Duisburg. Das Frauenhaus Duisburg und das Autonome Frauenhaus über häusliche Gewalt, finanzielle Nöte, Homeschooling und Spätfolgen der Corona-Pandemie.

Die beiden Frauenhäuser in Duisburg nehmen Frauen auf, die aus häuslicher Gewalt flüchten. Als wäre das nicht Auftrag genug, müssen sich die Mitarbeiterinnen aktuell auch noch um das Homeschooling der mitgebrachten Kinder kümmern. Immerhin: Eins der Häuser hat dafür seit zwei Wochen Wlan.

Karin Bartl vom Frauenhaus Duisburg und Hiltrud Limpinsel vom Autonomen Frauenhaus haben das Corona-Jahr als enorm belastend erlebt. Trauriger Höhepunkt war der Fall einer Frau, die mit ihren fünf Kindern aus Rheinland-Pfalz vor dem gewalttätigen Ehemann ins hiesige Frauenhaus geflüchtet war. Er hatte sie im Juni im Böninger Park aufgespürt und mit einem Messer attackiert. Gerade steht er wegen versuchten Mordes vor Gericht.

Auch interessant

Frauenhäuser fürchten eine Welle von Frauen, die aus Häuslicher Gewalt flüchten

Während des ersten Lockdowns und auch jetzt gebe es Probleme durch beengte Wohnverhältnisse, den Mangel an Möglichkeiten zum Dampf ablassen und in der Folge häusliche Gewalt, sagen die beiden Expertinnen. Da für die Frauen Wege fehlten, sich unbemerkt Hilfe zu holen, sei es bislang zu weniger Meldungen gekommen. Die Zahl der Anrufe stieg nach dem ersten Lockdown spürbar, ging ab November aber auch wieder zurück.

Abgesehen davon brauche es oft Zeit, bis Frauen sich entschließen, aus einer Gewalt-Beziehung zu flüchten. Die große Welle, so fürchten sie, komme deshalb erst noch. Limpinsel beobachtet außerdem eine neue Klientel: Berufstätige Frauen, die ihre Kinder im Lockdown nicht mit dem gewalttätigen Mann allein daheim lassen wollen und deshalb ins Frauenhaus flüchten.

Prekäre Finanzierung der Frauenhäuser

Da es statt einer pauschalen Finanzierung der Frauenhäuser nur eine Einzelfallfinanzierung gibt, müssen die Mitarbeiterinnen die Frau schon vor Ankunft über ihre finanzielle Situation ausfragen, um herauszufinden, ob der Aufenthalt über das Jobcenter, die Sozialhilfe, Bafög oder von ihr selbst bezahlt wird. Das sei eine völlige Überforderung in einer Notsituation, bekunden die beiden Leiterinnen.

+++ Damit Sie keine Nachrichten aus Duisburg verpassen: Abonnieren Sie unseren WAZ-Newsletter.+++

Auch gesamtpolitisch findet Limpinsel das skandalös. Verstöße gegen Menschenrechte durch Gewalt oder Folter in anderen Ländern würden von Deutschland aus zurecht kritisiert, Frauenrechte seien aber auch Menschenrechte, die der Staat hier nicht achte.

"Wir können nicht aus Humanität Pleite gehen"

Zum Ende des Jahres, wenn die Mittel knapp werden, könnten oft nur noch Frauen aufgenommen werden, für die die Finanzierung sicher sei. "Wir können nicht aus Humanität Pleite gehen", bedauert Bartl.

Das Land bezahlt lediglich 60 Prozent der Personalkosten, der Rest muss über Spenden reinkommen, ergänzt Limpinsel. Die Akquise ist ein großer Zeitfresser. Die Mittel, die der Rat der Stadt für 2020 und 2021 freigegeben hatte, waren gebunden an den Aufbau weiterer Plätze, die wiederum Mehrkosten verursachten bei der Ausstattung und bei den Lebenshaltungskosten der Frauen.

Bartl ergänzt, dass sich auch bei den Frauen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entwickele, weil es Frauen mit Migrationshintergrund noch schwerer hätten, Zugang zu finden und die nötigen Unterlagen zu beschaffen. Dabei will sie vor allem helfen, sofort und ohne Einschränkung: "Ich will nicht unterscheiden müssen, welchen Status eine Frau hat."

Hohe Arbeitsbelastung für das Team, wenig Interaktion unter den Frauen

Was den beiden zu schaffen macht, ist die hohe Arbeitsbelastung für sie und ihr Team. Da viele Behörden im Lockdown sind, sei auch von dieser Seite kaum Hilfe zu erwarten. Viel Energie geht drauf für Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen und anderen bürokratischen Dingen. Hinzu kommen die vielen bitteren Lebensgeschichten, für die kaum Zeit zum Verarbeiten bleibe. Auch Selbstfürsorge ist unter Pandemiebedingungen schwieriger, betont Bartl.

Corona schränkt auch die Interaktion zwischen den Frauen ein, es gibt keine Gruppentreffen, das unkomplizierte Beisammensein, das Vertrauen schafft, fehlt völlig, bedauert Bartl. Dadurch fehle auch die Erkenntnis, dass es kein persönliches Problem ist, für das Betroffene verantwortlich sind, sondern ein Männer- und Macht-Problem, das leider viele andere Frauen teilen, ergänzt Limpinsel.

Wer es gerade so ins Frauenhaus geschafft habe, der sei selten in der Lage, noch den Lehrer für die Kinder zu geben. Jedes der Frauenhäuser beherbergt aktuell eine Handvoll Schüler, für die jetzt improvisiert wird.

Positive Coronafälle sind zum Glück in beiden Häusern noch nicht aufgetreten, zur Not gibt es Quarantänemöglichkeiten. Aber allen Vorkehrungen mit Hygienemaßnahmen zum Trotz gilt für die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser: "Wir müssen mutig sein, wie überall in unserer Arbeit - in der Öffentlichkeit, um unsere Forderungen durchzusetzen, aber auch im Umgang mit Tätern, die plötzlich auftauchen", sagt Bartl.

>>> KOMMT EIN DRITTES FRAUENHAUS?

Im letzten Jahr wurde diskutiert, dass in Duisburg ein weiteres Frauenhaus eröffnet werden müsste. Das Christophoruswerk, das bereits Träger des einen Frauenhauses ist, hatte auch Interesse an einer Übernahme signalisiert. Dafür müsste es aber deutlich besser finanziert werden, stellt Karin Bartl klar.

In einer Pressemitteilung erklärte das Gleichstellungsministerium am Dienstag, das Landeskabinett habe sich darauf verständigt, "weitere 1,6 Millionen Euro für Unterstützungsangebote gegen Gewalt an Frauen infolge der Herausforderungen der Pandemie bereitzustellen". Eine grundsätzlich stabilere Finanzierung ist damit allerdings noch nicht hergestellt. Im Januar 2021 gab es landesweit 622 Akutschutzplätze für von Gewalt betroffene Frauen in Nordrhein-Westfalen - 51 mehr als im Sommer 2017.

>>> KONTAKT:

● Tag und Nacht ist das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen besetzt. Unter 08000 116 016 und auf www.hilfetelefon.de können auch Dolmetscherinnen helfen.

● Das Frauenhaus Duisburg ist unter 0203 370 073 zu erreichen, per E-Mail an info@frauenhaus-duisburg.de.

● Das zweite Frauenhaus in Duisburg betreibt der Verein Frauen helfen Frauen e.V., es ist unter 0203 622 13 zu erreichen (Mail: autonomesfrauenhausdu@web.de). Weitere Infos: www.frauen-helfen-frauen.org