Duisburg-Hochfeld. Im neuen Arbeitskreis „Leben in Hochfeld“ wollen die Duisburger nicht nur meckern, sondern konstruktiv Probleme lösen. Zu tun ist genug.
Als Heike Zitzmann mit ihrem Mann vor fünf Jahren nach Hochfeld zog, kannte sie den Stadtteil nur vom Hörensagen. Alles las sich prima: Die Wohnung schön und erschwinglich, die Nachbarn nett, die Innenstadt zu Fuß erreichbar und der Arbeitsplatz in Düsseldorf gut mit Bus und Bahn zu erreichen. Natürlich kannte sie die Geschichten, die man sich über Hochfeld erzählt, „aber wie es ist, das merkt man erst, wenn man auch dort wohnt.“ Seitdem hat die Frau, die in Marxloh aufwuchs und zwischenzeitlich in Dinslaken wohnte, viele Mails geschrieben, in denen sie und ihre Mitstreiter sich etwa dafür einsetzen, dass weniger Müll in der Landschaft liegt. Es waren nicht nur ihre Klagen, sondern auch Briefe der evangelischen Gemeinde, die dafür sorgten, dass sich sogar der Ordnungsdezernent einschaltete. Inzwischen hat sich ein Arbeitskreis namens „Leben in Hochfeld“ gegründet, zu dessen Treffen bis zu 60 Personen kommen. Alle wollen daran mitarbeiten, dass der Stadtteil ein besseres Image bekommt – denn eigentlich sind sie ziemlich überzeugt von Hochfeld.
Heike Zitzmann vertritt die Position der Immendal-Anwohner in Duisburg-Hochfeld
„Über Hochfeld wird immer nur negativ berichtet“, sagt Heike Zitzmann und findet das ungerecht. „Ich laufe nachts über die Wanheimer Straße und habe keine Angst.“ Und: In Duisburg gebe es noch gewachsene Strukturen, die Nachbarn helfen sich. Als sie in einer Siedlung in Dinslaken wohnte, hätten sich die Anwohner nur beäugt – erst hatte der eine den neuesten BMW, dann der nächste. Das sei in Duisburg anders. Heike Zitzmann selbst wusste nach einigen Wochen am Immendal: „Entweder wehren wir uns oder wir ziehen weg.“ Inzwischen wohnen sie und ihr Mann seit fünf Jahren in Hochfeld und haben sich in der Nachbarschaft einen Ruf erarbeitet. „Für einige sind wir die Blockwarte, aber sie haben Respekt vor meinem Mann.“
Da gibt es zum Beispiel die Wiese, die von vielen frequentiert werde, um im Sommer zu grillen und Party zu machen. „Als Jugendliche sind wir auch mit 30 Mann zum Baggerloch gefahren. Das war zwar verboten, aber wir hatten wenigstens eine Mülltüte dabei. Hier fehlt es manchmal an Benehmen.“ Eine Zeit lang kam das Ordnungsamt jeden Tag und sprach Platzverweise aus. Dann war Ruhe, bis es ein Kinderfest gab und danach wieder Großfamilien anrückten. „Ortsübliches Verhalten“ nannte die Polizei das – und brachte die Hochfelder mit der Umschreibung erst Recht auf die Palme. „Wir sitzen auch den Sommer über gerne im Garten. Die Menschen haben natürlich nicht die Möglichkeiten dazu.“ Sie spricht sich dafür aus, dass die Stadt im Sedan-Park oder auch im Böninger Park Grillplätze ausweist, bei denen darauf geachtet wird, dass sie in Ordnung gehalten werden.
Gegen eines möchte sich Heike Zitzmann aber verwahren: „Den Begriff Rheinort finde ich ganz schrecklich. Der Rheinpark gehört auch zu Hochfeld.“ Genauso schlimm findet sie Personen, die sich bewusst zum Stadtteil abgrenzen, weil sie „im Dellviertel“ wohnen, aber eigentlich auf der anderen Straßenseite Hochfeld beginnt.
Reinhard Schmidt ist der Stadtteilmanager für Hochfeld
Aktuell gibt es regelmäßige Saubermach-Aktionen mit Kindern und Nachbarn. Die Entwicklungsgesellschaft Duisburg hängt kurz vorher Plakate auf, um darüber zu informieren. „Es haben zwar alle ein Smartphone, benutzen die Kalender-App aber nicht“, erklärt Reinhard Schmidt, Stadtteilmanager bei der EG DU. Wichtiger als Plakate sei aber ohnehin, mit den Menschen in Kontakt zu kommen und sie auf diese Weise zu erreichen.
Auch interessant
Schmidt arbeitet seit 2017 in Hochfeld, hat dort das Integrierte Handlungskonzept mitentwickelt und sieht zum Beispiel in der Internationalen Gartenschau (IGA) eine große Chance für Hochfeld. „Natürlich werden dort auch irgendwann Blümchen gezeigt, aber es bietet die Gelegenheit, auch Stadtentwicklung umzusetzen. Ich hoffe, dass Thema hat die nötige Schwungmasse. So viele Chancen wird Duisburg nicht mehr bekommen“, erklärt der Ingenieur für Stadt- und Raumplanung. Er verwaltet die Fördergelder, hilft zum Beispiel, Projekte im Stadtteil anzuschieben wie das Bienenreich, einen Treffpunkt der Wohnungsgenossenschaft Mitte für Kinder und Nachbarn am Hochfelder Markt. Manchmal sind es ein paar Tausend Euro, die den Unterschied ausmachen, ob ein Projekt realisiert werden kann. Er weiß: Nur in Stadtentwicklungsprojekte in Form von Steinen zu investieren, bringe nichts. Im Frühjahr soll endlich das Blaue Haus eröffnet werden – das Jugendzentrum gab es viele Jahre nur als Container.
Doch Schmidt warnt: Für geförderte Projekte gilt eine Fürsorgepflicht von 20 Jahren. Auch der Platz vor der Pauluskirche sei einmal erneuert worden. Davon ist längst nichts mehr zu sehen. Er könnte sich vorstellen, dass der Kirchplatz auch bei der IGA noch wichtig werden könnte, schließlich wolle der Stadtteil Hochfeld insgesamt einen guten Eindruck bei den Besuchern hinterlassen. „Das ist ein hochsymbolischer Ort für Hochfeld“, betont Schmidt.
Das Engagement der evangelischen Kirche im Stadtteil
Auch interessant
Aktuell gibt es in der evangelischen Kirche wieder Diskussionen, wie viele Gebäude sich die Kirche noch leisten kann. „Wir kämpfen dafür, dass der Standort erhalten bleibt. Sonst geht auch ganz viel Kultur verloren“, erklärt Marion Brozek, die sich als Presbyterin in der evangelischen Gemeinde engagiert und seit 25 Jahren im benachbarten Jugendzentrum arbeitet. „Ich bin 1961 unter dem Stadtwerketurm geboren worden. Damals sah Hochfeld noch anders aus“, sagt sie. Weg möchte sie dennoch nicht.
Früher kamen Grundschüler und Gymnasiasten zur Hausaufgabenbetreuung. Heute sind es Kinder, „die es nicht so schick haben.“ Dass sich zehn Kinder zwei Zimmer teilen und somit viel mehr mitbekommen, wenn es Ärger gibt, sei keine Seltenheit. Positiv findet sie, dass sie dank des Runden Tisches nun sämtliche Ansprechpartner kennt. „Die anderen kümmern sich, wenn wir anrufen. Das ist gut.“ Oft war die Gruppe schon in der Kirche zu Gast. Um für den Stadtteil etwas zu bieten, finden zudem regelmäßig Konzerte statt – nicht nur an der Orgel, sondern auch rockige Abende.
Wohnungsgenossenschaft will verlässlicher Vermieter sein
Vom Hochfelder Potenzial ist auch Markus Kansy, Vorstandsvorsitzender der Wohnungsgenossenschaft Mitte, überzeugt. Etwa 380 Wohnungen vermietet seine Genossenschaft in Hochfeld, viele davon befinden sich am Hochfelder Markt. „Wir müssen manchmal mehr Überzeugungsarbeit leisten, um die Wohnungen zu vermieten. Aber Hochfeld ist ein toller, kunterbunter Stadtteil“, erklärt Kansy. Zunehmend würden sich auch Studenten um eine Wohnung zu bewerben. Viele Mieter seien treu, die Fluktuation betrage ohnehin nur 7,5 Prozent im Jahr und sei auch in Hochfeld nur geringfügig höher. „Wir legen Wert auf Smalltalk und dass sich die Nachbarn umeinander kümmern.“ Dazu gehöre auch, darauf zu achten, ob Müll achtlos auf der Straße lande.
Auch interessant
Die Wohnungsgenossenschaft hebe sich zudem von anderen Vermietern ab, die in der Vergangenheit immer wieder in die Schlagzeilen geraten waren, weil sie Schrottimmobilien und Bettenlager vermieteten. „Wir investieren in Hochfeld genauso in unsere Wohnungen wie in Neudorf und Duissern.“ Demnächst sollen zum Beispiel die Fassaden saniert werden. Kansy hofft, dass Hochfeld eine ähnliche Entwicklung nehme wie Berlin-Kreuzberg, das sich in den vergangenen Jahren zum hippen Stadtteil entwickelt hat. Allerdings würde dazu auch gehören, dass die Stadt dann auch geplante Projekte wie die Umgestaltung des Hochfelder Marktes umsetze und nicht zu viel Zeit verstreichen lasse.
Wirtschaftsbetriebe wollen Bewohner erreichen
Auch interessant
Ein großes Aufreger-Potenzial hat nach wie vor das Thema Müll. Norbert Lorenz von den Wirtschaftsbetrieben betont, dass sich derzeit acht Mitarbeiter kümmern, dass die Straßen und Grünanlagen sauberer werden. „Vor ein paar Jahren war es selbstverständlich, dass die Sachen einfach aus dem Fenster flogen.“ Die Wirtschaftsbetriebe kamen, sammelten ein, beseitigten die wilden Kippen und am nächsten Tag sah es ähnlich aus. Zielführender findet er, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. „Dort, wo die Personen länger wohnen, verbessert sich meist die Situation.“ In einigen Fällen schaffen sie sogar größere Mülltonnen an.
Im vergangenen Jahr haben Nachbarn Piktogramme gefertigt, um die Sprachbarriere zu überwinden und Geschäftsleute entlang der Arkaden für mehr Sauberkeit zu sensibilisieren. Auch solche Projekte helfen und sorgen dafür, miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn: Zwar lassen sich Themen in der Arbeitsgruppe „Leben in Hochfeld“ mit Hilfe der Ansprechpartner aus den Institutionen schneller regeln und anschieben, doch Zugewanderte engagieren sich hier nicht.