Duisburg-Ruhrort. Haniel, die Stadt und zahlreiche Partner wollen Ideen sammeln, wie Ruhrort umweltneutral wird. Das halten die Ruhrorter von den Plänen.

Die Firma Haniel und die Stadt wollen mit zahlreichen Partnern Ruhrort zum ersten umweltneutralen Stadtteil der Welt machen. Und obwohl es bereits in der Vergangenheit viele Ideen für den Hafenstadtteil gab, die nur in den seltensten Fällen stringent umgesetzt wurden, fallen die Reaktionen überwiegend positiv aus. Wir haben uns umgehört.

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Dirk Grotstollen ist Vorsitzender des Bürgervereins Duisburg-Ruhrort.
Dirk Grotstollen ist Vorsitzender des Bürgervereins Duisburg-Ruhrort. © FUNKE Foto Services | Foto: Jörg Schimmel

Vorsitzender Bürgerverein Duisburg-Ruhrort: „Ohne Haniel würde sich nicht so viel bewegen“

Dirk Grotstollen, Vorsitzender des Ruhrorter Bürgervereins, hat an der ersten Informationsveranstaltung von Haniel teilgenommen. „Es ist gut, dass Haniel da etwas anstößt und auch andere mit im Boot sind“, sagt Grotstollen und nennt den Hafen, die Gebag oder die Sparkasse. „Ohne Haniel würde sich sicherlich nicht so viel bewegen.“ Was konkret, darüber lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt noch wenig sagen. Und auch, was genau alles mitgerechnet werde, wenn man von Umweltneutralität spreche. Zählt auch der Verkehr dazu oder nur, was die Firmen verursachen?„Wenn man auch den Verkehr nimmt, dann wird es natürlich schwierig“, weiß Grotstollen. Er ist aber überzeugt: „Ruhrort hat Potenzial. Gut, wenn sich etwas bewegt.“

Kerstin Ciesla, Ruhrorterin und stellvertretende Vorsitzende des BUND NRW, freut sich über die Initiative
Kerstin Ciesla, Ruhrorterin und stellvertretende Vorsitzende des BUND NRW, freut sich über die Initiative © Foto: Barbara Zabka / FUNKE Foto Services

Kerstin Ciesla appelliert an die Stadt, „nicht nur Willensbekundungen zu machen“

Kerstin Ciesla, Vorsitzende des BUND und Ruhrorterin, gibt dem Projekt jede Menge Vorschuss-Lorbeeren: „Ich bin begeistert, dass jemand in Duisburg das Wort Umwelt- und nicht nur Klimaneutralität in den Mund nimmt, denn das ist eine Hausnummer.“ Sie sei dankbar, dass Haniel diese „geniale Idee“ hatte und nun gespannt, wie diese nun konkret umgesetzt werden soll. „Ich hoffe nur, dass die Stadt nicht nur Willensbekundungen macht. Weder die vorhandene Personaldecke im Klima und Umweltbereich kann eine zusätzliche Aufgabe übernehmen, noch ist dazu etwas im aktuellen Haushalt enthalten.“ Trotz der Skepsis freue sie sich aber auf die geplanten Diskussionsveranstaltungen.

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Am Ruhrorter Neumarkt betreibt Astrid Szibbat alias Rita Gomez ein Atelier für Hüte, die sie in ihrer Werkstatt herstellt. Zudem imkert sie sowohl auf den umliegenden Rhein- und den Ruhrwiesen – Ihr Honig aus dem Duisburger Hafen ist ein ebenso beliebtes wie schmackhaftes Mitbringsel. „Die Beschäftigung mit der Imkerei folgt meinem Interesse an städtischer Flora und Fauna. So betrachte ich seit über zehn Jahren bewusst die Entwicklung des hiesigen Bestandes an Stadtbäumen, Wildkräutern, Pionierlebensräume und Mauervegetation. Selbstverständlich begrüße ich jede Initiative in Richtung Klima- beziehungsweise Umweltneutralität.“ Sie sei gespannt auf die Lösungsvorschläge.

Astrid Szibbat hält seit 2014 eigene Bienen in Ruhrort. Sie hat in den vergangenen Jahren selbst beobachtet, wie sich die Natur im Stadtteil verändert hat.
Astrid Szibbat hält seit 2014 eigene Bienen in Ruhrort. Sie hat in den vergangenen Jahren selbst beobachtet, wie sich die Natur im Stadtteil verändert hat. © WAZ FotoPool | Foto: Markus Joosten

Astrid Szibbat: „Menschen inspirieren am Wandel mitzuarbeiten“

Ruhrort habe in Sachen Vegetation einiges zu bieten. „Das Vorhandensein von wertvollem Stadtgrün trägt direkt zur Umweltneutralität bei. Ich wünschte mir, dass dieser Schatz fachkundig und verantwortungsvoll gepflegt werden würde.“ Es sei wichtig, die Ruhrorter, Eigentümer, Wirtschaftsbetriebe und Firmen einzubeziehen – und natürlich die Stadt. „Vielleicht ist es kurz gedacht, so greifbar und im Kleinen zu agieren. Ich glaube jedoch, das kann ein direkter Weg sein, Menschen zu inspirieren am Wandel mitzuarbeiten. Ein neuer Blickwinkel auf ihr Viertel wird möglich. Ideen entstehen, bürgerschaftliches Engagement wächst. Und nur so kann die Umsetzung eines von außen geplanten Projekts zur Transformation erfolgreich sein“, ist Astrid Szibbat überzeugt.

Dirk Lechtenberg betreibt in Ruhrort ein Unternehmen, das andere Betriebe berrät, wie sie Emissionen mindern können.
Dirk Lechtenberg betreibt in Ruhrort ein Unternehmen, das andere Betriebe berrät, wie sie Emissionen mindern können. © WAZ FotoPool | Foto: Alexandra Roth

Dirk Lechtenberg betrachtet den Vorstoß aus Sicht eines Ruhrorter Unternehmers, der selbst schon seit vielen Jahren andere Betriebe über emissionsmindernde Maßnahmen berät. „Grundsätzlich finde ich es toll, dass Haniel im Rahmen seiner ,Enkelfähig’-Strategie nun auch Ruhrort mit einbeziehen will. Jede Initiative, die emissionsmindernd wirkt, ist willkommen.“

Unternehmer Dirk Lechtenberg: Emissionsmindernde Maßnahmen für Ruhrort

In den vergangenen zwei Jahren sehe man in der Branche, dass immer mehr Unternehmen eine „grüne“ Fahne vor sich her trügen und mit Klimaneutralität ihrer Unternehmen und Produkte werben. „Leider ist dies oft Greenwashing. Wichtig ist es, tatsächlich Emissionen zu vermeiden, etwa durch den Aufbau von erneuerbaren Energieerzeugungskapazitäten wie Wind, Wasser, Sonne oder Energiesparmaßnahmen umzusetzen.“

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Vielfach setzten die Unternehmen auf so genannte „Kompensationsmaßnahmen“ und pflanzten etwa in Entwicklungsländern Bäume. „Ich hoffe, dass Haniel gemeinsam mit allen beteiligten In Ruhrort emissionsmindernde Maßnahmen durchführt und nicht nur kompensieren möchte. Das spannende Projekt unterstütze ich als Ruhrorter Bürger, Unternehmer und Mitglied am Runden Tisch gerne.“

Holger „Mick“ Haering tut schon etwas für die Umwelt. Touristen und Einheimische chauffiert er in seiner E-Rikscha durch Ruhrort und rund um den Hafenstadtteil. „Was genau in Ruhrort in den nächsten Jahren geplant ist, da möchte ich mich noch mehr einlesen“, sagt er, angesprochen auf die Ideen. Er kennt aber das große Interesse der Bürger, mit seine Rikscha „Rike“ ganz ohne lauten Motor unterwegs zu sein. Aktuell bietet er Lichterfahrten an. Damit es keine Frostbeulen gibt, gehört auch ein wärmendes Fell zur Ausstattung. Grundsätzlich findet Haering spannend, was in Ruhrort passiert – und berichtet auf seinen Touren auch den interessierten Gästen davon.

Heiner Heseding vom Kreativquartier Ruhrort, die dem Stadtteil in den vergangenen Jahren immer wieder kreative Impulse gegeben haben.
Heiner Heseding vom Kreativquartier Ruhrort, die dem Stadtteil in den vergangenen Jahren immer wieder kreative Impulse gegeben haben. © FUNKE Foto Services | Foto: STEFAN AREND

Kreativquartier-Machen wünschen sich „liebens- und lebenswertes Ruhrort“

Auch Heiner Heseding, Moderator des Kreativquartiers, freut sich über den neuen Impuls, den das Unternehmen Haniel dem Stadtteil geben will. „Dies verstetigt Prozesse, die bereits in Ruhrort laufen und wird ein weiterer Baustein sein den Stadtteil für Ruhrorter, potenzielle Neubürger und viele Besucher attraktiv und anziehend zu machen“, glaubt Heseding. Er und seine Mitstreiter hätten sich seit Gründung des Kreativquartiers ein „liebens- und lebenswertes Ruhrort“ gewünscht.

An vielen Stellen sei dies schon Realität geworden. „Die Hoffnung wäre, dass diese teils noch zarten Pflanzen durch die Initiative weiteren Nährstoff und Wachstumspotenzial erhält.“ Als Kreativquartier sehe man sich jedenfalls „mittendrin statt nur dabei. Wir werden unsere Kräfte einbringen, wo wir können.“

>> Masterplan, Kreativquartier, Tourismus: Es gab schon viele Pläne für Ruhrort

Das waren noch Zeiten, als in Duisburg-Ruhrort Gäste eincheckten, um auf große Kreuzfahrt zu gehen.
Das waren noch Zeiten, als in Duisburg-Ruhrort Gäste eincheckten, um auf große Kreuzfahrt zu gehen. © WAZ FotoPool | Archiv-Foto: Matthias Düngelhoff

In der Vergangenheit bereits viele Idee, wie sich Ruhrort weiter entwickeln könnte. Unter Planungsdezernent Jürgen Dressler überlegte die Stadt gemeinsam mit Haniel und dem Hafen, aus Ruhrort einen Trend-Kiez zu machen – nach dem Vorbild von Kaiserswerth. Doch aus dem Masterplan von 2009 wurde nicht viel. Vom Kulturhauptstadtjahr blieb immerhin haften, dass sich Ruhrort als Kreativquartier versteht. Seitdem engagieren sich Heiner Heseding, seine Mitstreiter und zahlreiche Künstler und Institutionen wie das Lokal Harmonie, damit in Ruhrort die Straßen und teilweise leerstehenden Ladenlokale mit künstlerischem Leben gefüllt werden.

Auch dass Ruhrort sich zu einem touristischen Kleinod entwickelt, wurde immer wieder gehofft. An der Mühlenweide gibt es deshalb einen Steiger für Fluss-Kreuzfahrtschiffe. Der eine oder andere Besucher wandelt auf Schimanskis Spuren durch den Stadtteil. Doch auch dadurch hat Ruhrort bisher keinen nachhaltigen Aufschwung erlebt. Gleichwohl ist die Hoffnung, dass Investoren, Immobilienbesitzer und Firmen den Charme und das Potenzial des Hafenstadtteils für sich entdecken, nach wie vor vorhanden.