Duisburg. Autor Hasnain Kazim spricht mit Zehntklässlern der Globus-Gesamtschule in Duisburg über Rassismus, Hassmails und den Mut, sich zu wehren.

Hasnain Kazim schätzt die Ausgangssituation realistisch ein: Zu seiner Lesung an der Globus-Gesamtschule in Duisburg wurden die zehnten Klassen „verdonnert“. Seine Herausforderung also: „Dass ich sie dazu kriege, sich aufrecht hinzusetzen und zuzuhören.“

Einige hingen zwar auch nach einer Stunde engagierten Vortrags noch auf ihren Stühlen, aber das Interesse der Schülerinnen und Schüler war dennoch groß, gemessen an der minimalen Rate von Handys auf den Schößen. Den ersten Lacher setzte Kazim schon in Minute eins: „Salam aleikum, meine Brüder und Schwestern“, begrüßte er die Duisburger und stürzte sich mitten rein in die Debatte.

Hasnain Kazim fordert auf, sich nicht von rassistischen Angriffen einschüchtern zu lassen

Der ehemalige Marineoffizier der Bundeswehr bezeichnet seinen pakistanischen Migrationshintergrund lieber als Migrations-Vorteil, allein wegen der zweiten Sprache. Auch sonst sei vieles eine Frage der Sichtweise: Zwar sei er sehr verletzt gewesen, als ihm ein Mitschüler sagte, er sei „braun wie sch***“. Beleidigungen seien aber an der Tagesordnung gewesen, andere hätten es wegen vorstehender Zähne, Segelohren oder Übergewicht abbekommen. „So sind Kinder.“

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Seit er – noch zu Schulzeiten – die ersten rassistische Angriffe per Post bekam, beherzige er einen Rat seiner damaligen Französisch-Lehrerin: „Lass dich nie einschüchtern.“ Nicht mal angesichts von 1000 Morddrohungen.

„Wehrt euch, schaut nicht weg!“, mahnte der Buchautor Hasnain Kazim bei einer Lesung vor Schülern der Globus-Gesamtschule in Duisburg.
„Wehrt euch, schaut nicht weg!“, mahnte der Buchautor Hasnain Kazim bei einer Lesung vor Schülern der Globus-Gesamtschule in Duisburg. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Schulleiter bedauert, dass es in Streitigkeiten oft ums Persönliche, nicht ums Inhaltliche geht

Die Schule am Dellplatz vereint Kinder und Jugendliche aus 60 Nationen mit vielfältigen religiösen Hintergründen. Es gebe Probleme mit Antisemitismus und Rassismus, berichtet Schulleiter Erhard Schoppengerd, etwa weil sich im Religionsunterricht der Oberstufe Vorbehalte aus den Elternhäusern bei den Schülern zeigen würden.

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Er bedauert, dass insgesamt zu wenig gestritten und vieles persönlich genommen werde, statt sich inhaltlich auseinanderzusetzen. Auf den individuellen Austausch setzt auch Kazim. Aus seinen Auseinandersetzungen mit Hassmail-Schreibern machte er Bücher und damit „aus Sch*** Gold“, Auszüge daraus kamen bei der Lesung an der Schule gut an: „Geil!“, kommentierte ein Schüler die pointierten, ironischen Schlagabtäusche, die sich der Journalist und Autor mit „Karl-Heinz“ und „Marianne“ geliefert hat. Lacher und schmerzhafte Aufstöhner angesichts rassistischer Ungeheuerlichkeiten begleiteten die Lesung. Kazim forderte sein junges Publikum auf, selbst aktiv zu sein, sich einzumischen: „Macht den Mund auf! Wehrt euch, schaut nicht weg!“, sagte er, „und achtet auf eure Sprache“. So viel Schulunterricht muss sein.

„Bei jungen Menschen kann man noch viel bewegen“

Kazim, der auf Einladung des Schul-Sozialpädagogen Nehir Basaran nach Duisburg kam, ist gern an Schulen: „Bei den jungen Menschen kann man noch viel bewegen“, erklärte er am Rande der Veranstaltung. Er möchte sensibel machen für die Nutzung der Sprache, für eine respektvolle Streitkultur. Allerdings müsse er auch mehr erklären, als im Abendprogramm. Zum Beispiel sich selbst.

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Während er unter Erwachsenen nach fünf Büchern, bundesweiten Lesungen und Auftritten in vielen Talkshows inzwischen eine feste Größe ist, kennen ihn die Schüler kaum. Auch die Protagonisten seines Programms, etwa Thilo Sarrazin, lösen bei den im Schnitt 16-Jährigen keine Erinnerung aus. Nach einigem Zögern gingen sie aber mit ihm in die Diskussion, etwa über das Dasein als „Milchschnitten-People of Colour, außen braun, innen weiß“, mit der Folge, von beiden Seiten ausgegrenzt zu werden.

Duisburg ist für Hasnain Kazim ein weißer Fleck

Der gebürtige Norddeutsche, der unter anderem Korrespondent in Pakistan und der Türkei war, bekennt, dass Duisburg für ihn „ein weißer Fleck“ ist. Schimanski, Currywurst, mehr als Klischees kenne er nicht. Und dass er von seinem Auftritt in Herford aus statt der gemutmaßten zwanzig Minuten zwei Stunden braucht, sei ihm auch erst spät klar geworden, „das Ruhrgebiet ist für mich wie eine Stadt“.

Abends beteiligt sich Kazim bei einem Facebook Live an dem Format „Nachsitzen“ von Lamya Kaddor, der Bundestagskandidatin der Grünen für den Wahlkreis I in Duisburg. „Ich mach das, weil ich sie mag und schätze“, sagt der Autor, Wahlkämpfer sei er deshalb nicht. „Ich bin klassischer Wechselwähler, habe von CDU bis Grüne alle schon gewählt.“

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>>SCHULE GEGEN RASSISMUS

  • Die Globus-Gesamtschule ist seit Jahren Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage. Regelmäßige präventive Projekte kreisen um das Thema.
  • Die Schule hat Stolpersteine verlegt und Reisen nach Auschwitz unternommen. Die Heroes sind mit der Schule verbunden und haben mit Jugendlichen über Selbstbilder, Geschlechtergerechtigkeit und Ehre diskutiert.