Duisburg. Bei tausenden Duisburger reicht das Einkommen nicht, um hohe Energierechnungen zu bezahlen. Auf dieses Szenario stellt sich die Sparkasse ein.

Die Sparkasse Duisburg fürchtet, dass bis zu 156.000 ihrer Kunden durch steigende Energiepreise ihre Sparfähigkeit verlieren könnten. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass ihr Einkommen nicht reichen wird, um hohe Nachzahlungen und deutlich höhere Abschläge zu bezahlen“, sagt Dr. Joachim Bonn. Die Sparkasse sehe sich aber als kommunales Geldinstitut „in einer besonderen Verantwortung, den Menschen so gut wie möglich zu helfen“, betont der Vorstandsvorsitzende.

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Die Rechnung von Joachim Bonn basiert auf der bundesweiten Prognose, dass bis zu 60 Prozent der deutschen Haushalte durch die enormen Verteuerungen von Gas und Strom nicht mehr sparen können. „Wir haben 260.000 Kunden, 60 Prozent davon sind 156.000. Wahrscheinlich sind es noch mehr, weil in Duisburg im bundesweiten Vergleich besonders viele Menschen mit niedrigem Einkommen leben.“ Die volle Wucht der Energiepreis-Krise werde die meisten Bürger nicht kurzfristig, sondern erst im kommenden Jahr treffen: „Noch zahlen viele den alten Preis. Das dicke Ende kommt noch.“

Taskforce bei der Sparkasse Duisburg bereitet sich auf Krisenszenarien vor

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Stadtweit wird diese Zahl wohl noch höher liegen. Seit Jahren belegen die Duisburger im bundesweiten Schuldneratlas den Spitzenplatz unter den deutschen Großstädten. Auch dazu eine Zahl von der Sparkasse: Sie führt rund 21.000 so genannter Pfändungsschutz-Konten von Kunden, die sich wegen Überschuldung auf den gesetzlich geschützten Teil ihres Einkommens beschränken müssen.

Klima, Pandemie, Krieg und nun auch noch Energie: „Wir befinden uns in einer Multi-Krise“, konstatiert der Chef der Sparkasse. Sie beteilige sich deshalb nicht nur am städtischen Krisenstab um Stadtdirektor Martin Murrack. Bereits seit Wochen beschäftigt sich eine interne Arbeitsgruppe mit Krisenszenarien. „Eine Energieabschaltung im schlimmsten Fall hätte für viele unserer Firmenkunden undenkbare Konsequenzen. Ohne Strom funktioniert auch keine Sparkasse“, sagt Bonn.

Sucht nach Lösungen für die Kunden in der „Multikrise“: Dr. Joachim Bonn, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Duisburg.
Sucht nach Lösungen für die Kunden in der „Multikrise“: Dr. Joachim Bonn, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Duisburg. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Dr. Joachim Bonn: Wir werden nicht massenhaft Lastschriften zurückweisen

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Schwerpunkt der Taskforce seien aber Kreditthemen und die Frage: Wie kann die Sparkasse helfen? Eines betont der Sparkassen-Chef ausdrücklich: „Wir werden nicht massenhaft Lastschriften zurückweisen, wenn es dazu führen könnte, dass den Menschen Strom und Gas abgedreht wird.“ Mit den Stadtwerken gebe es Gespräche über eine Lösung, die die Versorgung sichert. „Wenn bestimmte Kundengruppen aber längerfristig ihre Energiekosten-Abschläge nicht mehr leisten können, muss der Staat helfen“, sagt Joachim Bonn. „Damit wären einzelne Unternehmen wie die Stadtwerke oder die Sparkasse überfordert.“

Für die Sparkasse müsse es darum gehen, unbürokratisch zu unterstützen mit Ratenzahlungen oder einer Erhöhung der Dispo-Kredite. Bonn: „Wir werden stärker als Schuldenberater gefragt sein. Unsere Berater müssen mit den Kunden hinterfragen, aus welchen weiteren Gründen das Konto ins Minus rutscht, damit sie nicht dauerhaft in rote Zahlen laufen.“ Dabei könne die Sparkasse mit 1100 Mitarbeitenden „mehr leisten als andere“.

Sparkassen-Vorstand: Dispokredit-Zinsen sind keine relevante Größe

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Eine Absenkung der Zinsen für Dispokredite – sie stehen wegen ihrer Höhe (derzeit rund 10 %) immer wieder in der Kritik – erwäge die Sparkasse aber nicht, erklärt Bonn. Sie hätten weder für die Bank noch für die Kunden große Relevanz, machten weniger als drei Prozent beim Zinsertrag aus. „Unsere Berater sind angewiesen, schon nach kurzer Zeit die Kunden anzusprechen auf eine Umwandlung, etwa in einen Konsumentenkredit mit langer Laufzeit. Das ist wesentlich günstiger.“

Er sei grundsätzlich gegen Maßnahmen nach dem Gießkannen-Prinzip, so der Vorstandschef: „Es geht um jene, die wirklich Hilfe benötigen. Der Dispokredit ist dazu da, unseren Kunden kurzfristige Flexibilität zu gewähren. So soll das auch bleiben. Aber er bleibt der teuerste Kredit, weil uns diese Dienstleistung vergleichsweise viel Arbeit macht. Und die hat auch ihren Wert.“

SCHULDNER-ATLAS: SPITZENPLATZ FÜR DUISBURG

  • Im Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform belegt Duisburg mit einer Quote von 16,16 auch in der jüngsten Erhebung (2021) einen Spitzenplatz unter den Städten im Ruhrgebiet. Nur in Gelsenkirchen (16,94) und Herne (16,82) leben mehr Menschen, denen es dauerhaft nicht gelingt, mit ihrem monatlichen Einkommen ihre Ausgaben zu decken.
  • Der Mittelwert für das Ruhrgebiet liegt demnach bei 13,05 Prozent, für NRW bei 10,47 %, bundesweit lag die Schuldnerquote bei 8,86 v.H. Unter den zehn deutschen Großstädten mit über 400.000 Einwohnern belegt Duisburg den Spitzenplatz vor Essen (12,94) und Dortmund (12,73). In den „Top Ten“ befinden sich aber auch Düsseldorf (10,49), Köln (10,20) und Frankfurt (9,66) auf den Rängen acht bis zehn.
  • Die Duisburger Ortsteile mit der höchsten Schuldnerquote sind Hochfeld (Postleitzahl 47053, 26,26 %), Beeck/Laar/Ruhrort (PLZ 47119, 26,01) sowie Beeck/Beeckerwerth/Untermeiderich (PLZ 47139, 25,59). Obwohl in allen drei PLZ-Bereichen die Quote im Jahresvergleich mit 2020 um bis zu zwei Prozentpunkten gesunken ist, belegen sie die drei Spitzenplätze im Revier.
  • Die stadtweit wenigsten armen Menschen leben laut Creditreform in Großenbaum/Rahm (5,95 %), Baerl/Homberg (6,01) und Rumeln-Kaldenhausen (6,62).