Duisburg-Hochfeld. Nach der jüngsten Räumung von „Schrotthäusern“ in Duisburg-Hochfeld gibt es Proteste gegen das Vorgehen der Stadt. Spontan-Demo am Wochenende.
Die Taskforce „Schrottimmobilien“ der Stadt Duisburg hat am vergangenen Donnerstag drei Mehrfamilienhäuser an der Gravelottestraße in Hochfeld dicht gemacht. „Aus Brandschutzgründen“ wurde die Nutzung untersagt – die Bewohner mussten binnen weniger Stunden ausziehen. Dagegen regt sich nun Protest, am Sonntagnachmittag fand ein spontane Demonstration statt. 60 Personen zogen von der Pauluskirche zur Gravelottestraße. Laut Polizei und Ordnungsamt blieb alles friedlich, Corona-Abstände wurde eingehalten.
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Ein Leser kommentiert das Vorgehen in den Sozialen Netzwerken so: „Wieso werden die Mieter nicht informiert? Es geht darum, wie man alles organisiert. Einfach kommen, und die Mieter bitten, schnell das Haus zu verlassen. Das ist keine Art und Weise.“ Ein ehemaliger Hochfelder schreibt: „Die Häuser werden von vielen Mietern nicht gepflegt und verkommen deshalb. Habe 40 Jahre glücklich in Hochfeld gewohnt, bis der Untergang des Stadtteils begonnen hat.“
Hausbesitzer in Hochfeld: Problem wird auf dem Rücken kinderreicher Familien ausgetragen
Ein Dritter, der die Probleme kennt, meldet sich zu Wort: „Mal hat der Vermieter Schuld, mal die Mieter, die er reingelassen hat. Ist halt mal so und mal so. Geht von beiden Seiten. Gut, dass solche Buden nun rigoros geräumt werden. Ich hoffe nur, Duisburg geht auch den Schritt weiter, für diese Dinge die jeweils Verantwortlichen zu bestrafen.“
Dirk Heckmann ist Hausbesitzer in Hochfeld und Administrator einer „Hochfeld“-Facebookgruppe. Seit der Räumung der Häuser registriert er vermehrt Beitrittsanfragen von Nutzern mit bulgarisch klingenden Namen. Die Zugewanderten vernetzen sich - so ist es offenbar auch zu der Spontandemonstration gekommen.
„Mehr als ärgerlich, dass sich manche ,Investoren’ einen schlanken Fuß machen“
Heckmann, Rechtsanwalt und Vermieter, kennt die Situation vor Ort: „Anfangs war ich von der Idee, die so genannten Schrottimmobilien amtlicherseits für unbewohnbar zu erklären, durchaus angetan. Wir haben selber zwei Mehrfamilienhäuser in Hochfeld, die wir aufwendig saniert haben und zu einem fairen Preis vermieten. In einem dieser Häuser wohnen wir selbst. Wir finden es mehr als ärgerlich, dass sich manche ,Investoren’ einen schlanken Fuß machen, indem sie versuchen, unter kleinstmöglichem Einsatz größtmögliche Mieten zu erzielen.“
Mittlerweile gehört Heckmann allerdings zu den Skeptikern der Räumungspraxis und begründet das so: „Zunehmend drängt sich der Verdacht auf, dass der Brandschutz eher ein Mittel zu einem illegitimen Zweck ist, nämlich dem, bestimmte Familien bestimmter Ethnien aus der Stadt zu vergrämen. Die Art und Weise, wie diese Räumungen vonstatten gehen, ist unsäglich. Im Endeffekt wird das Problem auf dem Rücken vor allem kinderreicher Familien ausgetragen.“
Oberbürgermeister Sören Link verteidigt Taskforce-Einsatz
Auf Nachfrage unserer Zeitung schaltet sich sogar Oberbürgermeister Sören Link in die Debatte ein: „Brandschutz ist kein Thema, dass man auf die leichte Schulter nehmen darf - das hat die Überprüfung von vielen Häusern in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Bei unseren Überprüfungen geht es in erster Linie um die Sicherheit von Bewohnern und Nachbarn. Deshalb werden wir unsere Strategie konsequent fortsetzen.“ Link gilt im Bereich Sicherheit und Migration als Hardliner und wird von politischen Gegnern spätestens seit seinem Satz „Asozial bleibt asozial - egal aus welchem Land jemand stammt“ argwöhnisch betrachtet.
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Das Wohnungsaufsichtsgesetz eröffnet Städten seit 2014 die Möglichkeit, „im Interesse des Mieterschutzes und der Wohnraumerhaltung auf die Beseitigung von Missständen hinzuwirken oder diese im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens (Instandsetzungsanordnung, Bußgeld, Ersatzvornahme, Unbewohnbarkeitserklärung) durchzusetzen“, teilt die Stadt mit.
Überprüfungen: Häufig eklatante Verstöße gegen den Brandschutz
Bei den Überprüfungen werden häufig eklatante Verstöße gegen den Brandschutz vorgefunden. Meist ist das der Fall, wenn kein zweiter Rettungsweg oder keine feuerfesten Türen vorhanden sind. „Im Brandfall würde es unweigerlich zur Katastrophe kommen. Hinzu kommen sehr häufig eine mangelhafte Elektronik - ein Beispiel: Überbrückungen mittels Gabeln“.
Grundsätzlich obliege es dem Vermieter, den Mietern im Rahmen des Vertrags adäquaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Regelmäßig suchen sich gleichwohl die Mieter – in der Regel EU-Bürger – selbstständig neue Wohnungen beziehungsweise Unterkunftsmöglichkeiten bei zum Beispiel Freunden oder Verwandten. Drohe allerdings Obdachlosigkeit, handele die Fachstelle für Wohnungsnotfälle des Amtes für Soziales und Wohnen.
Bei Bedarf erfolge außerdem eine Betreuung durch den allgemeinen sozialen Dienst des Jugendamtes. „Wird ein Haus für unbewohnbar erklärt, stellt die Stadt den Betroffenen eine Notunterkunft zur Verfügung. Dieses Angebot wird allerdings nur sehr selten in Anspruch genommen.“ Im Fall der Bewohner der Häuser an der Gravelottestraße musste nur eine Familie in die Notunterkunft nach Walsum ziehen.
>> DIE EINSÄTZE DER TASKFORCE
• Im Rahmen der bisherigen Task-Force-Einsätze wurden 68 Häuser kontrolliert, davon 61 Gebäude komplett und 7 Gebäude nicht verschlossen. Vier der ehemals geschlossen Gebäude wurde nach Sanierung zwischenzeitlich wieder frei gegeben.
• In fünf Objekten wurden mittlerweile Sanierungsmaßnahmen begonnen. Sechs der insgesamt von der Task Force geräumten Gebäude wurden von der GEBAG angekauft - vier davon wurden bereits abgerissen. Auf dem frei geräumten Grundstück an der Weseler Straße/Ecke Vorholtstraße in Marxloh hat die GEBAG gerade mit dem Neubau des „Haus der Lebenshilfe“ begonnen, das aus einer zweigeschossigen, integrativen Kita und Therapieangeboten und Wohngruppen für Autisten besteht und bundesweiten Modellcharakter hat.