Duisburg-Ruhrort. Statt Ostereier zu suchen, kann man in Ruhrort die neuen Werke der Strick-Guerilla entdecken. Die anonymen Künstler geben Einblicke in die Arbeit.
Wer dieser Tage beim „Hübi“ in Duisburg-Ruhrort ein Bierchen trinkt, fühlt sich möglicherweise ein bisschen beobachtet. Die Strick-Guerilla war wieder aktiv und hat nicht nur Leinpfad-Geländer in Blumenwiesen verwandelt, sondern hat diesmal gestrickte Tiere an Fensterstäben oder über Toreingängen in die freie Wildbahn entlassen. Wer nicht nur Ostereier suchen möchte, kann sich im Kreativquartier auf die Pirsch begeben. Wer genau hinter der Strick-Guerilla steckt, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Doch unserer Redaktion ist es gelungen, den Künstlerinnen einige Infos zu entlocken.
[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]
„Wir lieben es, die Leute zu überraschen“, erklärt ein Gruppenmitglied. Die Strick-Guerilla hat sich 2011 nach einer Upcycling-Veranstaltung im „Träschick“ gegründet. So viel sei verraten: Aktuell besteht das Kernteam aus „drei Frauen, zwei helfenden Männern und Bedarfsstrickerinnen“. Wobei nicht nur gestrickt wird. „Wir wenden alle textilen Techniken an, die passend sind.“ So wurde der Vorläufer des echten Schimanski-Gassen-Schildes zum Beispiel „tunesisch gehäkelt.“
Gruppe ist seit 2011 in Duisburg-Ruhrort unterwegs
Die Damen waren schon an vielen Stellen in Ruhrort aktiv. So haben sie die Laternen mit Weihnachtsmützen versehen, die Geländerkugeln vor der Schifferbörse oder die Fallrohre am Anker ummantelt. Und über das Haniel Gelände sprang auf einmal ein Rehlein. „Wir sprechen uns immer ab, planen die komplette Aktion gemeinsam, verteilen Aufgaben“, gibt eine der Aktiven einen Einblick in die Vorgehensweise. Zwischen einer und 100 Stunden dauert so ein Projekt. Zwischendurch tauschen sich die Guerilla-Strickerinnen aus. Wenn die Objekte dann angebracht werden, sind sie in der Regel nachts unterwegs. „Fürs Anbringen wird die Leiter geschultert, die Objekte montiert und der Erfolg im Hübi gefeiert, es sei denn wir sind um fünf Uhr morgens unterwegs“, erzählt eine der Damen kichernd.
Auch interessant
Anders als bei Graffiti und Co. gibt es übrigens kein Gesetz, das verbietet, Laternen im öffentlichen Raum zu umgarnen. Dennoch wollen die Gruppenmitglieder gerne inkognito bleiben. Zum einen könnte der eine oder andere die Aktionen doch noch als rechtliche Grauzone werten. Außerdem mache ihnen die Heimlichtuerei „einfach Spaß“.
Ruhrort-Patriotinnen wollen einen anderen Blick auf den Stadtteil ermöglichen
Bisher war die Guerilla nur einmal auswärts unterwegs und hat 2019 etwas zur Extraschicht im Landschaftspark gefertigt. „Ansonsten sind wir Stadtteil-Patriotinnen.“ Alle sind Ruhrorterinnen und wollen den Menschen die Möglichkeit geben, den Stadtteil aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen.
Die Reaktionen sind meist positiv. Sogar Männer bleiben stehen und staunen. Nur wenige schimpfen über „Augenkrebs“ oder zetern, dass man die Macherinnen anzeigen sollte. „Wir freuen uns über jedes Lächeln im Gesicht.“ Einige Passanten passen sogar auf, dass nichts zerstört wird, oder richten umgeworfene Objekte wieder auf. Grundsätzlich sagen die Frauen aber: „Et is wie et is. Wir freuen uns, wenn sie durch Verwitterung altern, anstatt dass sie gestohlen oder zerstört werden.“
Diesmal hängen die Tiere bewusst etwas höher. Wer sich auf die Suche macht, sollte also seinen Blick schweifen lassen...
>> Erste Gruppe „Knitta Please“ 2005 in den USA gegründet
Das Guerilla-Stricken, das manchmal auch unter dem Namen Urban Knitting oder Yarn Bombing bekannt ist, ist mittlerweile ein Fall für die Wissenschaft. So haben sich Vertreter der Uni Potsdam, Fachbereich „Professur Kulturen romanischer Länder“, damit auseinandergesetzt, wie dieser Trend entstanden ist.
Der Ursprung des Guerilla Knittings findet sich in Houston/Texas in den USA. Magda Sayeg gründete 2005 die Gruppe „Knitta Please“, um mehr Farbe in ihre vorwiegend graue Umgebung zu bringen. Die Reaktionen waren positiv und zahlreiche Fans entwickelten die Idee weiter.
Eines der ersten Strickgraffitis in Deutschland tauchte 2010 in Frankfurt am Main auf. Schnell folgten Strickgraffitis in anderen deutschen Städten wie Berlin oder Bochum. Mittlerweile sind die handgearbeiteten Verschönerungen zu einem nahezu weltweit verbreiteten Phänomen geworden.