Mülheim. Die Stadt will Grün an Dach und Fassaden fördern. Das sieht nicht nur schmuck aus, sondern bringt auch etwas für Insekten, Vögel und das Klima.

Im Sommer leuchtet ihre Fassade im satten Grün, im Herbst zeigt sie ein wildromantisches Farbenspiel von Grün bis Beige – dass der Wilde Wein an ihrem Haus in Saarn optisch eine Augenweide werden würde, war Elke Horstmannshoff schon bewusst, als sie diesen vor 15 Jahren ansetzte. Doch ihre „Begrünung“ erweist sich in diesen Zeiten als cooler Klima-Renner.

Wie kühl das schillernde Grünzeug ist, haben die Horstmannshoffs besonders in den vergangenen heißen Sommern festgestellt: „Dann ist er ein Klimaausgleich und hält große Hitze ab. Wir denken, dass er auch für saubere Luft sorgt“, erzählen sie. Und eine weitere „Überraschung“ hält das blättrige Kleid parat.

Auch interessant

Kleine Vögel, Schmetterlinge und Insekten suchen Zuflucht in begrünter Fassade

So suchen darin immer mehr kleine Vögel, Schmetterlinge und Bienen Schutz und auch Nahrung, stellt Elke Horstmannshoff entzückt fest. Nachteile kann sie noch nicht erkennen, die oft befürchteten Beschädigungen an der Hauswand und dem Mauerwerk etwa durch die Haftwurzeln hat sie nicht bemerkt.

Schillerndes Grün: Das Haus von Elke Horstmannshoff ist fast das ganze Jahr über eine Augenweide.
Schillerndes Grün: Das Haus von Elke Horstmannshoff ist fast das ganze Jahr über eine Augenweide. © Elke Horstmannshoff | Elke Horstmannshoff

Klimafreundliche Hausbegrünung ist zwar in Mülheim ein Trend, wie Beispiele von Lesern zeigen. Es darf aber durchaus mehr werden. Das erhofft sich Ulrike Marx, Leiterin der städtischen Koordinierungsstelle Klimaschutz. Denn die Vorteile liegen für sie auf der Hand: „Fassaden- und Dachbegrünung führen zu einer besseren Kühlleistung durch Transpiration und Verschattung im Sommer und dämmen im Winter. Sie halten Wasser zurück, filtern Schadstoffe und sind Lebensräume für Insekten, Vögel und Kleintiere“, bestätigt sie.

Dachbegrünung kann die Sommerhitze halbieren

Die Kühlleistung lässt sich mit Zahlen untermauern: Bis zu 80 Grad können Dächer im Sommer aufheizen, eine Dachbegrünung senkt die Hitze um 50 Prozent. Und funktioniert damit auch optimal im Zusammenhang mit einer Photovoltaik-Anlage, die so mit gekühlt wird, empfiehlt die städtische Klimaexpertin.

Denn natürlich bekommt auch Mülheim den Klimawandel zu spüren: Mit einer um bis zu vier Grad höheren Jahresmitteltemperatur als heute rechnet die Verwaltung bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Außerdem mit trockeneren Sommern sowie intensiveren und längeren Hitzeperioden, gepaart mit Starkregenereignissen. So schildert es das Klimaanpassungskonzept von 2019.

Auch interessant

Mehr Förderprogramme für Dachbegrünung in Planung

Die Begrünung von Fassaden und Dächern ist daher eine Handlungsstrategie des Mülheimer Anpassungskonzepts. In den kommenden Monaten will die Kommune Förderprogramme des Landes und Bundes nutzen, um auf kommunalen wie privaten Dächern Grünflächen voranzutreiben. Einen interaktiven Kataster für Mülheim gibt es bereits, der anzeigt, auf welchen Dächern es möglich ist und was es bringt.

Stadt arbeitet weiter am „Klimalabor Broich“

Ein „Reallabor Klimaanpassung“ plant die Stadt Mülheim in Broich mit Fördermitteln des Bundes. Die Vorbereitungsphase soll 2021 beginnen. 2022 und 23 soll es in die Umsetzung gehen. „Hier liegt ein überwärmter Bereich“, sagt die Leiterin der städtischen Klimaschutz-Stabstelle Ulrike Marx, „wir wollen hier ausprobieren, mit welchen Mitteln wir das Kleinklima verändern können“.

Elf Schlüsselmaßnahmen sieht das Konzept für Broich vor , die Hitzestress, Starkregengefahr, Sturmgefahr und Trockenschäden vorbeugen sollen. Daran sollen „Wohn- und Arbeitsbevölkerung, Unternehmer, Wohnungsbaugesellschaften, verschiedene Verwaltungseinheiten, Politik“ beteiligt werden.

Auch für Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen bietet die Stadt übrigens ein Kataster, das zeigt, wo eine solche Anlage sinnvoll ist: www.klimaschutz-mh.de/solar-und-gruendach-kataster-des-rvr/

Ein Beispiel: Ein gut geeignetes Gründach von 30 Quadratmetern mit einer Mindestschicht an Substrat für bodendeckende flachwurzelnde Pflanzen kostet gut 25 Euro pro Quadratmeter, hält im Jahr zehn Kubikmeter Wasser zurück, bindet 300 Gramm Feinstaub und spart 20 Kilogramm CO 2 . Je dicker die Bodenschicht, desto mehr Wasser wird zurückgehalten, und je stärker ist auch die Dämmwirkung.

Kann Grün an Fassaden und Dächern das Stadtklima verändern? In neuen Bebauungsplänen sollen Gründächer für Garagen festgeschrieben werden, so Marx. Das allein aber wäre nicht ausreichend, denn so viel Neubauprojekte gibt es in der Stadt nicht, „die Musik spielt daher im Bestand.“