Duisburg. Per Modellprojekt erprobt ein Duisburger Gymnasium das papierlose Klassenzimmer. Bücher, Hefte, Hausaufgaben – an der Schule läuft alles digital.
Schwere Tornister mit dicken Büchern, prallen Federmäppchen und vielen Heften sollen am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium schon bald der Vergangenheit angehören. Die Schule in Duisburg-Marxloh plant für die Zukunft das papierlose, das digitale Klassenzimmer. Zwei Politikklassen aus der Jahrgangsstufe 6 erproben dieses Projekt derzeit mit neuen Leih-iPads.
„Das ist die einzige Möglichkeit, unsere Schüler richtig auf die digitale Welt vorzubereiten“, zeigt sich Schulleiter Holger Rinn überzeugt von dem Projekt, das bei Erfolg auf alle Klassen und Jahrgangsstufen ausgeweitet werden soll. Das papierlose Klassenzimmer sieht er als „sehr ehrgeizigen Plan“, zumal jeder Schüler dafür ein schulisches iPad bekommen muss.
Das Bedienen von iPads schon als Kind gelernt
Doch eine zukunftsträchtige Alternative gebe es nicht, so Rinn. Dass am ersten Tag „noch ein paar Kinderkrankheiten“ auftreten? Geschenkt! Nicht auf jedem iPad sind alle Programme installiert und nicht überall im Gymnasium gibt es WLAN. Das soll sich aber nach den Sommerferien ändern, und im Herbst soll ein Sponsorenlauf helfen, auch die veralteten Beamer in den Klassenräumen zu ersetzen.
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Das Gymnasium will aber nicht auf perfekte Umstände warten, um den Digitalisierungsprozess voranzutreiben, denn mit den Sechstklässlern scheinen sie bereits die perfekten Projektteilnehmer zu haben. „Die Kinder gehen intuitiv und sicher mit den Computern um, haben Spaß daran und freuen sich darauf“, so Holger Rinn. Die elfjährige Ilay Firat kann das nur bestätigen: „Gestern habe ich mit dem iPad angefangen, heute bin ich schon fast ein Profi“, sagt sie und lächelt. Wie auch ihre Klassenkameradinnen und Klassenkameraden bediente sie iPads schon als Kind und hat sich inzwischen in die Schulprogramme reingefuchst.
Bücher, Hefte, Hausaufgaben – für die Duisburger Pilotklassen ist ab sofort alles digital
Dass auf dem iPad alle Schulbücher online verfügbar sind und dass es die Hefte ersetzt, all das sieht Ilay als Vorteile an. Eine Tastatur und ein kabelloser Eingabestift machen Füller und Kugelschreiber überflüssig. Mitschülerin Eda Kiliçoğlu ist ebenfalls eine Befürworterin des Projekts: „Das ist alles sehr praktisch, der Rucksack ist jetzt nicht mehr so schwer und gut für die Umwelt ist es auch.“
Zwar hält die Zwölfjährige lieber ein echtes Buch in der Hand, als am Display zu lesen, doch sie freue sich, dass die Pilotphase endlich anläuft. Dass sie mit der Klasse 6b zur kleinen Testgruppe gehört, deren Erfahrungen später für das ganze Gymnasium maßgeblich werden, empfindet Eda als „große Verantwortung“.
Schüler sind motiviert und erwarten dadurch auf bessere Noten
Durch den Unterricht am iPad, das sowohl im Distanzunterricht als auch im Wechselunterricht genutzt wird, bemerke sie einen großen Motivationsschub. „Das ist viel spannender, als langweilige Blätter zu bearbeiten.“ Sie hofft auf ausdauernde Akkus und ist überzeugt: „Das wird einen großen Einfluss auf unsere Noten haben.“
Von Ehrgeiz gepackt ist auch der elfjährige Musab Sevimli. In seiner Fünfergruppe hat jetzt am Einführungstag noch nicht alles geklappt, die Technik machte Probleme. Die Gruppe im Nachbarraum ist deshalb schon weiter, und das nagt an ihm. „Jetzt haben wir deswegen weniger Unterrichtsstoff geschafft.“ Den verpassten Stoff will er aber schnellstmöglich aufholen und freut sich schon auf eine problemlose Arbeit am iPad.
Die Lehrer arbeiten in dem Projekt ebenfalls papierlos
„Wir Lehrer arbeiten auch nur noch mit dem iPad“, sagt Mathelehrer Daniel Keller, der die Pilotphase der 6b nach einer Schulung begleitet. Seine Schüler testen derzeit, wie gut sich Microsoft Teams eignet, die Klasse 6d nutzt dagegen das System Moodle. Eine Jugendschutzfunktion soll dabei sicherstellen, dass die Kinder auf ihren neuen Schulgeräten keine unangemessenen Webseiten besuchen, zudem sind manche Seiten während des Unterrichts gesperrt. Dennoch sollen die Sechstklässler auch privat vom Leih-iPad profitieren und können in der Freizeit etwa Filme über Youtube oder Netflix schauen oder Fotos schießen und bearbeiten. „Sie bringen viel Neugier mit und finden das Projekt cool“, so Keller.
Allerdings hofft er, dass die umfangreichen technischen Möglichkeiten des Kollegiums diesen Enthusiasmus nicht gefährden. „Wir können jederzeit die virtuellen Hefte einsehen.“ So könnte man erfahren, welche Schüler ihre Hausaufgaben abends nicht gemacht haben. „Wir hätten diese Kontrolle, aber wir machen das nicht“, verspricht er. Ohnehin sehe man auch anders – anhand eines Zeitstempels –, ob die Aufgaben kurz vorm Unterricht noch schnell von einer Klassenkameradin kopiert wurden.
Lehrer wie Schüler engagieren sich dafür, dass das Pilotprojekt ein Erfolg wird und dann aufs gesamte Gymnasium ausgeweitet werden kann.
>> VERBESSERTE TECHNISCHE AUSSTATTUNG DER FAMILIEN
● Dass das Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium im Unterricht tatsächlich komplett auf Papier verzichtet, wird Mathelehrer Daniel Keller zufolge nicht so schnell passieren. Denn beispielsweise in der Geometrie müssten die Jugendlichen auch weiterhin Zirkel und Geodreieck in die Hand nehmen. Zudem laufe auch der Kunstunterricht noch nicht komplett digital. Die Noten werden, des Datenschutzes wegen, auch nicht digital eingetragen.
● Laut Schulleiter Holger Rinn habe sich die technische Ausstattung der Familien im Duisburger Norden „deutlich verbessert“. So seien unter den Fünftklässlern nur noch eine Handvoll Kinder, die zuhause keinen Computer, kein iPad oder schnelles Internet zur Verfügung haben. „Wir dachten, dass ganz viele bedürftig seien. Das ist aber nicht so.“
● Wer zuhause kein Internet, keinen Computer oder keine Ruhe hat, kann dem Distanzunterricht auch von der Schule aus folgen und dort Hausaufgaben machen. Die Lehrer holen zudem Schüler in diese Vor-Ort-Betreuung, wenn ihre Noten zuhause stark absacken und Versetzungen oder Abschlüsse gefährdet sind.