Duisburg-Hocheide. In den 60er und 70er Jahren verdrängten Hochhäuser alte Siedlungen. Heute tendiert die Architektur wieder dazu, mehr auf den Menschen zu achten.

Am 5. September fällt der nächste Weiße Riese in Hochheide. Mit dem Abbruch des Hochhauses wird Platz geschaffen für ein lebens- und liebenswerteres Umfeld. Das frühere Problemhaus steht für eine Zeit, in der in der gesamten Bundesrepublik solche Häuser gebaut und oft schon wenige Jahre später zu sozialen Brennpunkten wurden. Der Duisburger Architekt Heinrich Hendrix kennt die Gründe für diese Entwicklung. Er weiß, was man in Zukunft besser machen muss, auch wenn es kompliziert ist.

Architektur sei immer Strömungen unterworfen, betont er. „In den 1960er und 70er Jahren war Wohnraum richtig knapp. Da gab es die Tendenz zum Hochhausbau. Alte Siedlungen wurden abgerissen, an deren Stelle rückte der Großbau.“ Der City-Wohnpark in Duisburg sei ein ganz typisches Beispiel für den verdichteten Massenwohnungsbau dieser Jahre. Es sollte ein Bindeglied werden zwischen der Innenstadt und dem Stadtteil Hochfeld.

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Die Wohnungsgesellschaft Gebag realisierte den Plan, der damals als mustergültig galt. In den bis zu achtgeschossigen Gebäudekomplexen befanden sich 424 Wohnungen. Auch in anderen Städten seien solche Großprojekte geschaffen worden. Ein typisches Beispiel für den Zeitgeist sei auch die Großwohnsiedlung Märkisches Viertel in Berlin mit 17.000 Wohnungen für über 40.000 Bewohner.

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Hinzu komme, dass über Jahre die Gründerzeitarchitektur verpönt war. „Man hat bei manchen Gebäuden sogar den Stuck abgeschlagen oder stadtbildprägende Gebäude ganz abgerissen“, berichtet Heinrich Hendrix. Hohe Decken in den Räumen und große Fenster waren nicht mehr gewünscht. „Die neue Architektur war im Grunde ein Gegenentwurf zu den braunen Kriegsjahren. Man wollte den Großwohnungsbau, die Stadtplanung war anders, man hat eben nicht auf den Menschen geachtet.“ Es habe eine deutliche Abkehr von der Architektur, die vor dem Krieg entstanden ist, gegeben. Dazu gehörte auch der Siedlungsbau aus der Nazi-Zeit.

Vorsichtig mit Flächen umgehen

Es sei ein absolut komplexes Thema. Die Fehler der Vergangenheit, als man zu wenig auf den Menschen geachtet habe, seien erkannt. Aber es gebe viele Faktoren, warum es auch heute nicht leicht sei, alle wichtigen Erkenntnisse umzusetzen. Wichtig sei in der heutigen Zeit, wo wieder viel Wohnraum fehle, dass man – auch wegen des Klimaschutzes – vorsichtig mit dem Flächenverbrauch umgehe.

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„Die Verantwortung für die Gebäude liegt bei den Architekten, das ist richtig. Aber, wenn die Stadt eine Fläche für Einfamilienhäuser ausweist, dann schafft sie Fakten, das ist ein Knackpunkt. Dann kann man sich zwar weigern, so ein Haus zu planen, aber auf die Strukturen, die für die Stadt geschaffen werden, hat man keinen Einfluss“, sagt Hendrix. Eigentlich gehe es auch nicht darum, ob man Einfamilienhäuser verbieten solle oder nicht. Wie das zurzeit ja bei den Grünen diskutiert werde.

Für den Erhalt der alten Rheinpreußensiedlung haben die Bewohner einen langen und harten Kampf geführt. Einige traten dafür sogar in den Hungerstreik. Ohne diesen erbitterten Widerstand wären auch diese Zechenhäuser abgerissen und durch Hochhäuser ersetzt worden.
Für den Erhalt der alten Rheinpreußensiedlung haben die Bewohner einen langen und harten Kampf geführt. Einige traten dafür sogar in den Hungerstreik. Ohne diesen erbitterten Widerstand wären auch diese Zechenhäuser abgerissen und durch Hochhäuser ersetzt worden. © www.blossey.eu | foto: Hans Blossey

Das Problem sieht der Architekt auf einem ganz anderen Feld. Es gebe immer wieder die Strömungen, vom Land in die Stadt zu ziehen und Jahre später wieder umgekehrt. Das müsse man bei der Stadtplanung stärker berücksichtigen. Viele hätten immer nur die Idee, neu zu bauen. Aber es gebe in Ostwestfalen und im Sauerland sehr viele leerstehende Gebäude, weil die Bevölkerung zurzeit in die Städte zieht.

Thema Verkehr muss beim Bauen berücksichtigt werden

Und am Niederrhein sei das Thema Bauen noch gar nicht strukturiert, es würde aber immer weiter neu gebaut. „Man muss viel stärker auf Punkte achten, die bisher in der Planung keine große Rolle spielen. Das ist zum Beispiel das Thema Verkehr. Wie komme ich zur Arbeit und zurück. In den Städten sollte man verdichtete Wohnformen anbieten. Es ist doch die Frage, wo wird am sinnvollsten gewohnt?“

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Denn auch in Städten zu wohnen, könne sehr attraktiv sein. Es gelte, viele Aspekte zu beachten, bevor man neue Wohngebiete ausweist. Jetzt durch Corona sei klar geworden, dass viele Menschen im Homeoffice arbeiten. Hinzu kommt, dass es in den Städten einen enormen Leerstand an Bürofläche gibt. „Wenn man kluge Investoren und gute Architekten hat, kann man Bürohäuser zu Wohnhäusern umbauen.“

Büros werden zu Wohnungen

Ein absolut gelungenes Beispiel sei das alte Verwaltungsgebäude von Thyssen in Düsseldorf. Nachdem die Zentrale nach Essen gezogen ist, stand das Gebäude leer. „Man hat die Büros zu Wohnungen umgebaut. Das ist sehr klug gewesen.“ Im Bestand umzubauen, sei für Architekten immer eine große Herausforderung. Banal gesagt müsse man auf Brandschutz und Installation achten, ganz einfach sei das aber meistens nicht.

„Aber wir müssen viel öfter auf den Bestand zugreifen, das große Ganze im Blick behalten, vorsichtig mit dem Stadtbild und den Ressourcen umgehen.“ Das gelte in besonderem Maße für Schrottimmobilien.