Duisburg. An der Duisburger Charlottenstraße sprießt aus Häusern ein Mini-Wald. Passanten müssen die Straßenseite wechseln. Wie konnte es soweit kommen?
Von einem Haus im Grünen träumen Viele – aber wie ist es mit einem Haus, bei dem das Grün aus den Fenstern und Ritzen sprießt? Die Altbauten an der Charlottenstraße, mitten im Rotlichtbezirk, haben morbiden Charme. Die Türen sind versiegelt. Doch bis vor kurzem hat ein Mann regelmäßig im Eingangsbereich campiert. Die Gebäude sind schon so verwildert, dass auf dem Bürgersteig bereits Bauzäune stehen. Die Fußgänger werden gebeten, die Straßenseite zu wechseln. Ein Fall für die Taskforce der Stadt Duisburg, die sonst immer einschreitet, wenn Gefahr im Verzug ist?
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„Guckense sich das mal genau an. Das glaubt man doch nicht, dass so etwas in Deutschland möglich ist“, sagt ein Mann, der gerade vorbeiläuft und sich wundert. Den Falter, der sich gerade auf dem hübsch blühenden Schmetterlingsflieder niedergelassen hat, scheint es nicht zu stören, wo sich die Natur ausbreitet. Laut Stadt ist der Eigentümer verantwortlich, sein Haus instand zu halten und so zu sichern, dass kein Passant, der vorbeiläuft, zu Schaden kommt.
Wohnhäuser im Duisburger Rotlichtbezirk sind schon lange verlassen
Gewohnt hat hier schon lange keiner mehr. Im Erdgeschoss sind die Jalousien heruntergelassen, im zweiten Stock flattert ein Vorhang hinter dem geöffneten Fenster. Die schmuckvollen Verzierungen an der Altbau-Fassade zeugen von besseren Tagen der Gegend.
Früher, so erzählen sich alteingesessene Duisburger, gab es an der Charlottenstraße sogar ein gefragtes Ausflugslokal, in das die Bürger an den Wochenenden einkehrten. Eine Recherche im Stadtarchiv zeigt aber auch, dass die Geschichte der Prostitution in der Duisburger Altstadt schon auf das 19. Jahrhundert zurückgeht. Die Sittenpolizei überwachte damals das Geschäft im Rotlicht-Milieu, das als „Charakteristikum einer Hafenstadt“ geduldet wurde. Es gab jedoch dutzende Anordnungen zum sogenannten „Dirnenwesen“.
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Erste Überlegungen zur Schaffung eines eigenen „Rotlichtviertels“ wurden sehr viel später, nämlich erstmals 1959 angestellt. Durch systematische Umlegungen sollten die Inhaber zur Aufgabe ihrer Betriebe in Innenstadtnähe gezwungen werden. Von der Charlottenstraße als Ausweichgebiet war da allerdings nicht die Rede. Anhand der Duisburger Adressbücher konnte jedoch der Zeitraum ermittelt werden, in dem dort erste „einschlägige“ Bars und Clubs eröffneten. Ab dem Jahr 1973 findet sich zunächst eine Bar, die „Bar Heike“ Später kamen weitere Clubs und eine Videothek für Erwachsene hinzu. Auffällig ist die Ballung der Etablissements bei den Hausnummern Charlottenstraße 80 bis 84 – dies könnte ein Hinweis für eine systematische Ansiedlung in den vergangenen Jahrzehnten sein.
Über den Bordellen haben früher immer auch Familien gewohnt. Doch die meisten sind längst weggezogen. An den Klingeln stehen nur noch wenige Namen. Wer kein Besuch bei den Damen gegenüber plant, verirrt sich nicht zufällig auf diese Straße.
Stadt Duisburg veranlasste den Bauzaun vor den Gebäuden
Auf Nachfrage zu den bewucherten Häusern erklärt die Stadt: „Grundsätzlich ist immer der Eigentümer für sein Haus verantwortlich. Die Bauordnung kann nur einschreiten, wenn es sich um eine Gefahr für Leib und Leben handelt.“ Liege eine solche Gefahr vor, werde erst einmal der Eigentümer aufgefordert, sein Gebäude entsprechend zu sichern. Im Fall des Hauses Charlottenstraße 62 sei die Stadt 2017 auf den Zustand aufmerksam gemacht worden. „Aufgrund der dort vorgefundenen brandschutztechnischen Mängel wurde das Gebäude gegen Betreten durch eine Versiegelung im März 2018 gesichert.“
Auch an den Nachbargebäuden 60 und 58 seien im Laufe der Jahre Mängel gefunden worden. Deshalb wurde der Gehweg auf Anweisung der Stadt gesichert. „Hier erfolgt eine regelmäßige Kontrolle, bisher gab es aber keine Maßnahme des Eigentümers.“ Für alle drei Häuser sei bislang kein Abriss beantragt worden. „Die Bauaufsicht wird diese Gebäude weiterhin regelmäßig kontrollieren und die dann notwendigen Maßnahmen veranlassen beziehungsweise umsetzen.“
So lange kann das Wäldchen weiter wachsen.