Duisburg. . Duisburgs größter Träger der Altenhilfe hat Häuser modernisiert und baut neu. Tim Liedmann ist neu im Vorstand neben Ulrich Christofczik.
Der Vorstand des Christophoruswerkes (CW) ist wieder komplett. Am 15. April ist Tim Liedmann als Nachfolger von Wilfried Stoll neu im Amt neben Ulrich Christofczik (56) auf dem Meidericher Campus von Duisburgs größtem Träger der Altenhilfe. Der 34-jährige Diplom-Kaufmann, der in Herten lebt, verantwortet den kaufmännischen Bereich – Erfahrungen bringt er mit aus seiner bisherigen Tätigkeit für Curacon, einem Münsteraner Beratungsunternehmen in der Sozialwirtschaft.
Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr den 70. Jahrestag gefeiert. Was hat sich verändert?
Ulrich Christofczik: Der Umbau der stationären Plätze ist abgeschlossen. Die Einzelzimmerquote von 80 % ist erreicht. Wir haben in vier Jahren rund 24 Millionen Euro investiert in den Neubau in Röttgersbach und die Sanierung des Bodelschwingh-Hauses, das neue Haus am Landschaftspark steht vor der Eröffnung. Dafür geben wir die Einrichtung in Ruhrort auf, auch das Wichern-Haus. Das Campus-Gelände wollen wir weiter entwickeln – etwa mit betreuten Wohngemeinschaften.
Strategie und Organisation – wohin geht die Reise?
Tim Liedmann: Es geht um das Portfolio, die Leistungsangebote, auch um Gebäude, die teilweise bis zu 70 Jahre alt sind. Die Verwaltungsstrukturen sind seit der Organisationsreform von 2007 für das Christophoruswerk vergleichsweise klar.
Sie haben über 1000 Mitarbeiter und eine Bilanzsumme von knapp 100 Millionen Euro – warum soll das CW dennoch Verein bleiben?
Christofczik: Das gibt uns eine enge Verbindung zu unseren Mitgliedern, den Gemeinden. Wichtig ist uns, dass wir weiter nach Tarif bezahlen können. Nur gute Mitarbeiter bringen auch ein gutes Ergebnis. Dabei: Angesichts des Fachkräftemangels lassen sich gute Kräfte heute ohnehin nicht mehr unter Tarif einstellen.
Sind stationäre Häuser künftig der letzten Lebensphase vorbehalten?
Christofczik: Die Verweildauer der Bewohner ist drastisch gesunken in den vergangenen 20 Jahren. Die Menschen kommen multimorbide zu uns. Aber die Selbstbestimmung hört nicht an der Rezeption auf.
Leben möchten die Menschen dennoch lieber daheim.
Christofczik: Unsere Strategie ist, von niederschwelligen Beratungen wie das Demenz-Café Mikado über die angewandte Pflege der Ev. Sozialstationen und Angebote für Wohnungen und Tagespflege zu ermöglichen, dass Menschen möglichst lange daheim leben können. Aber das ist kein Wert an sich, sondern eine Frage der Qualität der Begleitung, die in der eigenen Wohnung nicht zwangsläufig besser ist.
Uns fehlen noch Zwischenlösungen für jene, die nicht mehr oder noch nicht allein leben können, aber auch nicht stationär versorgt werden müssen – solche Angebote wollen wir aufbauen.
Hier an der Bonhoeffferstraße?
Christofczik: Ja, aber wir achten darauf, dass es ein bunt gemischtes Quartier für Angebote im Alter bleibt. Das soll kein stationäres Dorf, keine Insel für die Alten werden. Wir haben auch eine Kita hier und das Fachseminar mit jungen Menschen. Und wir suchen nach weiteren Orten in Duisburg, um dezentrale Angebote aufzubauen.
Auch im ambulanten Bereich ist viel in Bewegung.
Liedmann: Es werden viel mehr niederschwellige Hilfen im Haushalt nachgefragt. Darauf haben wir uns mit den Sozialstationen relativ früh spezialisiert. Wachstum wäre möglich, aber es fehlt an den Mitarbeitern. Wir brauchen künftig examinierte Fachkräfte die pflegen, aber auch Prozesse organisieren und validieren, aber auch Mitarbeiter mit Sozialkompetenz, die im Haushalt helfen können.
Was bringt die gemeinsame Ausbildung in Alten- und Krankenpflege?
Christofczik: Die Generalistik bedeutet auch in Educare, unser Fachseminar, einen kompletten Neustart. Wir suchen jetzt Kooperationen mit Krankenhäusern, hinzu kommt der neue Pflege-TÜV, eine Vielzahl von weiteren Herausforderungen. Aber die Richtung stimmt. Die Kritik ist großteils interessengeleitet. Die Altenpflege kann weiter attraktiv bleiben.
Müssen alle mehr Nachwuchs ausbilden?
Liedmann: Die Pflegeschulen sind ausgebucht. Aber die Verrentungszahlen sind so hoch, dass sich das die Waage hält. In der Altenpflege haben sich durch die Ausbildungsumlage die Zahlen schon deutlich erhöht. Aber wir müssen viel dafür tun, den Beruf auch attraktiv zu gestalten, nach der Rückkehr aus Elternzeit und Mutterschutz attraktive Angebote machen.
Was heißt das?
Christofczik: Es geht um Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sichere Dienstpläne, attraktive Vergütung. Die Karriereperspektiven sind so gut wie in wenigen Berufen. Dennoch wollen viele junge Menschen nicht in die Pflege. Ohne ausländische Fachkräfte wird es deshalb kaum funktionieren.
Bleiben kleine Pflegedienste konkurrenzfähig?
Liedmann: Im ambulanten Bereich geht es vielleicht noch einige Zeit. Das Management kann in einem begrenzten Bereich gut funktionieren. Im stationären Bereich ist das nicht mehr beherrschbar. Für ein einzelnes Altenheim sind die Anforderungen zu komplex.
Wollen Sie im stationären Bereich wachsen?
Liedmann: Die größte Herausforderung bleibt für uns die Investition in den Bestand. Den 24 bereits investierten Millionen werden in den nächsten fünf Jahren mindestens fünf weitere folgen müssen. Der Platzzahl-Abbau hat für uns auch wirtschaftliche Folgen. Aber wir sind gut aufgestellt, um das Unternehmen wirtschaftlich stabil zu halten. Personalgewinnung bleibt ein dominierendes Thema: Wenn wir keine Mitarbeiter finden, ist alles nichts.
>>> Altenheime, ambulante Pflege und Wohnprojekte
Das Christophoruswerk e.V. betreibt neben zehn stationären Pflegeeinrichtungen in Duisburg fünf Wohnprojekte sowie Betreuungsangebote für an Demenz erkrankte Menschen.
Das diakonische Unternehmen ist Mehrheitsgesellschafter der drei Ev. Sozialstationen und der Pflegeschule Educare.