Duisburg. Begrünte Fassaden erleben im Kampf gegen die Klimakrise eine Renaissance – in Duisburg sind sie noch selten. Über Vor- und Nachteile.

Pflanzen, die wie ein grünes Tuch an Häusern hängen. Was in der Antike noch zu den sieben Weltwundern gehörte, ist heute vielerorts Teil des Stadtbilds. In Berlin macht das Fassadengrün ganze Viertel zur Oase, am Essener Porscheplatz zieht die „Green Wall“ aus Gräsern und Moosen Blicke auf sich. Duisburg dagegen liegt eher grau an Rhein und Ruhr, dabei bieten die „hängenden Gärten“ viele Vorteile für ein besseres Stadtklima. Über eine natürliche Klimaanlage, die Angst vor Käfern und die Kosten.

Anruf bei Clemens Belke in Lennestadt. Der Diplom-Ingenieur für Gartenbau beschäftigt sich seit fünf Jahren intensiv mit der Fassadenbegrünung. Nicht mit den Kletterpflanzen, die sich vom Boden aus am Gebäude hochranken, sondern mit fest an der Fassade verankerten Setzkästen. Viel hat Belke experimentiert, die genaue Pflanzenzusammensetzung ist ein Betriebsgeheimnis. Was dagegen fest steht: Seine Kreationen zieren inzwischen Fabriken und Hotels im Sauerland oder den Neubau des Energieversorgers und Dienstleisters ENNI in Moers. Und sind echte Hingucker.

Fassadengrün ist angesagt, bei Belke wächst das Auftragsvolumen

Die Klimakrise verlangt nach Lösungen, um die Umwelt zu schonen und das Stadtklima zu verbessern. Fassadengrün ist angesagt: „Wir haben einen stark wachsenden Markt. Ging es vor drei Jahren um ein Auftragsvolumen von 100.000 Euro jährlich, liegt es jetzt über eine Millionen Euro“, erklärt der Diplom-Ingenieur. 75 Prozent der Aufträge kämen von Privatpersonen.

Ein Hingucker über der Pommesschmiede: die Fassadenbegrünung am Essener Porscheplatz.
Ein Hingucker über der Pommesschmiede: die Fassadenbegrünung am Essener Porscheplatz. © Frittenwerk Essen

Mehrere Studien haben sich dem Thema angenommen. Die Berliner Humboldt-Universität stellte im Auftrag der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung (FBB) fest, dass Gräser und Moose pro Quadratmeter im Jahr bis zu 8,8 Gramm Feinstaub und 300 Gramm Kohlendioxid binden. Letzteres wandeln sie wieder in Sauerstoff um.

Die TU Darmstadt machte in einem Gutachten für das NRW-Umweltministerium deutlich: Eine große Bevölkerung in Kombination mit Hitzeinseln in der Stadt führe zu „einer besonderen Verwundbarkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels“. Das Gutachten nennt folgende Vorteile der Fassadenbegrünung:

  • sie produzieren Sauerstoff,
  • sie speichern CO2,
  • sie binden Feinstaub
  • sie kühlen die Umgebung durch Verdunstung,
  • sie dämmen das Gebäude und sparen so Energie ein, weil im Sommer weniger gekühlt bzw. im Winter weniger geheizt werden muss,
  • sie reinigen die Luft
  • und sie steigern den Wert des Gebäudes.

Preisunterschiede ob vom Boden oder an der Fassade

Das hat allerdings auch seinen Preis. Während die FBB für bodengebundene Pflanzen je nach Aufbau und Größe 15 bis 35 Euro pro Quadratmeter veranschlagt, geht es bei den fassadengebundenen Baukästen ab 400 Euro pro Quadratmeter los. Clemens Belke nennt gar 1000 Euro als Größenordnung. Zur Ausstattung gehören dann unter anderem eine Bewässerungsanlage, während eine App Temperatur und Verbrauch überwacht. Für die Pflege rückt zudem zwei Mal im Jahr der Gärtner an.

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Die hohen finanziellen Kosten seien einer der großen Nachteile, betont Belke. Auch der Aufwand bei der Planung und Genehmigung, etwa wenn es um den Brandschutz geht, machten die Arbeit mühselig. Dafür gibt der Experte an anderer Stelle Entwarnung: „Nützliche Tiere und Schädlinge halten sich die Waage.“

Ein Blick aufs Revier – so ergrünen andere Städte:

Der Duisburger Bernhard Patz, seit 35 Jahren diplomierter Gartenlandschaftsbauer und Chef der Pantel GmbH, warnt zudem davor, „nicht zu blauäugig an das Thema heran zu gehen“. Er habe im vergangenen Jahr ein ergrüntes Hotel in Singapur besucht. „Das war ausgezeichnet – aber Duisburg ist nicht Singapur.“ Je nach Fläche spricht er von einer teuren Pflege etwa durch Hubwagen für die Höhe – und bei heißen Sommern sei die Bewässerung zu bedenken.

Stadt Duisburg über Fördermöglichkeiten und eigene Gebäude

Auch die Stadt Duisburg führt auf Anfrage Nachteile der Fassadenbegrünung an, ob bei der Pflege oder bei Spuren an der Fassade, wenn die Kletterpflanzen entfernt werden. Dafür sei das Grün auf der anderen Seite neben der optischen Aufwertung auch aus ökologischer Sicht sinnvoll, teilt Sprecher Falko Firlus mit. Und gut für das Mikroklima, als Lebensraum für Vögel und Insekten sowie als eine natürliche Isolierung seien immergrüne Pflanzen allemal geeignet.

Die Firma Klinke in Neuenrade hat sich von Clemens Belke die Fassade begrünen lassen, dank Dämmwirkung bleibt die Halle ohne Klimaanlage kühl.
Die Firma Klinke in Neuenrade hat sich von Clemens Belke die Fassade begrünen lassen, dank Dämmwirkung bleibt die Halle ohne Klimaanlage kühl. © Clemens Belke

In Stadterneuerungsgebieten wie etwa Hochfeld, Marxloh oder Bruckhausen bestehen laut Firlus Förderungsmöglichkeiten, „Beratungen und Antragstellung erfolgen hier ausschließlich im jeweiligen Quartiersbüro.“ Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) nennt der Sprecher. Eine speziell angepflanzte grüne Fassade gebe es an städtischen Gebäuden noch nicht, dafür „sind einige Fassaden auf natürlichem Wege, also durch ‘Wildwuchs’, begrünt“. Auf ein Vorzeigeobjekt, wie Moers es bekommt, muss Duisburg also noch warten.

>> DVG begrünt Wartehäuschen an Bushaltestellen

  • Ein wenig erblüht es doch in Duisburg: Seit Ende 2020 bepflanzt die DVG Wartehäuschen von Bushaltestellen mit Wildwuchs.
  • Sedum-Gewächse, in ihrer Art robust und pflegeleicht, zieren nach und nach 29 Häuschen im Stadtgebiet. Sie sollen als Wasserspeicherfläche für rund 200 Liter Regenwasser dienen, Insekten anlocken sowie Feinstaub und CO2 binden. Allerdings machten im Sommer auch Bilder von verdörrten Dächern die Runde.