Duisburg. Die Duisburger Grünen haben über „Frauen in der Corona-Krise“ diskutiert. Warum ein Rückfall in die traditionelle Geschlechterrolle droht.

Die Corona-Pandemie hat für Frauen aus einer Doppel- eine Mehrfachbelastung gemacht. Neben Beruf und Haushalt müssen zumeist Frauen einspringen beim Homeschooling, als Kindergärtnerin, Freundin und Seelsorgerin. Um „Frauen in der Corona-Krise“ ging es am Donnerstag bei den Duisburger Grünen im Vorfeld des Internationalen Frauentages.

Zu Gast waren in der Videokonferenz Terry Reintke, Europaabgeordnete der Grünen aus Gelsenkirchen, und die Duisburger Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor. Zentrale Thesen: Frau und Virus, Chancen und Risiken? Die Risiken überwiegen, so jedenfalls ist die Beobachtung von Lamya Kaddor. Die 43-jährige Duisburgerin, Lehrerin, zweifache Mutter und Bundestagskandidatin der Grünen, sagt: „Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas auf soziale Missstände.“ Die schwächsten Glieder einer Gesellschaft seien dabei am stärksten betroffen: Kinder, Jugendliche – und eben Frauen.

Frauen kehren in ihre Traditionsrolle zurück

Im Vorgespräch mit der Redaktion bringt Terry Reintke das Dilemma auf den Punkt: „Durch den Lockdown befindet sich die Frau in einer Retraditionalisierung. Das, was die Emanzipation jahrelang aufgebaut hat, wird gerade wieder über Bord geworfen.“ Die 33-jährige, die später im Forum als „Ikone des Feminismus“ vorgestellt wird, beklagt, dass berufstätige Frauen jetzt in Kurzarbeit sind und zu Hause das Homeschooling und die Kinderbetreuung übernehmen müssen. Damit kehren sie in ihre Traditionsrolle zurück. „Die Erwartungshaltung ist: Das müssen jetzt die Frauen wieder übernehmen!“

Wie es so weit kommen kann nach jahrzehntelangem Kampf für die Gleichberechtigung? Das liegt auch daran, dass Männer immer noch besser verdienen. Corona-Hilfen fließen meistens in die Branchen, in denen hauptsächlich Männer arbeiten wie die Autoindustrie und die Baubranche, erläuterte Terry Reintke. Gerade in schlecht bezahlten Pflegeberufen. Sie wurden im letzten Jahr oft beklatscht. Geholfen habe es ihnen aber nicht. Hier seien Staat und Gemeinschaft gefordert, bessere Bedingungen zu schaffen, so die Forderung der Grünen. Notfalls gerichtlich einzuklagen.

Männer sind stärker als Väter gefragt

Einen Einblick in die aktuelle, um nicht zu sagen akute Befindlichkeit gab Lamya Kaddor: Frauen kämpften zu Hause mit Teenagern, die keine Lust mehr auf Videokonferenzen haben. Mütter müssten motivieren, mit unterrichten, ein offenes Ohr für die Probleme und Ängste ihrer Kinder haben. Diese Ängste, so die Sorge, nehmen im Lockdown extrem zu, weil sich Kinder nicht mehr gut untereinander austauschen können. Wenn die Schul-Video-Stunden vorbei sind, seien sie froh, wenn sie den Bildschirm abschalten können.

Der private Austausch über Videotelefonate findet kaum statt und kann auch längst nicht das direkte Miteinander ersetzen. Eigentlich eine leichte und offenbar doch schwierige Lösung wäre, dass die Männer sich mehr um die Kinder kümmern. Dazu müssen die Frauen aber auch darauf vertrauen, dass die Männer sich, in ihren Augen, gut genug mit den Kindern beschäftigen. Ein häufiges Problem auch ohne Pandemie: „Loslassen lernen“, kommentierte eine Besucherin im Chat.

In der Pandemie nimmt Gewalt gegen Frauen zu

Bedenklich ist unter Corona aber auch die Entwicklung der häuslichen Gewalt, die sich in der Regel gegen Frauen richtet – und das zunehmend. Das belegen im Vorfeld des Internationalen Frauentags am 8. März aktuelle Studien etwa der Charité und Berichte, unter anderem vom Verein für Opferhilfe, dem Weißen Ring. Auch die Anrufe bei Hilfetelefonen steigen dramatisch an. Die Psyche am Limit.

In Familien, in denen Gewalt herrscht, suchen Frauen mit ihren Kindern oft Schutz in Frauenhäusern. Die Plätze dort aber sind rar, in ganz NRW und auch in Duisburg. Zwischen November 2020 und Januar 2021 konnten nur neun von den 70 Frauenhäusern in NRW ihre Hilfe und einen Platz anbieten. Die Forderung ist alt: mehr Gelder von der Politik für Frauenhausplätze, mehr Schutzräume für Kinder und Frauen. Reintke: „Wir müssen weiterkämpfen!“

>>>DER 8. MÄRZ IST WELTFRAUENTAG

  • Am Montag, 8. März, ist Weltfrauentag. Er wurde erstmals 1911 begangen, seit 100 Jahren wird er jährlich gefeiert. Am Weltfrauentag demonstrieren weltweit Frauen für die Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung von Frauen.
  • „Die Ziele sind klar: Wir brauchen bessere Löhne in frauendominierten Berufen, mehr Frauen in Führungspositionen und eine geschlechtergerechte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit“, so die Duisburger DGB-Vorsitzende Angelika Wagner zum 8. März.