkt noch nichts sagen. Auch, weil die Tierrechtsorganisation weitere Beweismittel eingereicht hat. „Die Prüfung dauert daher noch an“, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Peta und auch „Great Ape Project“ fordern indes, dass eine Begutachtung der Gehege nicht nur durch das ebenfalls städtische Veterinäramt erfolgt, sondern die Haltungsbedingungen auch von unabhängigen, primatologischen Experten beurteilt werden müssen. Statt eines unverbindlichen Säugetiergutachtens brauche es in Deutschland auch eine rechtsverbindliche Verordnung zur Haltung von Wildtieren in Zoos, erklärt der Deutsche Tierschutzbund.

Tierschutzbund: Für einige Tiere kommen Verbesserungen zu spät

Denn beim Säugetiergutachten handelt sich laut Tierschutzbund um eine „Untergrenze der gerade noch tolerablen Haltung“. Dass acht Jahre nach der Einführung dieser Mindeststandards noch immer nicht alle Haltungen in Zoos überarbeitet worden, zeige laut dem Tierschutzbund ein strukturelles Problem der Zootierhaltung: „Zwar entwickeln sich die Erkenntnisse hinsichtlich der Erfüllung der Bedürfnisse der Tiere stetig weiter, die Umsetzung erfolgt jedoch um viele Jahre verzögert“, kritisiert eine Sprecherin. Für einige Tiere kommen Verbesserungen somit zu spät.

Ein Orang-Utan aus dem Zoo Duisburg im Außengehege.
Ein Orang-Utan aus dem Zoo Duisburg im Außengehege. © Zoo Duisburg

>> SO WERDEN ORANG-UTANS IM ZOO BESCHÄFTIGT

  • In Bezug auf die Verhaltensauffälligkeit R/R gibt es laut Tierschutzbund in der Fachliteratur Hinweise darauf, dass eine Futterumstellung und „enrichment“ (Beschäftigung und Verhaltensanreicherung) für die Tiere eine Linderung verschaffen kann.
  • Laut dem Zoo Duisburg wurde für die Orang-Utans ein spezielles Enrichment-Programm erarbeitet. Dieses spricht etwa die kognitiven und sozialen Komponenten an. Möglichkeiten zum Klettern werden etwa mehrmals im Jahr umgestaltet, um immer wieder neue Anreize zu schaffen.
  • Die Tiere erhalten auch abwechselnd verschiedene Materialien zum Nestbau und zur Beschäftigung. Neben der regulären Fütterung erhalten die Orang-Utans etwa zusätzliches Futterangebot, das zum Teil mit „Werkzeugen“ erarbeitet werden muss.