Duisburg. Der Duisburger Kinderarzt Dr. Christoph Fangmann impft seit dem 7. Juni Kinder ab zwölf in seiner Praxis in Duisburg. Das sind seine Erfahrungen.
Nachdem die Impfung für Kinder ab zwölf Jahren jetzt auch im Impfzentrum im Theater am Marientor (TaM) angeboten wird, war das TaM am Wochenende erstmals auch für junge Menschen Anlaufpunkt für den Pieks. Impfen oder nicht? Das fragen sich viele Eltern.
Auch die Eltern der 491 Kinder, die am Wochenende nach der Beratung durch Kinderärzte im TaM geimpft worden sind, haben zuvor diese Frage diskutiert. Vor allem, weil die Ständige Impfkommission (Stiko) die Impfung für diese Altersgruppe nicht uneingeschränkt empfiehlt. Der Duisburger Kinderarzt Dr. Christoph Fangmann ist da eindeutig: „Ich bin dafür, Kinder ab zwölf zu impfen, insbesondere, wenn sich Kinder und Eltern damit beschäftigt haben und es wollen.“
Duisburger Arzt sagt: Impfen schafft Krankheiten ab
Fangmann impft bereits seit dem 7. Juni in seiner Praxis in Marxloh. „Ich bin neuen Impfungen gegenüber sehr aufgeschlossen. Impfen ist die einzige Chance, Krankheiten zu beenden“. Er erinnert an die Hirnhautentzündung, die vor allem für Kinder bis fünf Jahren lebensbedrohlich ist. „Davor hatten meine Kollegen früher richtig Angst“, sagt Fangmann. Ab 1990 wurde der Impfstoff gegen die so genannte Hib eingesetzt. „Die Krankheit gibt es praktisch nicht mehr“.
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Oder die Windpocken: „Früher hatte sich zehn bis 20 Kinder pro Tag in der Praxis, 2005 wurde die Impfung eingeführt, jetzt sehe ich höchstens noch ein Kind im Jahr.“ Fast jeder aus der Generation der „Babyboomer“ und älter erinnert sich noch an die Masern, an hohes Fieber und Bettruhe im abgedunkelten Zimmer. „Ich hatte auch eine Lederhautentzündung, die Augen taten fürchterlich weh“, erinnert sich Fangmann. Auch die Masern seien heute – bis auf einzelne größere Ausbrüche – ganz selten.
Sorge um normalen Schulbetrieb
„Es gibt Erkrankungen, die eigentlich weg sind. Ich bin nicht traurig drum, dafür gibt es keinen Artenschutz“, sagt Fangmann über diese „absoluten Erfolge“. Und so ordnet er auch Corona ein. Impfen sei die einzige Chance, einen neuen Lockdown zu verhindern. „Wechselunterricht, Homeschooling – diese Generation hat einen extrem hohen Preis gezahlt.“
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Der Arzt hat bei Kindern eine „Abwanderung in die digitale Welt“, beobachtet, einen „Verlust an Bildung und sozialen Kontakten.“ Er fürchtet, dass es beim ersten Covid-Fall in der Klasse erneut zu solchen Unterrichtsausfällen kommt. Dass ihre Kinder viel Zeit auf Facebook, Instagram und mit Spielen verdaddeln, setzte auch die Eltern unter Druck. Die könnten nicht einfach sagen: „Geh mal zu deinem Freund rüber.“
Kinderarzt: Impfrisiko ist „gut kalkulierbar“
Fangmann hält das Risiko einer Corona-Impfung für „gut kalkulierbar“, die Folgen einer Covid-Erkrankung hingegen nicht. Dazu gebe es keine Daten. „Was ist zum Beispiel mit Long Covid? Wir wissen es nicht!“ Er habe jetzt die ersten Zwölfjährigen in seiner Praxis zum zweiten Mal geimpft und dann bei den Eltern nachgefragt. „Ein Junge war danach ein bisschen schlapp, aber mit einer Cola und Pommes ging’s dann besser.“ Die 13-jährige Viktoria, die am Montag ihre Zweitimpfung bekommen hat, sagte, sie habe den Einstich gar nicht gemerkt. Auch nach der ersten Impfung hatte sie keinerlei Probleme.
Rund 750 Impfungen hat Fangmann in seiner Praxis in Marxloh bislang verabreicht, auch an Eltern von chronisch kranken Kindern. Ihn besorgt, dass 80 Prozent der geimpften Jugendlichen Gymnasiasten sind. Nach seiner Beobachtung hängt die Impfbereitschaft vom Bildungsgrad ab. Am schwierigsten sei es, Bulgaren von der Impfung zu überzeugen. „Ich spreche jede Mutter an, aber sie kommen nicht.“ Eine Bulgarin habe ihn mal gefragt, ob die Nadel der Spritze auch unbenutzt sei. Das habe ihn spontan verärgert, mache aber klar: „Sie haben kein Vertrauen in staatliche Institutionen.“
>>KINDER- UND JUGENDÄRZTE KRITISIEREN STIKO
- Obwohl der Impfstoff von Biontech und seit dem 23. Juli auch der von Moderna durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA für Zwölf- bis 17-Jährige zugelassen sind, empfiehlt die Stiko die Impfung für Jugendliche nur in Ausnahmefällen. Begründet wird diese Position unter anderem mit einer nicht ausreichend guten Datenlage.
- Deswegen hat der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Thomas Fischbach, die Stiko jetzt scharf angegriffen: „Es wird gesagt, dass man die Datenlage nicht für ausreichend hält, aber nicht warum man das so einschätzt und auch nicht, wann es denn ausreichend wäre.“ In anderen Ländern würden Millionen Kinder über zwölf Jahren geimpft. „Es muss inzwischen Daten geben.“