Duisburg. Stadt und Helios Klinik appellieren an die Duisburger: Vor dem Winter impfen! Mitarbeiter auf den Intensivstationen kommen an ihre Grenzen.

Die harten Corona-Maßnahmen sind gelockert, die Inzidenz pendelt in Duisburgum die 50, aber die kalte Jahreszeit steht bevor, und die Zahl der Geimpften wächst weiterhin nur langsam. Wieder mehr Covid-Patienten, und es sind immer jüngere: Das ist das Szenario, das auf den Intensivstationen gefürchtet wird. Und auch auf Unverständnis stößt.

Stadtdirektor Martin Murrack, der auch Leiter des Krisenstabs in Duisburg ist, und das Helios Klinikum haben jetzt gemeinsam dringend an die Duisburger appelliert, sich impfen zu lassen. Murrack fürchtet, dass zu viele denken „jetzt läuft’s“ und Corona sei überstanden. Aber alle Experten gehen davon aus, dass im Winter die Zahlen steigen. „Nutzen Sie jetzt noch die Chance, mit einer kostenlosen Impfung sicher und gesund durch den Winter zu kommen“, so Murrack.

Duisburger Krankenhaus-Chef: Winter wie 2020 soll sich nicht wiederholen

Die Sorge vor einer Überlastung des Gesundheitssystems wächst. Wobei die Last des „Systems“ vor allem die Intensivpflegerinnen und -pfleger, die Ärzte und Ärztinnen tragen. „Die letzten anderthalb Jahre haben alle hier im Klinikum viel Kraft gekostet, und wir können nur hoffen, das sich ein Winter, wie wir ihn 2020 hatten, nicht wiederholt“, sagt Birger Meßthaler, Geschäftsführer des Helios Klinikums in Duisburg.

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„Dramatisch“ nennt er, dass der Altersdurchschnitt der Covid-Patienten immer geringer werde und im August auf 36 Jahre gesunken ist. „Frustrierend“ seien die Erfahrungen fürs Personal. Am Donnerstag mussten von den sechs Covid-19-Patienten im Helios St. Johannes in Hamborn zwei auf der Intensivstation behandelt werden. „Keiner geimpft“, so Meßthaler.

„Da die Betroffenen in der Regel weniger Begleiterkrankungen haben, ist die Zahl der Intensivbehandlungen noch begrenzt“, so der ärztliche Direktor Dr. Wolfgang Lepper mit Blick auf die jüngeren Patienten, darunter auch Kinder. „Die mittleren und schweren Verläufe sehen wir aber ausschließlich bei Ungeimpften.“

Intensivpflegeteams kommen an ihre Grenzen

Appellieren an die Duisburger, sich impfen zu lassen (von links): Krisenstabsleiter Martin Murrack, die Leiterin der Intensivstation Alexandra Griesbeck, Klinikgeschäftsführer Birger Meßthaler und der Ärztliche Direktor Dr. Wolfgang Lepper.
Appellieren an die Duisburger, sich impfen zu lassen (von links): Krisenstabsleiter Martin Murrack, die Leiterin der Intensivstation Alexandra Griesbeck, Klinikgeschäftsführer Birger Meßthaler und der Ärztliche Direktor Dr. Wolfgang Lepper. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Zwar habe man seit Beginn der Pandemie über Beatmungstechniken viel gelernt, aber noch gebe es kein wirksames Medikament gegen die Infektion, warnt Lepper. Bislang werde nur Cortison eingesetzt. Insgesamt 163 Patienten sind im Hamborner Krankenhaus gestorben, stationär mussten knapp 1300 behandelt werden, so Lepper. „Der klare Appell: Impfen schützt.“

Alexandra Griesbeck ist seit 1987 am St. Johannes und seit 1990 Bereichsleiterin der Intensivstation. Die letzten anderthalb Jahre habe die Pflegeteams „oftmals an ihre Grenzen gebracht“. Für sie sei es die schlimmste Zeit ihres Berufslebens gewesen, sagt Alexandra Griesbeck. Es sei schwierig, „so machtlos zu sein“.

Als die Pandemie begann, habe man sich gefragt: Was passiert da? „Man hat alles gegeben und konnte nicht helfen.“ Dass sie jetzt die vielen jungen Patienten sehe, die mit schwersten Verläufen an Kliniken mit einer Herz-Lungen-Maschine weitergeleitet werden müssen, sei noch schwerer zu ertragen. „Früher sind sie nach zwei, drei Wochen zu uns zurück gekommen“, sagt Alexandra Griesbeck. „Diesmal keiner.“

Auch völlig gesunden Menschen setzt das Virus schwer zu

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Patienten, jünger als 50, sind nicht in der Lage zu sprechen oder zu essen, weil sie ohne Sauerstoffmaske sofort in Luftnot geraten: „Wenn man das sieht, ist es schwer nachzuvollziehen, wie sich jemand nicht mit Hilfe einer Impfung freiwillig davor schützen möchte.“ Schlimm gehe es sogar für viele Patienten weiter, die es geschafft haben, dann aber unter posttraumatischen Störungen leiden. Sie wisse von einem Patienten, der nicht mehr duschen könne. Mit dem Wasserstrahl setzte wieder die Luftnot ein.

„Wir haben die Wucht dieses Virus hautnah erlebt und schwere Schicksale auch vorher völlig gesunder Menschen“, sagt Alexandra Griesbeck. Das sei an den Kolleginnen und Kollegen, die „immer 120 Prozent im Einsatz waren“, nicht spurlos vorbei gegangen. In den Hochzeiten der Pandemie habe man „einfach funktioniert“, jetzt mit etwas weniger Stress fielen sie „in ein Loch“. Sie habe vor Corona nach Hause gehen und die Arbeit ablegen können. „Aber das geht jetzt nicht“, sagt Alexandra Griesbeck. „Wir hoffen, dass es uns nicht mehr so trifft. Es kann nur noch besser werden.“

>> RISIKO IST FÜR GEIMPFTE ZEHNMAL GERINGER

  • Ein klare Haltung zu Ungeimpften hat Prof. Isabella Heuser, Klinikleiterin für Psychiatrie an der Berliner Charité, jetzt formuliert: „Ich ärgere mich enorm darüber. Da nehmen Ungeimpfte anderen Kranken die Betten weg – obwohl sie diese Betten mit Impfung gar nicht brauchen würden. Das ist eine unglaublich unsolidarische Einstellung.“
  • Das Risiko, mit einer Corona-Infektion ins Krankenhaus zu müssen, ist bei Geimpften zurzeit rund zehnmal geringer als bei Ungeimpften, so das Robert-Koch-Institut (RKI). Es schätzt, dass durch Impfungen zwischen Januar und Juli rund 77.000 Krankenhausaufenthalte und rund 20.000 Fälle auf Intensivstationen verhindert wurden.
  • Laut der Statistik des Helios-Konzerns, der in Deutschland 89 Kliniken betreibt, waren von den 214 Covid-19-Fällen, die bundesweit in der 37. Kalenderwoche behandelt worden sind, 73 Prozent ungeimpft, knapp zwölf Prozent hätten auf Intensivstationen gelegen.