Duisburg. Schulen sehen durch die Lernstandserhebung Vera Corona-Folgen. Warum ein Vater das erschreckend nennt und manche Schulen nicht mitgemacht haben.
Ob Kinder altersgemäß entwickelt sind, fragen sich nicht nur Eltern. Der Vergleich erlernter Kompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen wird seit Jahren mit der Lernstandserhebung Vera in den dritten und achten Klassen an Schulen angestrebt. Warum die Corona-Pandemie in diesem Jahr manches anders macht und ein Vater die Ergebnisse „erschreckend“ nennt.
Die Idee von Vera ist, Schulen Rückmeldungen über die Kompetenzverteilungen und Lösungshäufigkeiten in den Klassen und Lerngruppen ihrer Schule sowie die Gesamtergebnisse der Schule zu geben, erklärt ein Sprecher des Schulministeriums. „Darüber hinaus erhalten diese auch im Rahmen eines fairen Vergleiches Ergebnisse anderer Schulen.“
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Bei der Vera-Lernstandserhebung haben viele Schulen in Duisburg nicht mitgemacht
Dabei haben viele Schulen in diesem Schuljahr gar nicht mitgemacht: Isolde Vicktorius-Schänzer, Leiterin der Realschule Fahrn, hat auf Vera verzichtet: „Da es uns ausnahmsweise freigestellt war, haben wir uns diese zusätzliche Belastung geschenkt“. Mit großen Überraschungen hätte sie ohnehin nicht gerechnet: „Hauptprobleme waren schon immer Sprachkompetenz und Lesefähigkeit und die werden immer schlechter.“ Durch Corona seien viele zusätzliche Defizite entstanden, beginnend mit der bei vielen Kindern fehlenden Lern- und Spielzeit in Kitas. „Wir haben in Klasse 5 zusätzliche Lesestunden eingeführt, damit die Kinder überhaupt ins Lesen kommen“, so Schänzer.
Sie beobachtet, dass durch die Möglichkeit, sich alles schnell ergoogeln zu können, die Bereitschaft gesunken ist, etwas selbst zu erarbeiten, „am Ball zu bleiben“. Den größten Nachholbedarf sieht die Schulformsprecherin für Realschulen allerdings im lange fehlenden sozialen Austausch: „Die Probleme der Kinder sind sehr vielschichtig, vor allem im psychosozialen Bereich, da ist das reine Lernen bei manchen vielleicht noch eine Weile zweitrangig.“
„Vera-Ergebnisse sind kein geeignetes Steuerungselement“
Bernd Beckmann, Leiter der Gesamtschule Meiderich, hat nicht mitgemacht, weil das Ministerium das Material des Vorjahres benutzt hat. „Wenn der Veranstalter schon nicht viel Kraft hineinsteckt, hat man wenig Lust, den Aufwand zu betreiben“, begründet er, „stellen Sie mal als Lehrer zwei Jahre hintereinander die gleiche Klausur.“
Abgesehen davon seien die Vera-Ergebnisse kein echtes Steuerungselement für ihn, da die Möglichkeiten an den einzelnen Schulen begrenzt seien. „Um Epochales zu verändern, bräuchte es kleinere Lerngruppen und andere Lehrpläne.“
Ulrich Ehrentraut, Leiter der Justus-Liebig-Sekundarschule, hat bei Vera nicht mitgemacht, um der Fürsorgepflicht für die Kolleginnen und Kollegen nachzukommen, denn: „Das System ist über die Maßen belastet.“ Außerdem seien die Aufgaben mit Blick auf die Corona-Schuljahre nicht abgeändert worden. „Dabei ist klar, dass der Distanzunterricht den Präsenzunterricht nicht vollständig ersetzen konnte.“
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Sekundarschule will wissen, wo die Defizite in der Schülerschaft sind
Pavle Madzirov von der Sekundarschule Am Biegerpark hat genau deswegen mitgemacht: „Wir wollten gucken, wo Defizite entstanden sind.“ Dass es Einbußen im Lernfortschritt der Schülerschaft gibt, sei vorher klar gewesen, „aber unsere Lehrerschaft hat sich für Vera entschieden“. Im Mai würden die Fachkonferenzen tagen, um die Ergebnisse aufzuarbeiten.
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Ein Vater hatte sich an diese Zeitung gewandt, weil ihn die Ergebnisse „erschreckt“ hatten. Eltern bekommen eine Auswertung, die die erreichten Punkte des Kindes nennt und zum Vergleich die der ganzen Schule: In Mathematik hätten nur drei Prozent die höchste Kompetenzstufe erlangt, in Englisch erreichten elf Prozent beim Lesen und zwei Prozent beim Verstehen die höchste Stufe. „Ein vernichtendes Ergebnis“, befand er.
„Coronaeffekte sind ganz klar sichtbar“
Madzirov sieht das deutlich entspannter: „Wir haben nicht schlechter abgeschnitten als andere Schulen im Vergleich.“ Da es eigene Diagnose-Instrumente gebe, „wissen wir ab Klasse 5 immer genau, welcher Schüler wo steht“. Corona-Effekte seien „ganz klar sichtbar“.
Die Zufriedenheitsquote für den Distanzunterricht an der Schule liege bei über 85 Prozent, „wir waren eine der ersten Schulen, die den Unterricht komplett digital abgedeckt haben“.
Am Biegerpark wie auch an vielen anderen Schulen werden Förderprogramme angeboten, Nachhilfe gibt es über Landesmittel aus dem Programm „Aufholen nach Corona“, außerdem „bieten Lehrkräfte nachmittags ehrenamtlich Hilfe in Deutsch, Mathe und Englisch an“, lobt Madzirov. Dass sich Kenntnisse in Rechtschreibung verschlechtern, beobachtet er schon länger und nennt es „ein gesamtgesellschaftliches Problem“.
Schulen mit ähnlichen Rahmenbedingungen können sich vergleichen
Das Schulministerium erklärt: Die Ergebnisrückmeldung im Sinne eines fairen Vergleichs bietet die Möglichkeit, sich mit Schulen zu vergleichen, die ähnliche Rahmenbedingungen aufweisen. Bislang wurden Schulen dazu Standorttypen zugeordnet, seit dem letzten Sommer gibt es dafür einen neuen Schulsozialindex.
Ein Sprecher sagt: In den vergangenen Jahren wurde den Schulen ein fairer Vergleich, basierend auf den Standorttypen, angeboten. „Ob das in diesem Jahr aufgrund der Beteiligungsquote möglich ist, lässt sich erst beurteilen, wenn die Dateneingabe abgeschlossen ist und die Daten geprüft wurden.“ Eine Bereitstellung von Ergebnissen für Stadtteile, Bezirke oder Städte sei nicht vorgesehen.
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>>LERNSTANDSERHEBUNGEN AN SCHULEN
- In NRW gibt es zwei Lernstandserhebungen: Vera 3 in Klasse 3 der Grundschulen in Deutsch und Mathe) und Vera 8 für die weiterführenden Schulen in Klasse 8 für Deutsch, Mathe und die erste Fremdsprache (Englisch oder Französisch).
- Vera 3 wurde verschoben auf August, Vera 8 endete im März, war aber freiwillig.
- Sukzessive sollen Wahlmöglichkeiten für die Schulen eingeführt werden, damit sie schulindividuell gestaltet werden können.
- Für die Tests gibt es keine Noten.