Duisburg. Nach dem Test-Desaster: Schulen im Notbetrieb, Eltern organisieren Impfaktion und schreiben offene Briefe. So läuft es an den Grundschulen.

Seit einer Woche, als das Schulministerium in einer Rolle rückwärts die kaum zwei Wochen alte Teststrategie über den Haufen warf, müssen sich die Kinder an Grundschulen selbst testen. Lehrer, Schulleiter und Eltern sind genervt:

Die morgendliche Fummelei mit den Selbsttests ist ein Grauen, da geht in den Klassen 1 und 2 einiges schief, sagt Edith Winter, Schulleiterin der Grundschule Am Knappert in Duisburg-Rahm: Testkits fallen auf den Boden, die Flüssigkeit läuft aus, die Verpackung geht nicht auf, von der korrekten Sekretentnahme ganz zu schweigen.

Bei den Selbsttests an Grundschulen geht vieles schief

Winter hat letzte Woche allen Kindern einen Test mitgegeben, um als Hausaufgabe damit zu üben: Die neuen Teste seien alle einzeln in Folie verpackt, „das dauert unglaublich lang“, hat sie beobachtet. Friederike Wilde, Konrektorin an der Grundschule am Park, bestätigt: Die erste Stunde geht locker drauf für die Testungen. Und das angesichts positiver Lolli-Pools täglich.

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Wenigstens ist das Kollegium in Hamborn vollständig. Bei Kollegin Winter in Rahm gilt für diese Woche ein Notstundenplan. Drei Kollegen sind infiziert, eine weitere krank, damit ist das ohnehin kleine Team an der zweizügigen Grundschule schon halbiert. „Die Kollegen wollten dennoch nicht in den Distanzunterricht gehen, deshalb machen wir Wechselunterricht, sodass jedes Kind täglich zwei Stunden in die Schule kommen kann“, sagt Winter. Sogar eine Betreuung sei bei Bedarf bis nachmittags gewährleistet. „Noch schaffen wir das.“

Dass allein Wien mehr PCR-Tests schafft als ganz Deutschland, macht sie fassungslos. Schadensbegrenzung nennt sie ihr Tun, zum Beispiel nach den Testergebnissen. Ein positiv getestetes Kind soll pädagogisch begleitet werden, bis es von den Eltern abgeholt wird. Denn natürlich fließen da auch mal Tränen. Da der Rest der Klasse allein wäre, springt der „liebenswürdige“ Hausmeister mit ein. Auch für die Eltern hat Winter lobende Worte, „die machen das alles tapfer mit“, obwohl alle immer auf Hochspannung sind, „die Belastung spüren wir alle“.

Eltern beklagen mangelnde Planungssicherheit

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Zum Beispiel Nicole Wahser, Schulpflegschaftsvorsitzende der Grundschule am Röttgersbach. „Ich hab morgens bis neun Uhr keine Planungssicherheit, ob ich arbeiten kann oder meine Tochter von der Schule abholen muss“, erzählt sie – deshalb schrieb sie einen offenen Brief an Oberbürgermeister Sören Link: Für die Eltern der 400 Kinder an ihrer Schule sei die Situation untragbar.

Auch für die Lehrer: Während in Praxen und Testzentren in voller Schutzmontur gearbeitet werde, müssten Lehrerinnen und Lehrer je 25 Erstklässlern ohne Schutzkleidung helfen. Link möge im Namen der Kinder mit der NRW-Regierung sprechen.

„Wir Eltern sind völlig am Ende unserer Kräfte“

„Bitte sehen Sie die Kinder als vulnerable Gruppe und priorisieren Sie unsere Kinder endlich“, fordert Wahser gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin Yvonne Kresmer und allen Klassenpflegschaften. „Viele Kinder leiden unter dieser anhaltenden Pandemie. Auch wir Eltern sind völlig am Ende unserer Kräfte.“ Die Situation sei „die schlimmste“ der bisherigen Pandemie, weil es null Planungssicherheit gebe: „Jeder Tag ist eine Wundertüte. Jeden Tag müssen wir Betreuung, Care und Erwerbsarbeit jonglieren und werden damit alleine gelassen.“

Um der Schule die morgendliche Testerei zu erleichtern, gebe es sogar Eltern, die bereit wären vor Ort morgens ein kleines Testzentrum zu betreiben, aber dafür fehlen die Ansprechpartner, bedauert Wahser. Vom Krisenstab habe sie jedenfalls keine Rückmeldung bekommen.

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Mutter organisiert eigene Impfaktion für Grundschüler

Sandra Schulten, Schulpflegschaftsvorsitzende an der Grundschule am Park in Marxloh, hat sich jetzt selbst an die Planung einer Impfaktion gemacht, zusammen mit Kinderarzt Dr. Christoph Fangmann und ihrer Vertreterin Kathrin Voss. Kinder von Schulen und Kitas im Norden sollen die Möglichkeit haben, direkt nach dem Unterricht, wenn sie von ihren Eltern abgeholt werden, noch zum Impfen zu gehen. Die Einladungsbriefe habe eine Lehrerin auch ins Türkische übersetzt, um möglichst viele zu erreichen.

Die Kinder von Voss und Schulten sind durchgeimpft, trotzdem haben die Mütter Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus. „Ich finde, dass die Gefahren komplett heruntergespielt werden, das ist einfach nicht wie Schnupfen“, betont Schulten. Wie mit den Schulen umgegangen wird, sei ebenfalls „nicht witzig, die Lehrer und Schulleiter sind total bemüht, gehen aber am Stock“. Schon die Teststrategie ab Anfang Januar sei gescheitert, „das hat kein einziges Mal geklappt, dass wir das Einzelergebnis nach einem positiven Pool-Test am nächsten Morgen vorliegen hatten“, sagt Schulten. Die Tochter blieb also in Quarantäne.

>>Sieben-Tage-Inzidenz

  • In der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen ist die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit am höchsten in Duisburg: Sie liegt bei 4373,6 und 1018 Neuinfektionen.
  • Bei der Altersklasse der 5- bis 9-Jährigen, die die Grundschüler am ehesten abdeckt, liegt die Inzidenz bei 2603,9 und 609 Neuinfektionen.