Duisburg. In Hamborn und Meiderich/Beeck gibt es dauerhaft mehr Corona-Fälle als anderswo in Duisburg. Diese Zusammenhänge offenbart eine Datenanalyse.

Das Ansteckungsrisiko Erwachsener in der Corona-Pandemie hängt vor allem vom eigenen Verhalten ab und von dem derjenigen, mit denen man Zeit in Räumen verbringt. Risiko und Verhalten wiederum sind jeweils beeinflusst von anderen Faktoren: persönlichen Einstellungen, Alter (der Kinder), Informationsstand (AHAL?), Art der Erwerbstätigkeit (Heimarbeit?), Fortbewegung (ÖPNV?) … Mit etlichen soziodemografischen Merkmalen (Bildung, Einkommen etc.) hängt oft der Wohnort einer Person zusammen. Auch das Corona-Risiko variiert je nach Wohnort (Finnland oder Sachsen?), sogar innerhalb von Großstädten – und in Duisburg auffällig stark. Wie unsere Auswertung zeigt, werden aus den Bezirken Hamborn und Meiderich/Beeck dauerhaft deutlich mehr Fälle gemeldet als aus anderen Bezirken. Was aber sind über das Verhalten Einzelner hinaus mögliche Gründe dafür?

Corona-Meldeformular in Duisburg: Kaum Informationen über Infizierte

Die Zuordnung von Infizierten nach Bezirken und Stadtteilen ist möglich, da auf dem „Meldeformular“ die Adressen Infizierter erfasst werden. Über Wohnort, Staatsangehörigkeit und Geburtsdatum hinaus werden hierzulande keine personenbezogenen Daten abgefragt. Das verhindert epidemiologische Ursachenforschung und gezielte Vorbeugung.

Für Duisburg erlauben die Bezirksfallzahlen zumindest einen Blick auf statistische Zusammenhänge („Korrelationen“, siehe Info) mit einigen Aggregat-Daten – das sind Einzeldaten, die Statistiker auf anonymisiert zusammenfassen. Aber selbst mit einer perfekten „Korrelationsanalyse“ – für die unsere Stichprobe zu klein und zu undifferenziert, die Zahl der einbezogenen Merkmale zu gering ist – könnte man nicht Ursachen errechnen, sondern lediglich, ob „Wechselbeziehungen“ zwischen Eigenschaften, also Muster vorliegen. Und Vorsicht bei der Interpretation – vor „Scheinkorrelationen“ (siehe Infobox unten).

Statistik: Je mehr Haushalte mit Kindern, desto mehr Corona-Fälle

Was ein Informatiker unseres Vertrauens bescheinigt, obwohl die Möglichkeiten zum Ausschluss anderer Faktoren (Inzidenz der Nachbarkommune, Sprachbarrieren, Mediennutzung, Einstellungen, Gottesdienst-Besuche, Bildung etc.) begrenzt sind: Auf Basis der Stichprobe gibt es laut Korrelationsanalyse „starke positive lineare Zusammenhänge“ (Je mehr X, desto mehr Y) zwischen der ungleichen Verteilung von Corona-Fällen in den Bezirken und zwei Merkmalen der Bevölkerung dort:

– Je höher der Anteil der Haushalte mit Kindern, desto mehr Corona-Fälle wurden unter den Einwohnern gemeldet.

– Je höher der Anteil der 0-bis 18-Jährigen unter den Einwohnern, desto mehr bekannte Corona-Fälle wurden dort registriert.

Diese „positiven Korrelationen“ verdeutlicht ein Blick auf unsere Stadtkarten: In Hamborn (höchste Inzidenz) ist der Anteil der 0- bis 18-Jährigen am größten, in Meiderich/Beeck am zweitgrößten (zweithöchste Inzidenz), in Walsum am drittgrößten (dritthöchste Inzidenz), in Rheinhausen am viertgrößten (vierthöchste Inzidenz). Und in den Bezirken mit den anteilig wenigsten U-19-Einwohnern gibt es die wenigsten Corona-Fälle: Mitte und Süd.

Auch beim Anteil der Haushalte mit Kindern ist die Reihenfolge der Bezirke nahezu identisch zu der bei der Inzidenz. Im eher schwach betroffenen Bezirk Mitte leben anteilig mit Abstand die wenigsten Kinder: Nur in 15,4 Prozent der Mitte-Haushalte wohnen Kinder – in Hamborn sind es 24 Prozent.

Aus diesen beiden Zusammenhängen lässt sich nicht automatisch die Erklärung ableiten, dass Kinder Pandemietreiber wären. Andere Zusammenhänge sowie mit Familienleben und Kindern verbundene Erklärungen schließt diese starke Korrelation nicht aus.

Weniger „perfekt“, aber noch signifikant ist laut Rechnung dieser negative Zusammenhang:

– Je weniger Wohnfläche die Einwohner eines Bezirks durchschnittlich haben, desto mehr Corona-Fälle wurden dort registriert.

Aus der erhöhten Ansteckungsgefahr durch beengte Wohnverhältnisse leiten Forscher ab, dass Armut und deren Folgen das größte Gesundheitsrisiko sind – nicht nur in der Corona-Pandemie. Wie die ersten beiden Zusammenhänge passt er ins Bild der Corona-Häufungen in migrantisch geprägten Vierteln, die die Stadt „unter anderem durch größere Familienverbände auf engerem Wohnraum“ erklärt.

Der Zusammenhang zwischen „Migrationshintergrund“ und Inzident ist statistisch nochmals weniger signifikant als der mit der Pro-Kopf-Wohnfläche. Dass die Zuordnung „Je mehr, desto mehr“ hier nicht eindeutig vorliegt, verdeutlicht der Bezirk Mitte: Hier ist der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund deutlich größer als in vier anderen Bezirken – aus denen jedoch anteilig deutlich mehr Corona-Fälle gemeldet wurden (siehe Grafik).

Statistische Eigenschaft „Migrationshintergrund ist unspezifisch

Die statistische Eigenschaft „Migrationshintergrund“ ist zudem unspezifisch: Anders als beim Ausländeranteil (noch geringere Korrelation) sind hier zwar auch Personen erfasst, die trotz ihrer deutschen Pässe von ihrer eigenen Zuwanderung oder der ihrer Eltern geprägt sind (MigraPro). Das bedeutet aber auch: Diese Gruppe umfasst von der dritten Generation Türkeistämmiger über Zuwanderer aus Bulgarien und Flüchtlinge aus Syrien bis hin zu Enkeln polnischer Einwanderer Personen mit Wurzeln in über 100 Ländern und unterschiedlichster kultureller Identität.

Möglicherweise wären hier Auswertungen mit den genaueren Stadtteil-Fallzahlen aufschlussreicher. Dasselbe gilt für die Frage, ob sich Arbeitslose häufiger anstecken. Auf der Grundlage der Stichprobe lässt sich nicht behaupten, dass mit dem Anteil der Arbeitslosen zwangsläufig auch die Corona-Fallzahl steigt.

>> KORRELATION IST NICHT GLEICH KAUSALITÄT

  • Es gibt einen Zusammenhang zwischen zwei Variablen. Kausalität (Ursache): Es gibt einen Zusammenhang zwischen Variablen, und die eine Variable verursacht die andere. Eine starke Korrelation kann auf eine Kausalität hindeuten, aber es könnte auch andere Erklärungen geben.
  • Von einer „Scheinkorrelation“ spricht man, wenn zwischen zwei Variablen ein Zusammenhang vorliegt, der Zusammenhang aber tatsächlich reiner Zufall (1.) oder ein dritter Grund die Erklärung ist (2.). Ein Beispiel zu 1.: Zeitgleich mit der Anzahl der McDonalds-Standorte in Deutschland ist die Zahl der Patienten in Krankenhäusern gestiegen. Zu 2.: Im Norden Duisburgs gibt es mehr Corona-Fällen als im Süden. Die Ursache ist aber sicher nicht die Himmelsrichtung.

>>46 STADTTEILE IN 7 STADTBEZIRKEN

  • Bezirk Walsum: Aldenrade, Alt-Walsum, Fahrn, Overbruch, Vierlinden, Wehofen.
  • Bezirk Hamborn: Alt-Hamborn, Marxloh, Neumühl, Obermarxloh, Röttgersbach.
  • Bezirk Meiderich/Beeck: Beeck, Beeckerwerth, Bruckhausen, Laar, Mittelmeiderich, Obermeiderich, Untermeiderich.
  • Bezirk Homberg/Ruhrort/Baerl: Alt-Homberg, Baerl, Hochheide, Ruhrort.
  • Bezirk Rheinhausen: Bergheim, Friemersheim, Hochemmerich, Rheinhausen-Mitte, Rumeln-Kaldenhausen.
  • Bezirk Mitte: Altstadt, Dellviertel, Duissern, Hochfeld, Kaßlerfeld, Neudorf-Nord, Neudorf-Süd, Neuenkamp, Wanheimerort.
  • Bezirk Süd: Bissingheim, Buchholz, Großenbaum, Huckingen, Hüttenheim, Mündelheim, Rahm, Ungelsheim, Wanheim-Angerhausen, Wedau.