Duisburg. In Duisburger Kitas gibt es immer mehr Omikron-Fälle, Gruppen werden geschlossen: So gehen Eltern, Erzieher und Träger mit der Situation um.
Die Lage in den Kindergärten und Kindertagesstätten in Duisburg ist angespannt: Immer mehr Kinder infizieren sich mit Corona, immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkranken, Einrichtungen gehen in den Notbetrieb.
Stand Montag waren 188 Kinder und 175 Mitarbeiter positiv getestet und in Quarantäne. Wie geht es den Erzieherinnen und Erziehern, den Eltern, den Trägern? Wir waren zu Gast im Evangelischen Familienzentrum Kanalstraße in Obermeiderich.
Die Kita gibt es schon seit 1957, ist aber frisch saniert mit viel Glas, Holz, Backstein, hohen Decken. In einer Gruppe liegen Kinder auf dem Boden und spielen mit Bauklötzen, in einer anderen sitzen sie an Tischchen und puzzeln mit ihren Betreuerinnen. Wo man hinschaut, freundliche Gesichter. Ganze Gesichter! Klein und Groß sind ohne Mundschutz.
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Das sagen Eltern zur Situation im Kindergarten
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Philipp Flunkert holt seinen Sohn Karl ab, mit Baby und Kleinkind schätzt er die Kita und sorgt sich weniger um Ansteckung als um die Betreuung. „Das zerschießt uns sonst die ganze Tagesstruktur, die Kinder brauchen Routinen.“ Weil er gerade in Elternzeit ist, hat er zumindest keine Betreuungsprobleme. Was ihn nervt, sind die immer neuen Regeln. „Man versteht vieles nicht und muss sich erst mal übersetzen, was es für einen persönlich bedeutet.“ Am Ende bleibe der Eindruck: „Alles wird gemacht, damit die Welt der Erwachsenen nicht auseinander gerät.“ Bilder aus vollen Stadien machen ihn zornig: „Nach so langer Zeit hätte es für Schulen mehr Lösungen geben können als lüften und Jacke an.“
Annika Murtinu, deren Tochter Aurora in den Kindergarten geht, ist mit Sohn Adriano (elf Monate) in Elternzeit. Die Kinder und ihr Vater waren über Weihnachten infiziert, sie blieb als einzige negativ. Die Verläufe waren mild, schlimmer als Corona war für die Vierjährige die Quarantäne, berichtet Murtinu. „Ihr fehlt der Kontakt zu anderen Kindern.“ Wie schon so oft in den letzten zwei Jahren, sagt die Grundschullehrerin, „für uns als Familie waren die letzten zwei Jahre schwer“.
Als problematisch erwiesen sich etwa die Kinderkrankentage – zehn Tage reichen nicht, wenn man die Kleinen jedes Mal selbst betreut, wenn die Nase läuft.
Kinder kennen die Kita gar nicht ohne Corona
Auch wenn die Zahlen rasant steigen, bringen die Eltern ihre Kinder dennoch weiter in die Kita. „Wir setzen darauf, dass alle Eltern die Selbsttests nutzen“, sagt Lisa Schwarz, die den Kitaalltag für ihre Tochter Johanna (3) wichtig findet. Tilda (1,5) kommt zum Abholen immer mit.
Sorgen macht sich Schwarz wegen der Risikogruppen innerhalb der Familie, aber auf die Kita verzichten will sie nicht. „Wir bringen Johanna trotzdem, für sie soll es eine Routine geben.“ Eine Corona-Routine, denn ohne Pandemie kennt das Mädchen ihre Kita nicht.
So bewerten Erzieherinnen die Lage
Beate Faller-Mrosk, die Leiterin des Familienzentrums, beobachtet mit Sorge die steigenden Fallzahlen bei den älteren Geschwisterkindern, die schon zur Schule gehen. Eine Schließung der Kita hält sie daher nicht für ausgeschlossen, „zum Glück ist das Team durchgeimpft“.
Erzieherin Lena Jochheim will sich deshalb eigentlich gar keine Gedanken machen, sagt dann aber doch: „Wir gehen ins offene Feuer, wir sind ungeschützt, gehen ohne Maske mit den Kindern um und müssen den Eltern vertrauen, dass sie die Selbsttests nutzen.“ PCR-Tests wie an den Grundschulen fände sie besser, „man kann den Menschen ja nur vor den Kopf gucken“.
Im Kreis der Mitarbeiter von Evangelischen Kitas gebe es ein paar Kolleginnen, die schwer erkrankt waren und noch an den Folgen von Long Covid leiden. Die Angst drückt Jochheim weg: „Wir wollen den Kindern die schönstmögliche Zeit bieten.“
Diese müssen allerdings beim kleinsten Krankheitsanzeichen zuhause bleiben, da seien manche Eltern erbost, bedauert Faller-Mrosk und verweist auf die Hausordnung. „Wir wissen ja nicht, ob es ein allergischer Schnupfen oder doch ein Corona-Anzeichen ist“, erklärt Jochheim.
Lob für die Träger, Kritik am Ministerium
Vor zwei Jahren sei Corona mit den Kindern noch stärker thematisiert worden, „da haben wir das Virus mit einer Rakete ins Weltall geschickt“, erzählt Faller-Mrosk. Jetzt bleibt das Thema vor der Tür. „Die Kinder können hier unbeschwert sein“, sagen die beiden Erzieherinnen. Untereinander jedoch sei das Thema sehr präsent: „Wir funktionieren, weil wir uns im Team gut auffangen und den Humor nicht verlieren.“ Trotzdem mussten sie vor Weihnachten auf Notgruppen ausweichen. Der Krankenstand war zu hoch, „wir waren alle durch und brauchten eine Auszeit“.
Als Familienzentrum können sie ihrem Auftrag auch nur eingeschränkt gerecht werden. Offen sein für die Nachbarschaft – das ist derzeit undenkbar, Lesepatenbesuche oder andere Kooperationen: auf Eis.
Dankschreiben von Ministerien nimmt sie mit gemischten Gefühlen wahr. „Am Anfang dachte ich noch, ach wie nett, inzwischen glaube ich, wir werden nicht gesehen, nicht ernst genommen, wir haben gar keine Lobby.“ Lob erntet in dieser Richtung zumindest der Träger: „Wir werden gut informiert, Luftreiniger hatten wir schnell in den Gruppenräumen“, erzählt sie, „und wir fühlen uns wertgeschätzt“.
Das sagen die Träger der Kitas
Das Lob dürfte Dr. Marcell Fischell, den Leiter des Evangelischen Bildungswerks im Kirchenkreis Duisburg, freuen. Er weiß aber auch, dass „Luftfilter und Hygienekonzepte keinen hundertprozentigen Schutz bieten“. Die Situation „ist schon allein aufgrund der bekannt hohen Zahlen angespannt, bei den Mitarbeitern, aber auch in der Elternschaft“. Vor dem Jahreswechsel habe eine komplette Einrichtung geschlossen werden müssen. Aktuell gibt es in fünf von 13 Kitas bestätigte Infektionen, Notgruppen mussten noch nicht eingerichtet werden. Stand jetzt, betont Fischell. Denn „die statistische Wahrscheinlichkeit, dass es an uns vorübergeht, ist ja nicht sehr groß“. Auch in den Kursen des Bildungswerkes sei die vierte Welle sowohl bei den Mitarbeitenden, als auch bei den Teilnehmenden zu bemerken.
Bei den Kitas des Katholischen Zweckverbands ist die Pandemie ebenfalls spürbar: „Wir schaffen den Betrieb, aber es geht nicht ohne Gruppenreduzierungen“, sagt Leiterin Ursula Roosen. Die Fälle seien in den letzten zwei Wochen „rapide hochgegangen“. Seither sei ihr Hauptgeschäft, den Betrieb umzuorganisieren. In den 29 Kitas sind Stand Montag von 83 Gruppen elf nicht im Betrieb. „Wir reduzieren da, wo es notwendig ist, die Zahl der Gruppen entsprechend des zur Verfügung stehenden Personals.“
Die Erschöpfung spüre sie bei allen. „Ich bin froh, dass die Mitarbeiter alle noch so taff sind“, sagt sie anerkennend. Für die Sicherheit ihres Teams hätte auch sie lieber PCR-Tests, aber das sei wegen der fehlenden Kapazitäten nicht realistisch, „die Schnelltests sind besser als nichts“.
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>>KITAS IM NOTBETRIEB
Sieben der 80 städtischen Kitas können nur noch einen Notbetrieb für doppelt berufstätige Eltern anbieten. Coronabedingte Personalausfälle sind dafür ursächlich. Komplette Schließungen sollen nach Angaben der städtischen Pressestelle vermieden werden.
Betroffen sind diese Kitas:
Kita Wiesbadener Straße (Meiderich)
Kita Arlberger Straße (Süden)
Kita Beecker Straße (Hamborn)
Kita Märchenweg (Süden)
Kita Duisburger Str. 257 (Homberg)
Kita Albert-Schweitzer-Straße (Süden)
Kita Luwenstraße (Walsum)