Duisburg. Der Inzidenz-Mittelwert der letzten fünf Wochen zeigt, welche der 46 Stadtteile Hotspots sind: Es gibt große Unterschiede – und Überraschungen.

Der Corona-Krisenstab will in den Vierteln mit dem aktuell höchsten Ansteckungsrisiko impfen, sobald das Land NRW der Stadt grünes Licht und ein Sonderkontingent an Impfdosen gibt (wir berichteten). Aber welche Stadtteile sind zurzeit Duisburgs Hotspots?

Die Verwaltung veröffentlicht seit Mitte April einmal wöchentlich die Sieben-Tage-Inzidenzen aller 46 Stadtteile (wir berichteten). Da die Fallzahlen dafür auf 100.000 Einwohner hochgerechnet werden und die Stadtteile nur zwischen 2945 (Ungelsheim) und 21.288 (Marxloh) Einwohner haben, schwanken diese Momentaufnahmen stark. Darum haben wir einen Mittelwert ausgerechnet, der das Infektionsgeschehen vom 5. April bis zum 9. Mai abbildet – diese durchschnittliche Sieben-Tage-Inzidenz hat zumindest für die dritte Welle schon größere Aussagekraft als einzelne Wochenwerte.

Demnach sind diese zehn Stadtteile jene, aus denen dem Gesundheitsamt vom 5. April bis 9. Mai anteilig die meisten neuen Fälle gemeldet wurden (Werte: Mittelwert von fünf 7-Tage-Inzidenzwerten an fünf Sonntagen; alle 46 Werte: siehe Stadtkarte):

Corona in Duisburg: Diese Stadtteile waren zuletzt am stärksten betroffen

• Bruckhausen: 346,3
• Alt-Hamborn: 305,48
• Hochemmerich: 294,96
• Fahrn: 294
• Hüttenheim: 282,84
• Neuenkamp: 268,3
• Obermarxloh: 265,34
• Beeckerwerth: 262,72
• Rheinhausen-Mitte: 258,92
• Hochheide: 258,56

Die wenigen uns zur Verfügung stehenden Stadtteil-Fallzahlen erlauben zurzeit noch nicht die Berechnung nachweisbarer Zusammenhänge, wie sie für die sieben Stadtbezirke inzwischen möglich ist. Aus einer Langzeit-Auswertung der Fallzahlen für die Bezirke (die Stadt veröffentlicht diese bereits seit Ende November) gingen wie berichtet folgende drei Zusammenhänge eindeutig hervor:

■ Je höher der Anteil der Haushalte mit Kindern in einem Bezirk, desto mehr Corona-Fälle wurden unter den Einwohnern gemeldet.

■ Je höher der Anteil der 0-bis 18-Jährigen unter den Einwohnern, desto mehr bekannte Corona-Fälle wurden dort registriert.

Weniger „perfekt“, aber noch signifikant war laut Korrelationsanalyse dieser negative Zusammenhang:

■ Je weniger Wohnfläche die Einwohner eines Bezirks durchschnittlich haben, desto mehr Corona-Fälle wurden dort registriert.

[Corona in Duisburg: alle Zahlen, Artikel und Grafiken zu Stadtteilen und Bezirken]

Dass die (auch räumlich) ungleiche Verteilung von Bildung und Wohlstand in Duisburg sich auch in dramatischen Unterschieden im Infektionsgeschehen abbildet, zeigen die aktuellen Stadtteil-Inzidenzwerte ebenfalls. Die Tendenz ist eindeutig: Die meisten Fälle gibt es in den ärmsten und am dichtesten besiedelten Vierteln, in denen mehr Menschen in kleineren Wohnungen leben. Zu den Fall-Häufungen tragen etwa prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Bildungsdefizite und auch immer noch Informations- und Sprachbarrieren bei.

All das passt ins Bild der Corona-Häufungen in migrantisch geprägten Vierteln. Aus einigen dieser Stadtteile berichten Stadt und Polizei zudem häufiger Verstöße gegen die Coronaschutzverordnung – einer der Gründe, warum Multiplikatoren aus den Nachbarschaften seit einigen Wochen im Auftrag der Stadt persönlich vor Ort an Infoständen aufklären (wir berichteten).

Es gibt auch Fall-Häufungen in Niedriginzidenz-Bezirken

Viele der Ursachen belegt umgekehrt auch die Liste der zehn Stadtteile, aus denen vom 5. April bis 9. Mai anteilig die wenigsten neuen Fälle gemeldet wurden – darunter ist kein einziger Stadtteil aus den Hochinzidenz-Problem-Bezirken Hamborn, Meiderich/Beeck und Rheinhausen vertreten:

• Mündelheim: 48,88
• Rahm: 55,88
• Alt-Walsum: 56,68
• Bissingheim: 63,8
• Baerl: 69,98
• Ungelsheim: 88,26
• Ruhrort: 95,16
• Großenbaum: 98,1
• Huckingen: 103,04
• Buchholz: 109,66

Der Datenschutz verhindert epidemiologische Ursachenforschung und gezielteren Gesundheitsschutz. Beruf, Familiengeschichte, sozio-ökonomische Merkmale, Religionszugehörigkeit und kulturelle Prägung Infizierter werden nicht erfasst, lediglich Adresse und Staatsangehörigkeit. Darum könnten gerade Auswertungen von Stadtteil-Fallzahlen für größere Zeiträume wichtige Hinweise – auch über die Pandemie hinaus – liefern, da selbst innerhalb von Stadtbezirken Unterschiede sichtbar werden.

So fällt beispielsweise auf, dass es auch in Bezirken mit insgesamt niedrigerer Inzidenz „Ausreißer“ gibt: Hüttenheim im Süden, Hochheide im Bezirk Homberg/Ruhrort/Baerl, Fahrn im Bezirk Walsum.

Andererseits ist zum Beispiel der Brennpunkt Hochfeld wider Erwarten – zumindest in den ausgewerteten fünf Wochen der dritten Welle – geringer belastet als viele andere Stadtteile.

Für das Gesundheitsamt sind die Daten bereits bei der Impfkampagne steuerungsrelevant. Benachteiligte Menschen mit Extrakontingenten dort zu impfen, wo die Ansteckungsgefahr am größten ist, hilft schnell, aber auch nachhaltig über das Viertel hinaus. Darum wäre es für die Bewohner und für alle anderen Duisburger ebenfalls gut, wenn die Hotspot-Impfungen bald beginnen können.

>> CORONA: ADRESSEN INFIZIERTER WERDEN ERFASST

■ Die Zuordnung der Fälle zu den 46 Stadtteilen ist möglich, da auf dem „Meldeformular“ auch die Adressen der positiv getesteten Personen angegeben werden.

■ Allerdings werden dem Gesundheitsamt – trotz der Gratis-Schnelltests und der Tests in Schulen – weiterhin längst nicht alle Infektionen gemeldet, zum Beispiel solche nicht, die ohne Symptome verlaufen.