Duisburg-Ruhrort. Haniel, die Stadt und andere Partner wollen Ruhrort bis 2029 zum umweltneutralen Quartier machen. Was das für Projekte wie die Halle 2 bedeutet.
Die Firma Haniel startet mit Unterstützung der Stadt Duisburg und den Unternehmen „Greenzero.me“ sowie „Heimaterbe“ die Initiative „UrbanZero – Ruhrort wird enkelfähig“. Der Hafenstadtteil soll nicht weniger als das erste umweltneutrale Quartier der Welt sein, „und so eine Blaupause für Enkelfähigkeit im urbanen Raum zu schaffen.“ Nun trafen sich die Kooperationspartner, um sich ihrer Ambitionen zu versichern.
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„Enkelfähig“ ist ein Begriff, den Haniel schon vor Jahren geprägt hat. „Unser Handeln orientiert sich an drei Feldern: People, Planet, Progress. Wir sind der festen Überzeugung, dass Umwelttechnik und Mobilität wichtige Felder für die Wirtschaft der Zukunft sind“, erklärt Simone Fuchs, Leiterin der Konzern-Kommunikation von Haniel. Der Vorstandsvorsitzende Thomas Schmidt betont: „Wirtschaftlicher Erfolg und Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch. Bei Haniel wollen wir erfolgreich sein, indem wir nachhaltige Unternehmen aufbauen, die eine lebenswerte Zukunft sichern. Dafür müssen wir auch die soziale und gesellschaftliche Dimension mitdenken.“
Duisburger Projekt „Urban.Zero“ soll weltweites Vorbild werden
Der Anspruch, künftig in einem umweltneutralen Umfeld zu wirken, könnte Ruhrort nachhaltig verändern. Simone Fuchs sagt: „Wir haben uns bewusst entschieden, dieses Projekt in Ruhrort anzuschieben und hier zu investieren. Direktorin Jutta Stolle erinnert daran, dass das Familienunternehmen schon einmal in den 1980er Jahren dafür gesorgt habe, dass sich im Umfeld etwas tut. Haniel hatte seinerzeit beispielsweise die hübschen Laternen gesponsert und seinen Campus angelegt, die Stadt parallel die Straßen saniert. Ähnliche Schubkraft soll auch von „Urban.Zero“ ausgehen. Fest eingeplant sei ein Stadtteilbüro, in dem sich Bürger, aber auch Immobilienbesitzer und Investoren informieren können.
Wie Ruhrort groß wurde und Duisburg Konkurrenz machteIn virtuellen „Kick-off“-Veranstaltungen wurden bereits erste Bürger und Institutionen informiert, die sich in Ruhrort engagieren. „Umweltneutralität geht weit über die bekannte Klimaneutralität hinaus und umfasst neben dem Klimaschutz Themen wie die Sicherung der Biodiversität und dem Schutz der Böden und Gewässer. Mit der Initiative sollen all diese Faktoren in Ruhrort berücksichtigt werden“, heißt es. Ziel sei es, dass menschliches Wirken in Ruhrort ab 2029 die Umwelt nicht mehr negativ beeinträchtige und so vor allem den Ruhrortern selbst mehr Lebensqualität und eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation bringt.
„Wir stehen noch ganz am Anfang, aber uns war wichtig, dass es jetzt losgeht“, erklärt Haniel-Direktorin Jutta Stolle. Das Projekt gliedere sich in drei Phasen. In diesem Jahr werde analysiert, wie hoch die jährlichen „Umweltkosten“ für Ruhrort sind. Eingerechnet werden dabei alle im Stadtteil erbrachten Dienstleistungen, alle genutzten oder selbst hergestellten Produkte und damit alle menschlichen Einflüsse auf die Umwelt.
Diese Analyse-Phase finanziert das Familienunternehmen mit einem Millionen-Betrag vor. Ab 2023 sollen die Umwelteffekte durch konkrete Maßnahmen reduziert oder die nicht reduzierbaren Auswirkungen zum Beispiel durch die ökologische Bearbeitung von Brachflächen oder Gebäudesanierungen und -bepflanzungen kompensiert werden.
Oberbürgermeister Sören Link sagt Zusammenarbeit zu
Ein konkretes Beispiel, mit dem der CO₂-Fußabdruck verkleinert werden soll: In der Haniel-Kantine wird möglichst regional und ökologisch, eben grün, gekocht. Zudem unterstützt Haniel die Mitarbeiter, wenn sie mit dem Rad zur Arbeit kommen.
„Haniel ist in Duisburg tief verwurzelt. Die Initiative für dieses ambitionierte Generationenprojekt ist deshalb ein Musterbeispiel dafür, wie Unternehmen in ihrem direkten Umfeld Verantwortung übernehmen. Ich werde dem Rat vorschlagen, dass sich die Stadt an diesem Projekt beteiligt. Nur gemeinsam wird es uns gelingen, unsere Stadt insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel zukunftsfähig aufzustellen“, freut sich Oberbürgermeister Sören Link auf die Zusammenarbeit.
Dr. Dirk Gratzel, Gründer und Geschäftsführer von „Heimaterbe“ und gemeinsam mit Wissenschaftlern der TU Berlin auch Gründer von „Greenzero.me“ weiß: „Das ist ein weiter Weg. Wir werden die Ziele von ,UrbanZero Ruhrort’ nicht erreichen, wenn wir kleine Schritte machen und am Ende noch ein paar Bäume pflanzen. Es braucht Mut und den Willen, urbanes Leben grundlegend zu verändern.“ In Anbetracht der Unterstützer ist er allerdings zuversichtlich: „Diesen unbedingten Willen zum Erfolg erlebe ich schon jetzt täglich bei Haniel, der Stadt Duisburg und den Projektpartnern, die einen sehr mutigen Schritt voran für uns alle machen.“
Neue Hafen-Halle vor Rheinorange – Debatte um LogistikbauWie die einzelnen Maßnahmen in den nächsten Jahren konkret ausgestaltet werden, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Klar ist allerdings eins: Schon beschlossene Bauprojekte, wie die in Ruhrort umstrittene Halle 2 lassen sich im Nachhinein nicht mehr verändern. Auf Nachfrage unserer Zeitung, erklärt Stadtsprecherin Susanne Stölting: „Für die Halle gibt es eine gültige Baugenehmigung, die vom Oberverwaltungsgericht bestätigt wurde. Nachträgliche Forderungen an den Bauherren sind hier nicht möglich, sie beruhen auf Freiwilligkeit.“
Stadt will mit Haniel gemeinsam Projekte entwickeln und Förderung beantragen
Gemeinsam mit Haniel wolle man als Stadt konkrete Projekte entwickeln und anschließend mit dem Land NRW über eine entsprechende Förderung sprechen. „Viele Projekte der Stadtplanung werden durch Bebauungspläne vorbereitet. Diese Satzungen ermöglichen es einer Kommune, verbindliche Regelungen im Sinne des klimagerechten Bauens zu definieren, binden zudem die Kommune gleichzeitig an das mit Satzungsbeschluss erlassene Regelwerk“, so Stölting. Zwar sei eine „rückwirkende Verschärfung“ nicht möglich, aber beispielsweise der Ausschluss von Schottergärten, Rückhaltung von Niederschlagswässern oder das Anlegen von begrünten Dächern könne auch in laufenden oder abgeschlossenen Projekten aufgenommen werden.
Andreas Bartel, Sprecher von Duisport, skizziert, wie sich der Hafen in das Projekt einbringen möchte: „Der Duisburger Hafen ist ein wichtiger Player in Ruhrort und sich dieser Verantwortung auch schon lange bewusst.“ Deshalb beschäftige man sich seit mehreren Jahren intensiv mit dem Thema Umwelt und Nachhaltigkeit. Mit „EnerPort I“ erstelle Duisport gemeinsam mit dem Institut „Fraunhofer Umsicht“ ein Gesamtkonzept zur Energienutzung und -versorgung des über 1550 Hektar großen Areals – in Bezug auf die Herausforderungen der Energiewende. „Diese Erkenntnisse leisten einen wertvollen Beitrag bei dem Projekt, Ruhrort wird umweltneutral“, ist sich Bartel sicher. Zudem werde mit „EnerPort II“, dem Bau des ersten klimaneutralen Terminals ein entscheidender Beitrag geleistet. „Nicht zu vernachlässigen sind auch der stetige Ausbau der Landstromversorgung und unsere Beteiligung am Projekt Rh2ine, mit dem Ziel, bis 2023/24 erste wasserstoffbetriebene Binnenschiffe zwischen Rotterdam und Duisburg verkehren zu lassen.“
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Haniel-Vorstandsvorsitzender Thomas Schmidt verdeutlicht: „UrbanZero kann ein Beleg für das erfolgreiche Zusammenwirken von Ökologie, sozialer Verantwortung und wirtschaftlicher Entwicklung werden.“ Das könne man nicht allein schaffen. „Doch wenn uns gemeinsam dieser Wandel in einem bestehenden Quartier wie Ruhrort gelingt, hat das Leuchtturmcharakter und kann auch in anderen Städten und Ländern den urbanen Raum enkelfähig – und damit lebenswert machen.“
>> NICHT AN DEN BÜRGERN VORBEI DISKUTIEREN
- Die Neuerungen im Stadtteil sollen nicht an den Bürgern vorbei diskutiert werden. Schon bald soll es weitere Informationsveranstaltungen geben. „Dreh- und Angelpunkt für alle Beteiligten wird der Haniel-Campus sein“, erklärt Haniel-Sprecherin Simone Fuchs. Dort sei schließlich auch die Impact Factory beheimatet, die deutschlandweit führend beim Aufbau nachhaltiger Start-ups sei.
- Mit den jungen Unternehmen soll „UrbanZero dazu beitragen, Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen vom Standort Duisburg und Ruhrort zu überzeugen und die hier ansässigen Unternehmen in ihrer Transformation zu mehr Nachhaltigkeit zu unterstützen.