Duisburg. Mehr Frieden an Schulen ist Ziel der Fortbildung „Duisburg schlägt keiner“. Wie das Antiaggressionstraining funktioniert und was Lehrer sagen.

Ärger gibt es an jeder Schule in unterschiedlichen Ausprägungen. Schlagzeilen wie die über den Vater, der eine Schulleiterin und den Hausmeister attackierte oder jene über einen 14-jährigen Schüler, der seinen Schulleiter angriff, sind spektakulär – aber die große Ausnahme.

Das Projekt „Duisburg schlägt keiner“ will Gewalt im Keim verhindern und Lehrkräften pädagogische Mittel in die Hand geben, um renitente und gewaltaffine Kinder und Jugendliche besser integrieren zu können.

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Ulrich Ehrentraut hat den direkten Vergleich: Bei der Gründung der Justus-Liebig-Sekundarschule in Hamborn vor acht Jahren versuchten sie es mit gemeinsam abgesprochenen Regeln. „Das hat nicht funktioniert“, bekennt der Schulleiter unumwunden. Seit der „grandiosen Fortbildung“ ist seine Schulwelt eine andere. „Wir haben ein respektvolles Miteinander und arbeiten gewaltpräventiv“, erklärt Ehrentraut. Diese Haltung stärke das ganze Kollegium.

Um Kinder vor körperlicher oder verbaler Gewalt zu schützen, bietet die Stadt Duisburg die Lehrer-Fortbildung „Duisburg schlägt keiner“ an.
Um Kinder vor körperlicher oder verbaler Gewalt zu schützen, bietet die Stadt Duisburg die Lehrer-Fortbildung „Duisburg schlägt keiner“ an. © dpa | Oliver Berg

Jugendamt schult pädagogische Fachkräfte mit Antiaggressionstraining

Wie das? Uwe Bauer ist Antiaggressivitätstrainer, Coolnesstrainer und Projektleiter beim Jugendamt der Stadt Duisburg. „Duisburg schlägt keiner“ ist sein Baby. Über 825 Lehrerinnen und Lehrer haben die Seminare bereits durchlaufen, sie sind als Multiplikatoren an über 50 Schulen unterwegs. Bauer lobt das Investment der Stadt. Regulär würden solche Seminare tausende Euro pro Nase kosten, hier profitieren pädagogische Fachkräfte durch die In-Haus-Lösung kostenlos.

Coolnesstrainer Uwe Bauer trainiert mit Lehrerinnen und Lehrern, wie an Schulen eine gewaltfreie Atmosphäre entstehen kann.
Coolnesstrainer Uwe Bauer trainiert mit Lehrerinnen und Lehrern, wie an Schulen eine gewaltfreie Atmosphäre entstehen kann. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Basis aller Überlegungen war, nicht immer die schwierigsten Kinder herauszupicken, sich an ihnen abzuarbeiten und so den „Tätern“ viel Aufmerksamkeit zu schenken, sondern dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst eskaliert. Bauer ist nicht naiv, an ein reines Bullerbü an Duisburger Schulen glaubt er nicht, „natürlich gibt es Gewalt an Schulen, wir wollen sie aber auf ein erträgliches Maß zurückschrauben“.

Grundzüge Konfrontativer Pädagogik im Rollenspiel lernen

Seine Stärke ist, Situationen sofort mit allen Sinnen in Rollenspiele umsetzen und für alle spürbar machen zu können. Das ist nicht immer angenehm, setzt aber einiges in Bewegung. „Duisburg schlägt keiner“ basiert auf den Grundzügen der Konfrontativen Pädagogik. Diese geht davon aus, dass jeder Mensch Verantwortung für sein Handeln trägt. Bauer und Referent Volker Rau, der im Hauptberuf Lehrer an der Förderschule Eschenstraße ist, bringen den Lehrern bei, wie sie zivilisatorische Standards durchsetzen können: Respekt, Aufmerksamkeit, Disziplin – die drei Elemente, das RAD.

Silke Poida und Jutta Sabel von der Grundschule Sandstraße in Marxloh betonen, dass sich Veränderungen schon bei der Haltung gegenüber kleinen Dingen zeige. Etwa dem Respekt vor einem frisch gestrichenen Flur oder dass man kleine Rempeleien nicht einfach durchgehen lässt. „Opfer beobachten, wie wir mit den Tätern umgehen“, ergänzt Ehrentraut. Sich deren Blickwinkel bewusst zu machen, helfe dabei, achtsamer zu werden.

Konsequent zu Schülern sein – mit Wärme und Empathie

Es helfe außerdem, die Hintergründe der Kinder mitzudenken. „Ich besuche die Kinder auch mal daheim“, sagt Poida. Dadurch könne sie manches Verhalten besser verstehen – „ohne Verständnis dafür zu haben“, betont die Lehrerin.

Man kann Schülern mit Wärme und Empathie begegnen und ihnen zugleich die Konsequenzen ihres Tuns aufzeigen, ist Bauer überzeugt. Dafür ist eine innere Bereitschaft zur Konfrontation unerlässlich. Und es braucht transparente Regeln für alle, Schüler, Eltern, Lehrer. Nur so seien Konsequenzen keine Frage von Macht, sondern von Struktur.

Zur Struktur gehört auch Teamarbeit. Pädagogen werden in der Regel zu Einzelkämpfern ausgebildet. Bei Duisburg-schlägt-keiner ist der Schulterschluss gefragt. An der Justus-Liebig-Sekundarschule gibt es beispielsweise die Ju-Li-Gang, die sich per Smartphone zusammenruft, wenn ein Lehrer Unterstützung benötigt.

Schule wird zum sicheren Hafen

In den Kursen wird aufgeholt, was bei der Lehrerausbildung an den Universitäten und Studienseminaren nur angeschnitten wird. Aber das Fass will Bauer an diesem Tag nicht aufmachen.

Die Techniken haben die Förderschule Eschenstraße vor dem Verfall bewahrt, glaubt Volker Rau. „Wir waren wie eine Rüthli-Schule, ständig gab’s Schlägereien.“ Referendare habe er sogar gewarnt vor dem rauen Ton, „das ist heute anders“, sagt Rau. Verhinderte Schlägereien machen keine Schlagzeilen. Und dennoch: Am Ende profitieren alle, weil Schwächere sich gut aufgehoben fühlen, die Schule zum sicheren Hafen werde und nicht als Lernfeld von Qual herhält.

>>DAS IST DUISBURG SCHLÄGT KEINER

  • Bereits seit 2007 werden in Duisburg Lehrerinnen und Lehrer, Sozialarbeiter sowie Pädagogische Mitarbeiter aus der offenen Kinder- und Jugendarbeit zu Konfliktmanagern fortgebildet. Ihre Erkenntnisse sollen sie als Multiplikatoren in die Schulen und Jugendzentren tragen.
  • Ziel des Projekts ist ein gewaltfreieres Klima an Schulen und in Jugendzentren. Dafür lernen die Pädagogen Deeskalationsstrategien kennen, Methoden zur Grenzziehung, vor allem aber trainieren sie die konfrontative Auseinandersetzung mit gewaltbereiten Kindern und Jugendlichen.
  • Das System hat Grenzen. Für echte Systemsprenger braucht es weitere Fachleute, sagt Initiator Uwe Bauer.