Duisburg. Neuer Duisburger Branchenreport betont die starken Seiten von Berufen im Gesundheits- und Sozialwesen: Wirtschaftsfaktor und Beschäftigungsmotor.
Ein Kind wird betreut, ein Angehöriger gepflegt - die Sozialwirtschaft begegnet nahezu jedem von uns täglich. Keine Branche in Duisburg stellt mehr Msenschen ein, jeder fünfte Auszubildende lernt hier sein Handwerk, mehr als 21.000 Arbeitsplätze sind hier verortet. Für Duisburg gibt es jetzt erstmals einen Branchenreport, in dem das Gesundheits- und Sozialwesen vor allem das ist: Wirtschaftsfaktor und Beschäftigungsmotor.
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Auftraggeber ist denn auch die Stabsstelle für Wirtschafts-, Europa- und Fördermittelangelegenheiten. Sie investierte 24.800 € in die Analyse, die das fränkische Unternehmen xit übernahm. Dezernent Andree Haack, der künftig in Köln als Beigeordneter arbeiten wird, betont die Wirtschaftskraft, die in dieser Branche stecke. Noch habe die Metallbranche mit über 20.500 Beschäftigten die Nase vorn, aber die Sozialwirtschaft liegt mit 14.400 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bereits auf Platz 2.
Branchenreport: Über 29.000 Duisburger haben Leistungen der Sozialwirtschaft erhalten
Damit arbeiten 8,2 Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Duisburger in dieser Branche, je nach Geschäftsfeld sind es bis zu 90 Prozent Duisburgerinnen. Der Report zeigt, dass im Jahr 2019 insgesamt mehr als 29.000 Kinder, pflegebedürftige Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit Behinderung Leistungen der Kindertagesstätten, Alten- und Eingliederungshilfe erhalten haben. Aufgrund des demografischen Wandels sei ein überdurchschnittliches Wachstum zu beobachten.
Die Leistungen dieser Branche müssten stärker hervorgehoben werden, war der Tenor bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts. Zu häufig werde sie mit Negativ-Schlagzeilen verbunden, etwa wegen des Fachkräftemangels. Immerhin trage die Duisburger Sozialwirtschaft rund 1,2 Milliarden Euro und damit 6,6 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Einkommenswirkung liege bei 378,8 Millionen, referierte Haack die Zahlen der Analyse.
Duisburg ist mit 50.000 Ehrenamtlichen „unglaublich solidarisch“
Beeindruckt habe ihn aber auch die Zahl der Ehrenamtlichen, die in diesem Bereich tätig sind: „Geschätzt 50.000 Ehrenamtliche, das zeigt, wie unglaublich solidarisch Duisburg ist.“ Als Leiter des Krisenstabes habe er erlebt, wie verletzlich die Gesellschaft ist, insbesondere die älteren Mitbürger. Aber das Netzwerk in Duisburg sei gut und belastbar, Probleme hätten immer offen angesprochen werden können. Ulrich Christofczik, Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege und Vorstand des Evangelischen Christophoruswerk in Duisburg, nennt die Krisenkommunikation sogar „einzigartig“.
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Dr. Julia Beier, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege in Duisburg und Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes, betonte, dass es sich nicht um bloße „Zuschussgeschäfte“ handele. „Alle Alters- und Zielgruppen profitieren davon.“ Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine rücke „leider auch die Beratung von Flüchtlingen“ wieder mehr in den Fokus.
Eigenes Selbstbewusstsein für die Sozialwirtschaft
Durch Innovationen und Vernetzungen würden sich viele Potenziale ergeben, betonte Haack, sie müssten nur noch bekannter werden. So entwickeln etwa Duisburger Unternehmen wie Anthropia gGmbH und icho-systems kreative Ideen vor der Haustür.
Das bekräftigte Ulrich Christofczik: „Die Sozialwirtschaft muss ein eigenes Selbstbewusstsein entwickeln, um seine PS auf die Straße zu bringen. Wir haben die höchste Zahl der Übernahmen, die höchste Ausbildungs-Vergütung, aber benannt werden nur Probleme.“ Allein das Christophoruswerk investiere 35 Millionen Euro in Neubauten und sichere damit Beschäftigungsverhältnisse in Bau und Handel. Dann räumt er noch gleich mit dem „Mythos“ auf, dass die Pflege durch die Pandemie viele Mitarbeiter verloren habe. Stattdessen hätten sich „viele noch stärker identifiziert mit ihrem Job“.
Pflegeberufe: Mehr als nur der „Hintern-Abwischer“
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Einen Einblick in seinen Beruf gewährte Lars Link, der als Pflegekraft und Wohnbereichsleitung im Werner-Brölsch-Haus arbeitet. Während man ihn im Familienkreis vor dem Beruf warnte, weil man „nix verdient, keine Aufstiegschancen hat und der ,Hintern-Abwischer’ ist“, gelang dem 26-Jährigen bereits der Sprung in eine Führungsaufgabe. Corona habe ihnen viel abverlangt, „ich habe aber selten so viel Zusammenhalt erlebt“.
Der Krieg in der Ukraine stelle ihn und seine Kollegen nun vor neue Herausforderungen, weil sich viele Bewohner an ihre eigenen Kriegserfahrungen erinnert fühlen. „Viele weinen und sind verzweifelt.“
>>DIENSTLEISTUNGEN DER SOZIALWIRTSCHAFT 2019 IN DUISBURG
- Insgesamt haben 29.000 Menschen Dienstleistungen der Sozialwirtschaft in Anspruch genommen.
- In 203 Kitas werden 15- 613 Kinder betreut.
- 5502 Senioren wurden durch 71 ambulante Pflegedienste betreut.
- 2590 Menschen wurden durch ambulante oder stationäre Angebote der Behindertenhilfe versorgt.
- 5348 Pflegebedürftige wurden in 64 Einrichtungen der stationären Altenhilfe betreut.
Der ganze Branchenreport ist im Internet nachlesbar auf der Webseite von Duisburg Business & Innovation unter Downloads: www.duisburg-business.de