Duisburg. Sanubar Mammadov trauert um ihren Ehemann (38), der an Corona gestorben ist. Sie glaubt, dass Behandlungsfehler an seinem Tod Schuld sind.

Sommerliche Erleichterung ist spürbar. Mit den sinkenden Inzidenzzahlen fallen die strikten Corona-Einschränkungen auch in Duisburg, die Hoffnung auf die Rückkehr in ein normales Leben ist groß. Doch für manche gibt es keine leichte Rückkehr zur Normalität, es bleiben Schmerzen und Trauer um einen geliebten Menschen.

Shahlar Mammadov war 38, als er am 6. Mai 2021 starb. Ein junger Mann, fit und ohne Vorerkrankungen, wie seine Frau Sanubar Mammadov sagt. Die Frage, warum er sterben musste, lässt der Mutter von drei Kindern keine Ruhe. „Ich bin in der Hölle“, sagt die 37-Jährige. Sie glaubt, dass bei seiner Behandlung nicht alles richtig gelaufen ist.

Milde Corona-Verläufe bei den anderen Familienmitgliedern

Sanubar lebt seit 20 Jahren in Deutschland, Shahlar ist 2009 aus Aserbaidschan nach Duisburg gekommen. Am 25. November 2011 haben die beiden geheiratet, die Fotos in ihrer Wohnung in Wanheim-Angerhausen zeigen ein glückliches Paar. Ein Kind hat Sanubar mit in die Ehe gebracht, zwei weitere wurden geboren. Der Jüngste ist fünf, „ein Papakind“, wie seine Mutter sagt. Er könne nicht verstehen, dass sein Vater tot ist und glaubt, dass er bald vom Friedhof wieder nach Hause kommen wird.

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Ihr Mann habe sich mit einem privaten Fahrdienst selbstständig machen wollen, die entsprechende Prüfung bei der IHK gerade abgelegt, berichtet sie von seinen Plänen, die Corona plötzlich stoppte. Sie wurde am 16. April positiv auf das Virus getestet, er am 19. April. Während die Erkrankung bei ihr und den anderen in der Familie milde verlaufen sei, habe ihr Mann hohes Fieber und Atemprobleme bekommen.

Die Erkrankung verschlimmerte sich schnell

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Am 23. April kam er ins Bethesda-Krankenhaus, da habe er noch zu Fuß zum Krankenwagen gehen können. Doch im Röntgenbild habe die Lunge „nicht gut“ ausgesehen, erfuhr sie von ihrem Mann, als sie mit ihm auf der Infektionsstation telefonieren konnte. Besuche waren ja wegen Corona nicht gestattet. Dort bekam er Sauerstoff über eine Nasensonde. Doch seine Lage verschlechterte sich schnell.

Zwei Tage lang habe sie vergeblich versucht, ihn anzurufen, aber nichts mehr von ihm gehört und schließlich erfahren, dass ihr Mann auf die Intensivstation verlegt worden war. Am 28. April sei er intubiert und ins künstliche Koma versetzt worden. Sie und ihre Freundin Gülden Karakaya, die auch jetzt täglich an ihrer Seite ist, hätten immer wieder versucht, bei Ärzten und Pflegern telefonisch Auskunft darüber zu bekommen, wie es Shahlar Mammadov gehe.

Zuletzt Unterstützung durch die Uni-Klinik Essen gesucht

Es sei ihnen gesagt worden, der Patient habe eine Entzündung bekommen, die mit wechselnden Antibiotika bekämpft werde. „Es wurde nichts erklärt, immer nur gesagt, er ist stabil.“ Nach sechs Tagen habe sie der Chefarzt der Intensivmedizin ans Bett ihres Mannes geholt und ihr gesagt, seine Situation sei ernst. „Ich habe dort gewartet und gedacht, dass er aufwacht und dann stirbt“, sagt Sanubar Mammadov. Sprechen konnte sie nicht mehr mit ihm. „Da sah er noch ganz normal aus.“

Am 5. Mai sei ihr Mann schließlich ins Essener Uni-Klinikum verlegt worden und am 6. Mai um 2.50 Uhr gestorben. Die Ärztin dort habe ihr gesagt, es sei ein großes Risiko gewesen, ihren Mann noch zu verlegen. Gestorben sei er an einem Organversagen. Und die Ärztin habe angekündigt, die Kripo einzuschalten. Für die Ehefrau ein Schock. „Ich habe ihn nicht mehr erkannt“, sagt Sanubar Mammadov, seither frage sich sich: „Was haben sie mit ihm gemacht?“ Die Obduktion, die in Essen vorgenommen wurde, habe nichts Verdächtiges ergeben.

Witwe glaubt an einen Behandlungsfehler

Der Gedanke an einen Behandlungsfehler lässt der 37-Jährigen keine Ruhe: „Er war jung, kräftig, gesund. Er hätte es schaffen können. Haben sie zu lange mit der ECMO gewartet?“ Das ist die künstliche Lunge, die die Sauerstoffversorgung des Bluts für eine begrenzte Zeit übernimmt, während der der Patient genesen kann. Sie habe die Behandlungsunterlagen vom Bethesda haben wollen, aber die bekomme sie ebenso wenig wir ihr Hausarzt, sagt Sanubar Mammadov. Das macht sie misstrauisch, sie will einen Anwalt einschalten. „Mein Mann durfte nicht sterben!“

Krankenhaus spricht von einem „außerordentlich tragischen Verlauf“

404 Covid-Patienten wurden im Bethesda behandelt. Detaillierte Auskunft könne das Bethesda-Krankenhaus zum jetzigen Zeitpunkt nicht geben, so Sprecherin Jessica Reinartz. „Wir bedauern außerordentlich den tragischen Verlauf unseres an Covid erkrankten Patienten.“ Es gebe im Zuge der Pandemie gelegentlich Situationen, in denen auch die beste und intensivste Betreuung das Leben des Erkrankten nicht retten könne.

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Beim Krankheitsverlauf von Shahlar Mammadov seien auch der modernen Medizin Grenzen gesetzt gewesen. Der Tod eines vormals gesunden Menschen sorge auch bei den Mitarbeitern für große Betroffenheit. Man wolle mit der Familie einen Gesprächstermin ausmachen, um den gesamten Krankheitsverlauf zu erklären.

>> GEDENKEN AN CORONA-TOTE

  • Bislang sind 663 Menschen in Duisburg an Covid-19 gestorben. Waren es anfangs vor allem alte Menschen, nahm die Zahl der jüngeren in der dritten Welle zu. 27.905 Duisburger sind genesen.
  • Am 18. April hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einer Trauerfeier für die bis dahin bundesweit 80.000 Corona-Opfer nach Berlin eingeladen.