Duisburg. Knappes Personal, zu wenig Räume, der Offene Ganztag fordert Grundschulen heraus. Warum es in Oberhausen besser läuft als in Duisburg.
Die acht Träger des offenen Ganztags an Grundschulen (OGS) in Duisburg stehen vor einem massiven Personalproblem, denn in den nächsten Jahren muss das Angebot stark ausgeweitet werden, um ab 2030 den Rechtsanspruch der Familien auf Nachmittagsbetreuung zu erfüllen. Aber schon jetzt fehlt Personal.
Einen guten Einblick hat Anja Rustemeyer, Bereichsleiterin Schule beim Katholischen Jugendwerk Kurbel in Oberhausen. Die Kurbel ist an 37 Schulstandorten in Duisburg und Oberhausen aktiv, in Duisburg sind es derzeit sieben Grund- und sieben Förderschulen. „An jedem Standort fehlen aktuell fünf bis sechs Fachkräfte“, sagt sie.
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Ausgebildete Kräfte im Offenen Ganztag gehen in fünf Jahren in Rente
Und der nächste Aderlass ist schon absehbar, denn „der Ganztag ist bei allen Trägern alt, in fünf Jahren werden wir in erheblichem Maß Fachkräfte verlieren“, sagt Rustemeyer. Davon sind beide Städte betroffen, in denen die Kurbel tätig ist, ansonsten könnten die Konzepte unterschiedlicher nicht sein.
Oberhausen ist aus ihrer Sicht „sehr gut aufgestellt“, denn hier gilt schon länger die Regel: „Wer morgens reinpasst, passt auch mittags rein“, erklärt Rustemeyer: Jedes Kind bekommt einen Platz. In manchen Grundschulen seien ihre Angebote mit 280 Kindern belegt, das sind sogar mehr als die 80 Prozent, die vom Land als bedarfsdeckend eingeschätzt werden, um den Rechtsanspruch zu erfüllen.
Manche Eltern melden ihr Kind an, obwohl sie gar keine Betreuung benötigen, „aber die Kinder haben nachmittags sonst niemanden zum spielen“, erklärt Rustemeyer den Run auf die OGS.
In Duisburg läuft das Ogata-Angebot an manchen Grundschulen gerade erst an, mit 25 Plätzen etwa in der GGS Eschenstraße und mit 50 von 270 Kindern in der GGS Bruckhausen.
Kurbel bildet Erzieherinnen aus und kann sie dann nicht halten
Um den Personalbedarf zu decken, bietet die Kurbel jetzt auch praxisintegrierte Ausbildungen (PIA) zum Erzieher, zur Erzieherin mit dem Schwerpunkt Offener Ganztag an. Die Auszubildenden gehen morgens ins Berufskolleg und sind mittags in den Grundschulen, wo in diesem Jahr rund 19.400 Kinder beschult werden.
Problematisch sei allerdings, dass viele Kräfte nicht bleiben, denn aktuell sind die Stellen im Ganztag maximal für 25 Stunden gedacht. Nichts für Menschen, die in Vollzeit arbeiten wollen. Außerdem müsse sie angelernte Helfer entlassen, weil Förderprogramme dazu auslaufen. Da müssten Land und Bund viel stärker auf langfristige Programme setzen, findet die Bereichsleiterin.
Um diese Probleme zu lösen, brauche es ein komplett neues Denken, ein Einbinden der Ogata-Kräfte auch am Vormittag etwa, eine Entzerrung der Strukturen, damit nicht alle alles gleichzeitig machen. Der Praktikerin fehlt es nicht an Ideen und die großen Träger wollen dazu auch gemeinsam in die Offensive gehen bei Bund und Land.
Multifunktionsräume lösen nicht alle Probleme
Und wie sieht es mit den Multifunktionsräumen aus, auf die Duisburg setzt? Besser als nichts natürlich. Problematisch sei hier, dass manche Lehrer die Räume als ihre begreifen und wenig kooperativ seien. Die vielen Tische engen ein, stören bei Ogata-Angeboten, bedauert Rustemeyer. „Wir sagen, das sind die Räume der Kinder und die Konzepte aller müssen darauf angepasst werden.“
Es fehle dann dennoch Platz zum Ballspiel, für eine Leseecke oder einen Ort, an dem man sich mit einer Kuscheldecke zurückziehen kann. Durch die Verteilung auf viele Klassenräume seien die einzelnen Betreuer auf sich zurückgeworfen, der Gruppengedanke falle weg. Schulstandorte ohne Sporthalle, kleine Mensen, in denen in vier Schichten gegessen werden muss, der Schul-Expertin fallen viele Dinge ein, die den Offenen Ganztag für Kinder und die Betreuerteams besser machen könnten. Der Rechtsanspruch, allein richtet es jedenfalls nicht.
>>FACHKRÄFTE-BEDARF IM OFFENEN GANZTAG
- Laut der aktuellen Ausgabe des Fachkräfte-Radars der Bertelsmann-Stiftung nutzen in NRW 49 Prozent der Kinder im Grundschulalter ein Ganztagsangebot und 19 Prozent ein Übermittagsangebot bis 14.30 Uhr. Wenn alle Kinder ab 2030 ihren Rechtsanspruch nutzen würden, ergibt sich daraus ein Bedarf an über 17.000 zusätzlichen Fachkräften – fünfmal mehr als laut Prognose zur Verfügung stehen, haben die Forscher errechnet.
- Da es zwar einen Anspruch auf die Betreuung bis nachmittags geben wird, aber keine Pflicht, diese zu nutzen, wird in anderen Szenarien eher mit 80 Prozent der Grundschüler gerechnet. Die Studie geht dann immer noch von über 13.000 fehlenden Fachkräften aus.
- Die Studie ist auf der Webseite der Bertelsmann-Stiftung unter dem Stichwort Publikationen zu finden.