Duisburg. In Duisburg bekommen vier Gesamtschulen keine IPads. Wie die Landesregierung den Bedarf berechnet und warum die Schulen das ungerecht finden.

Schulen sollen digitaler werden, dafür nimmt die Landesregierung viel Geld in die Hand. Über die React-EU-Initiative und die Ausstattungsoffensive bekommen Duisburger Schulen rund 30.000 iPads. Vier der 14 Gesamtschulen gehen dabei allerdings leer aus, entschied das Schulministerium. Schulleiter, Eltern und Schüler sind gleichermaßen sauer und zweifeln die gerechte Verteilung an.

Maram hat ihr privates iPad auf dem Schoß. Die Elftklässlerin nutzt es gern für den Unterricht und wünscht sich, dass alle ein Tablet nutzen könnten. „Wir wollen digital werden und dabei niemanden zurücklassen“, betont Maram. Sie geht zur Gesamtschule Mitte, wo rund ein Drittel der Mitschüler bislang ein Gerät haben. Viele haben es privat angeschafft, andere bekamen es während der Corona-Lockdowns über das Bildungs- und Teilhabepaket.

Mit dem Sofort-Ausstattungsprogramm hatte Duisburg 2021 für 7,85 Millionen Euro 11.961 Geräte für Schüler und 5153 für Lehrkräfte eingekauft. An der Gesamtschule Mitte landeten daraus 100 Tablets. Für papierlosen Unterricht oder iPad-Klassen reicht das nicht.

iPad-Ausstattung: Ungleichheit in den Klassenzimmern

Die Ungleichheit wurde während des Distanzunterrichts deutlich sichtbar, erzählt SV-Lehrer Fuat Kiosse: „Die einen hatten Computer daheim, konnten ihre Arbeitsblätter ordentlich beschriften, die anderen haben mehr schlecht als recht auf dem Handy gearbeitet.“

Leer sind vor allem die Kinder jener Eltern ausgegangen, die zwar berufstätig sind, aber nur knapp über der Mindestlohngrenze liegen und sich ein Gerät nicht leisten können, geschweige denn Internettarife oder ein höheres Datenvolumen, sagt Elternvertreterin Kara Kadilar. „Das Thema ist mit viel Scham behaftet.“ Über 1000 Schüler besuchen die Gesamtschule Mitte, „da kann man doch nicht allen Ernstes davon ausgehen, dass kein einziger benachteiligt ist“, sagt Kadilar zur Verteilpraxis der Landesregierung.

Diese setzt auf vier Indikatoren: Es geht um die Menge der Schüler mit ausländischer Staatsangehörigkeit, der Schüler mit Lern- und Entwicklungsstörungen, der Bezieher von SGBII-Leistungen am Wohnort und jenen Schülern, die in Mehrfamilienhäusern wohnen und nicht in Einfamilienhäusern. Das alles wird auf unklaren Wegen miteinander verrechnet. Denn: All diese Faktoren treffen auch auf Schülerinnen und Schüler der Duisburger Gesamtschulen mehr oder weniger zu. Sie bekommen teilweise aber nichts, Schulen in bester Essener Süd-Lage jedoch das Komplettpaket.

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Tablets werden nach dem Gießkannenprinzip verteilt

„Die Null ist ein Problem“, sagt Gerlach-Zimmermann. Wie die zustande kommt, möchte sie gern nachvollziehen können. „Ich muss das schließlich vor den Eltern kommunizieren und rechtfertigen“, ergänzt Silke Richter von der ebenfalls betroffenen Erich-Kästner-Gesamtschule. Sie stört auch das Gießkannenprinzip, nachdem an den anderen Schulen alle Schüler ein Gerät bekommen, unabhängig davon, ob sie schon eins haben oder ob die Eltern der Unterstützung bedürfen. Spannend dürfte am Ende auch noch werden, dass Schüler, die aus anderen Programmen bereits Tablets bekommen haben, diese zurückgeben sollen, damit sie anderweitig umverteilt werden.

Schulleiterin Michaela Gerlach - Zimmermann und Elternvertreterin Kara Kadilar von der Gesamtschule Mitte in Duisburg ärgern sich darüber, dass die Schule bei der Vergabe von iPads aus Landesmitteln nicht berücksichtigt werden soll.
Schulleiterin Michaela Gerlach - Zimmermann und Elternvertreterin Kara Kadilar von der Gesamtschule Mitte in Duisburg ärgern sich darüber, dass die Schule bei der Vergabe von iPads aus Landesmitteln nicht berücksichtigt werden soll. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die ungerechte Verteilung treibt die Schüler auf den Baum: Maram hat mit ihren Mitschülern, den Elternvertretern und Schulleiterin Michaela Gerlach-Zimmermann den Schulterschluss mit den anderen betroffenen Schulen gesucht, das sind die Lise-Meitner-, die Erich-Kästner- und die Gesamtschule Süd. Sie wollen aktiv werden. Digitale Klassenzimmer finden sie super, „statt zehn dicker Bücher müsste ich nur noch das iPad mitnehmen“, sagt Bedirhan. An seine Lehrer denkt er dabei auch, „wenn ich tippe, müssen sie meine Schrift nicht mehr entschlüsseln“.

Nicht genug Geräte für den papierlosen Unterricht

Schulleiterin Silke Richter (re.) - auf unserem Archivbild mit Schülerinnen der SV - kämpft für die Digitalisierung an der Erich-Kästner-Gesamtschule in Duisburg-Homberg. In Vollzeit beschäftigt sie einen IT-Administrator.
Schulleiterin Silke Richter (re.) - auf unserem Archivbild mit Schülerinnen der SV - kämpft für die Digitalisierung an der Erich-Kästner-Gesamtschule in Duisburg-Homberg. In Vollzeit beschäftigt sie einen IT-Administrator. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Gerlach-Zimmermann verweist auf die Fortschritte der Schule hin zum digitalen Unterricht, etwa was die Netzabdeckung im Haus betrifft, die Ausstattung mit Beamern oder die Lehrerfortbildungen. An der Erich-Kästner wird sogar ein eigener IT-Administrator in Vollzeit beschäftigt, erzählt Richter. „Wir sind Feuer und Flamme, wir sind startklar!“

Die beiden Schulleiterinnen fühlen sich regelrecht ausgebremst, nennen die Entscheidung einen „Tiefschlag“.

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Gerechte Teilhabe durch Digitalisierung

Wie wichtig die Digitalisierung auch in Schulen mit integrativem Ansatz ist, erklärt Kara Kadilar. Ihre Tochter, Schülerin der siebten Klasse, hat motorische Schwierigkeiten. Mit dem Lineal könnte sie alleine nicht arbeiten, mit der digitalen Alternative auf dem Tablet schon. „Die Geräte berechtigen zur Teilhabe“, betont die Mutter, „sie helfen Kindern, eigenständig zu arbeiten“.

Die Vorteile liegen auch für Gerlach-Zimmermann auf der Hand. Für ihren Deutschunterricht nimmt sie keine Bücher mehr mit. Stattdessen nutzt sie Apps und digitale Versionen der Lehrmittel, vor allem die Differenzierungsmöglichkeiten schätzt sie beim digitalen Unterrichten. Deshalb gibt sie sich kämpferisch: „Wir werden kreativ sein müssen. Gesamtschulen sind schließlich Schulen für alle Kinder.“

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>>SO WERDEN DIE TABLETS VERTEILT:

  • Bis auf vier bekommen alle Duisburger Gesamtschulen jeweils über tausend I-Pads aus dem Programm React-EU für Schulen in NRW. Die Berufskollegs werden mit einigen hundert für die Ausbildungsvorbereitung berücksichtigt, von den über 70 Grundschulen werden nach einer Liste der Stadt 35 städtische und sieben konfessionelle Schulen ausgestattet. Die drei Realschulen und die beiden Sekundarschulen sollen auch iPads bekommen.
  • Von den Gymnasien bekommen nur das Elly-Heuss-Knapp (810) und das Mercator-Gymnasium (690) die Unterstützung. Insgesamt werden so 24.698 Tablets verteilt.
  • Über die Digitale Ausstattungsoffensive für Schulen in NRW bekommen die Förderschulen, die Herbert-Grillo-Gesamtschule sowie elf städtische und eine konfessionell gebundene Grundschulen insgesamt 5456 iPads.
  • Die Stadt will die Geräte zeitnah ausschreiben, wann geliefert wird, sei aber unklar. Das hänge stark von der Verfügbarkeit ab, sagt eine Stadtsprecherin.
  • Der Stadt Duisburg als Schulträger stehen für die Digitalisierung der Schulen im Rahmen des „DigitalPakt Schule“ sowie der Zusatzvereinbarungen insgesamt Mittel in Höhe von 42.110.248,29 Euro zur Verfügung, sagt die Landesregierung.