Duisburg. Jörg-Holger Ibsch kann die Razzia in Hochfeld nur begrüßen - das sagt er als überzeugter Hochfelder. Warum er sich dennoch engagiert...
Auf dem Pauluskirchplatz wird getrödelt, einige Kinder spielen Dosenwerfen, die Sängerinnen der Gruppe „Green Lemonade“ unterhalten die Besucher bestens mit Coversongs. Für Jörg-Holger Ibsch, dem Vorsitzenden des Presbyteriums, und seinen Mitstreitern bedeutet das Fest allerdings mehr als nur ein entspannter Tag mit Kuchen und Wurst vom Grill. Sie wollen Präsenz zeigen als Christen in Duisburg-Hochfeld.
Rund 2.900 Mitglieder zählt die evangelische Gemeinde noch, früher waren es mal 16.000. Die beiden Apostel-Figuren Peter und Paulus, die oberhalb des Altars angebracht sind, schauen aus dem Fenster. „Sie können sich das Elend nicht mehr ansehen“, bemerkt der 75-Jährige und lacht. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit: Im Krieg wurde die Kirche zerstört, die Apostel wurden anschließend in anderer Blickrichtung wieder aufgestellt.
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Jörg-Holger Ibsch ist fast sein ganzes Leben Hochfelder. Geboren in Norddeutschland kam seine Familie nach Duisburg, weil der Vater auf der Niederrheinischen Hütte Arbeit fand. „Wir waren die ersten Gastarbeiter noch bevor die Türken und Italiener kamen. Genauso wurden wir auch angesehen.“ Seitdem ist er Hochfelder, seit 50 Jahren im Presbyterium. Ein Gespräch mit einem Mann, der seinen Stadtteil nicht aufgeben möchte.
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Sie sind seit 1954 in Hochfeld. Wie hat sich der Stadtteil verändert?
Mein Vater hat in Kiel gearbeitet und wurde mit dem Versprechen „Blauer Himmel über der Ruhr“ gelockt. In Duisburg gab es Industrie, deshalb sind wir her gezogen, als ich zehn Jahre alt war. Früher gab es entlang der Wanheimer Straße viele Geschäfte und Banken. Erst Mitte der 1970er Jahre ist das gekippt und heute gehe ich eigentlich gar nicht mehr zum Einkaufen auf die Wanheimer Straße.
Sie haben eine 400-Euro-Kraft eingestellt, die sonntags für Ordnung sorgt.
Das stimmt. Der Mitarbeiter macht vorher den Platz ein bisschen sauber und sitzt während des Gottesdienstes an der Tür. Früher haben regelmäßig Kinder den Gottesdienst gestört. Manchmal sind auch Besucher während des Abendmahls beklaut worden. Dann war die Tasche plötzlich weg. Der Mann hat das richtige Format und ist eine Respektperson. Es ist ja so: Manchmal sieht man die Jugendlichen noch abends um elf, zwölf Uhr auf dem Platz spielen. Eigentlich wäre das eine Sache für das Ordnungsamt, mal zu kontrollieren, wie das sein kann. Die Kinder bekommen heutzutage schon viel mehr mit, als das bei uns der Fall war. Rund um die Kirche werden Drogen verkauft und immer wieder wird gegen die Kirche gepinkelt. Wenn wir das sehen, sprechen wir die Personen an.
Wird auch Kirchen-Inventar geklaut?
Das nicht, aber wir haben Probleme mit Vandalismus. Sehen Sie sich die Scheiben an. Einige Gläser haben wir in der Vergangenheit gegen Sicherheitsfenster ausgetauscht. Die anderen, die etwas geschützter sind, noch nicht. Nun sind aber auch dort mit losen Steinen die Scheiben eingeworfen worden - dabei muss man dafür zwei Zäune überwinden.
Hat sich durch diese Vorkommnisse Ihre Haltung gegenüber der Gesellschaft verändert?
Nein. Ich finde es wichtig, hier in Hochfeld als Kirche präsent zu sein. Es muss nur jedem klar sein, dass wir hier eine ganz andere Kirchenarbeit machen als in Buchholz oder Duissern. Wir leisten Basis-Arbeit, erklären zum Beispiel in unseren Kursen, wie Mülltrennung funktioniert oder machen Sprach-Angebote speziell für Frauen. Immer, wenn sich irgendwo ein Fördertopf auftut, versuchen wir, den zu nutzen und haben auch schon Dolmetscher beschäftigt. Wir leisten hier soziale Arbeit, bringen den Menschen die Grundbegriffe des sozialen Miteinanders bei und alles, was wir uns wünschen, ist eine friedliche Koexistenz.
Es soll aber auch Deutsche geben, die ihren Müll in Hochfeld achtlos wegwerfen.
Das stimmt. Wir sagen auch gar nicht, dass nur Menschen einer bestimmten Nationalität für die Situation verantwortlich sind. Wenn sich irgendwo der Dreck stapelt, dann stellt noch jemand anderes seine Sachen dazu oder schmeißt sie manchmal sogar aus dem Fenster.
Künftig, wenn am Rheinpark das neue Quartier entsteht, soll in Hochfeld alles besser werden.
Da glaube ich nicht dran. Am Anfang sehen die Wohnungen vielleicht schön aus, aber wer wird sich denn langfristig dort ansiedeln? Es ist ja nicht damit zu rechnen, dass dort ein neues Gebiet von der Qualität des Düsseldorfer Medienhafens entsteht.
Wie sehen Sie die Aufgabe der Kirche in Hochfeld?
Uns ist das Gemeindefest wichtig, weil wir als Kirche Flagge zeigen wollen. Sicherlich kommen die meisten wegen des Trödelmarkts zu uns. Einige halten sich sowieso jeden Tag auf dem Platz auf, heute sitzen sie eben auf den Bänken. Das hat unser Pastor auch schön in der Andacht eingeflochten. Wir engagieren uns im Stadtteil, deshalb veranstalten wir regelmäßig Konzerte bei uns und es finden andere Veranstaltungen statt. Wir wollen den Stadtteil nicht aufgeben.
Soziales Angebot wurde ausgenutzt
In Hochfeld leben 18.595 aus insgesamt 105 Nationen. Damit gehört Hochfeld zu den Stadtteilen, die in den vergangenen Jahren stark gewachsen sind – seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Einwohner in Hochfeld um 12,8 Prozent gestiegen, so der Stand von Mitte 2018. Die größte Bevölkerungsgruppe nach den Deutschen sind Bulgaren (3.750), danach folgen laut städtischer Statistik Bewohner mit türkischem Pass (1.703) und aus Rumänien (1.060).
In der Vergangenheit hat die evangelische Gemeinde an Bedürftige Essensmarken verteilt, mit denen sie bei einem Discounter einkaufen konnten. Dieser hat dann mit der Gemeinde abgerechnet. Der Andrang wurde allerdings so groß, dass dieses Angebot eingestellt werden musste. „Der Pastor konnte kaum noch auf die Straße gehen. Wir hatten Ausgaben von mehreren tausend Euro. Das konnten wir uns nicht mehr leisten“, betont Jörg-Holger Ibsch.
Am Ende waren es ohnehin immer die gleichen Personen, die dann auch noch sämtliche Familienangehörige mitbrachten. Und diese kauften günstige Wasserflaschen, kippten den Inhalt aus und ließen sich dann den Pfand auszahlen.